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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
solennen Dedicationsworte spricht, die Pfosten des Tempels
ergreifen. 772) Bei der Anrufung der Mutter Erde in der De-
votionsformel wird die Erde erfaßt, 773) bei dem Eide und dem
das Opfer begleitenden Gebet der Altar. 774) Warum? Der
Altar ist nicht der Gegenstand, den der Eid oder das Gebet be-
trifft, die deiktische Deutung des Greifens ist hier also völlig
ausgeschlossen. Ich meine, es ist dieselbe Idee, die dem Hand-
auflegen bei Ertheilung des Segens zu Grunde liegt. Bei
dem letzten Act soll die Hand gewissermaßen den Leiter abgeben,
durch den der Segen auf das Haupt des Empfängers hinüber-
strömt, der spirituelle Rapport, die rein geistige Einwirkung
wird durch das Verhältniß der physischen Berührung nicht bloß
symbolisch angedeutet, sondern für die sinnliche Auf-
fassung dadurch überall erst ermöglicht, ähnlich wie zur
Fortpflanzung des elektrischen Stroms eine Berührung nöthig
ist. 775)

Läßt sich nun diese Tendenz der substantiellen Substruction
spiritueller Einwirkungen und Beziehungen in diesen und an-
dern Fällen nachweisen, so werden wir schwerlich fehl greifen,
wenn wir ihr auch für das Recht eine gewisse Geltung vindici-
ren. Die abstracte Erfassung des Willens als einer spiritualisti-

eine Monstrosität gewesen, es hätten denn Beide zugleich dediciren müssen,
was wiederum nicht möglich. Der Pontifex ward da, wo er nicht selbst dedi-
cirte, dadurch nicht dedicirendes Subject, daß er dem dedicirenden Magistrat
die Formel vorsprach.
772) Liv. II, 8. Cic. pro domo 46, 47. Val. Max. V, 10 §. 1.
Serv. ad Georg. III, 16.
Daher die Wendung dedicare, consecrare
manu Cic. de leg. II, 2, pro domo 40,
u. a.
773) Bei Macrob. Sat. III, 9. Ebenso beim Votum an die Ops I, 10
und bei den religiösen Spielen. Cic. de harusp. resp. 11: si puer ille
patrimus et matrimus terram non tenuit.
774) Ueber den Eid s. die Belege bei Briss. a. a. O. VIII, c. 10 und
Danz der sacrale Schutz S. 45, 113; über das Opfer bei Briss. I c. 63
namentlich Macr. Saturn. III, 2 ... quod litare sola non possit
oratio
, nisi is qui deos precatur etiam aram manibus apprehendat.
775) Deutet Macrobius mit den gesperrten Worten der vorigen Note

Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47.
ſolennen Dedicationsworte ſpricht, die Pfoſten des Tempels
ergreifen. 772) Bei der Anrufung der Mutter Erde in der De-
votionsformel wird die Erde erfaßt, 773) bei dem Eide und dem
das Opfer begleitenden Gebet der Altar. 774) Warum? Der
Altar iſt nicht der Gegenſtand, den der Eid oder das Gebet be-
trifft, die deiktiſche Deutung des Greifens iſt hier alſo völlig
ausgeſchloſſen. Ich meine, es iſt dieſelbe Idee, die dem Hand-
auflegen bei Ertheilung des Segens zu Grunde liegt. Bei
dem letzten Act ſoll die Hand gewiſſermaßen den Leiter abgeben,
durch den der Segen auf das Haupt des Empfängers hinüber-
ſtrömt, der ſpirituelle Rapport, die rein geiſtige Einwirkung
wird durch das Verhältniß der phyſiſchen Berührung nicht bloß
ſymboliſch angedeutet, ſondern für die ſinnliche Auf-
faſſung dadurch überall erſt ermöglicht, ähnlich wie zur
Fortpflanzung des elektriſchen Stroms eine Berührung nöthig
iſt. 775)

Läßt ſich nun dieſe Tendenz der ſubſtantiellen Subſtruction
ſpiritueller Einwirkungen und Beziehungen in dieſen und an-
dern Fällen nachweiſen, ſo werden wir ſchwerlich fehl greifen,
wenn wir ihr auch für das Recht eine gewiſſe Geltung vindici-
ren. Die abſtracte Erfaſſung des Willens als einer ſpiritualiſti-

eine Monſtroſität geweſen, es hätten denn Beide zugleich dediciren müſſen,
was wiederum nicht möglich. Der Pontifex ward da, wo er nicht ſelbſt dedi-
cirte, dadurch nicht dedicirendes Subject, daß er dem dedicirenden Magiſtrat
die Formel vorſprach.
772) Liv. II, 8. Cic. pro domo 46, 47. Val. Max. V, 10 §. 1.
Serv. ad Georg. III, 16.
Daher die Wendung dedicare, consecrare
manu Cic. de leg. II, 2, pro domo 40,
u. a.
773) Bei Macrob. Sat. III, 9. Ebenſo beim Votum an die Ops I, 10
und bei den religiöſen Spielen. Cic. de harusp. resp. 11: si puer ille
patrimus et matrimus terram non tenuit.
774) Ueber den Eid ſ. die Belege bei Briss. a. a. O. VIII, c. 10 und
Danz der ſacrale Schutz S. 45, 113; über das Opfer bei Briss. I c. 63
namentlich Macr. Saturn. III, 2 … quod litare sola non possit
oratio
, nisi is qui deos precatur etiam aram manibus apprehendat.
775) Deutet Macrobius mit den geſperrten Worten der vorigen Note
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[597/0303] Haften an der Aeußerlichkeit. III. Der Formalismus. §. 47. ſolennen Dedicationsworte ſpricht, die Pfoſten des Tempels ergreifen. 772) Bei der Anrufung der Mutter Erde in der De- votionsformel wird die Erde erfaßt, 773) bei dem Eide und dem das Opfer begleitenden Gebet der Altar. 774) Warum? Der Altar iſt nicht der Gegenſtand, den der Eid oder das Gebet be- trifft, die deiktiſche Deutung des Greifens iſt hier alſo völlig ausgeſchloſſen. Ich meine, es iſt dieſelbe Idee, die dem Hand- auflegen bei Ertheilung des Segens zu Grunde liegt. Bei dem letzten Act ſoll die Hand gewiſſermaßen den Leiter abgeben, durch den der Segen auf das Haupt des Empfängers hinüber- ſtrömt, der ſpirituelle Rapport, die rein geiſtige Einwirkung wird durch das Verhältniß der phyſiſchen Berührung nicht bloß ſymboliſch angedeutet, ſondern für die ſinnliche Auf- faſſung dadurch überall erſt ermöglicht, ähnlich wie zur Fortpflanzung des elektriſchen Stroms eine Berührung nöthig iſt. 775) Läßt ſich nun dieſe Tendenz der ſubſtantiellen Subſtruction ſpiritueller Einwirkungen und Beziehungen in dieſen und an- dern Fällen nachweiſen, ſo werden wir ſchwerlich fehl greifen, wenn wir ihr auch für das Recht eine gewiſſe Geltung vindici- ren. Die abſtracte Erfaſſung des Willens als einer ſpiritualiſti- 771) 772) Liv. II, 8. Cic. pro domo 46, 47. Val. Max. V, 10 §. 1. Serv. ad Georg. III, 16. Daher die Wendung dedicare, consecrare manu Cic. de leg. II, 2, pro domo 40, u. a. 773) Bei Macrob. Sat. III, 9. Ebenſo beim Votum an die Ops I, 10 und bei den religiöſen Spielen. Cic. de harusp. resp. 11: si puer ille patrimus et matrimus terram non tenuit. 774) Ueber den Eid ſ. die Belege bei Briss. a. a. O. VIII, c. 10 und Danz der ſacrale Schutz S. 45, 113; über das Opfer bei Briss. I c. 63 namentlich Macr. Saturn. III, 2 … quod litare sola non possit oratio, nisi is qui deos precatur etiam aram manibus apprehendat. 775) Deutet Macrobius mit den geſperrten Worten der vorigen Note 771) eine Monſtroſität geweſen, es hätten denn Beide zugleich dediciren müſſen, was wiederum nicht möglich. Der Pontifex ward da, wo er nicht ſelbſt dedi- cirte, dadurch nicht dedicirendes Subject, daß er dem dedicirenden Magiſtrat die Formel vorſprach.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0202_1858/303>, abgerufen am 22.11.2024.