Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 2. Leipzig, 1858.Zweites Buch. Erster Abschn. III. Die jurist. Technik. B. Des ält. Rechts. halten dieser Bestimmungen würde eine Gedächtnißanstrengungerfordern, die man kaum von einem Andern, als dem Juristen erwarten dürfte, und ich würde unbedenklich dies Thema zu den schweißtreibenden Fragen des juristischen Examens zählen. Und dieses wüste Conglomerat zusammenhangs- und principloser Verordnungen soll der Bürger und Bauer sich einprägen? Fürs Volk eine Regel, die nach der einen Seite ein Dutzend, nach der andern beinah ein halbes Dutzend Ausnahmen erleidet? Nun aber die Anwendung der Bestimmungen im Leben! Man soll erst taxiren, ob die Sache über oder unter 50 Rl. werth ist, man soll wissen, ob die bei einem Realcontract beliebten Bestim- mungen eine Abweichung von dem gesetzlichen Typus des Ge- schäfts enthalten oder nicht, was unter Hausofficianten zu ver- stehen ist (Gouvernante, Gesellschafterin, Inspector, Hausarzt?), was unter gewagten Geschäften u. s. w. In der That derartige Bestimmungen lassen sich nicht anders, denn als Fallstricke und Fußangeln bezeichnen, die der Gesetzgeber selbst dem Verkehr gelegt hat, ungesunde Producte der Studierstube, die dem Volk ewig fremd bleiben müssen. Denn ins Volk dringt nur, was aus dem Volk hätte hervorgehen können. Es wird jetzt ein Leichtes sein, auf Grund dieser Exempli- lichen Vertrages vertritt. Dagegen müssen Miethverträge mit Hausoffi-
cianten immer schriftlich errichtet werden." S. 160: 7. "Pachtverträge über Landgüter. Ist der Pachtvertrag bloß mündlich geschlossen, so gilt er nur auf ein Jahr. 9. Verlagsverträge. Ist der Vertrag nicht schriftlich errichtet, die Handschrift jedoch vom Schriftsteller abgeliefert worden, so gilt die mündliche Verabredung zwar in Ansehung des Honorars, in allen übrigen Stücken aber sind die Verhältnisse beider Theile lediglich nach den gesetzlichen Vorschriften zu beurtheilen." Siehe noch Fall 10 und 12 bei Bornemann S. 160, 161 Schenkungen endlich erfordern noch einer besondern Form, der gerichtlichen Abschließung. In der That dies völlig principlose Schwanken und Schaukeln zwischen Form und Formlosigkeit ist ganz geeignet das Gefühl des Schwindels und der Seekrankheit zu erregen. Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts. halten dieſer Beſtimmungen würde eine Gedächtnißanſtrengungerfordern, die man kaum von einem Andern, als dem Juriſten erwarten dürfte, und ich würde unbedenklich dies Thema zu den ſchweißtreibenden Fragen des juriſtiſchen Examens zählen. Und dieſes wüſte Conglomerat zuſammenhangs- und principloſer Verordnungen ſoll der Bürger und Bauer ſich einprägen? Fürs Volk eine Regel, die nach der einen Seite ein Dutzend, nach der andern beinah ein halbes Dutzend Ausnahmen erleidet? Nun aber die Anwendung der Beſtimmungen im Leben! Man ſoll erſt taxiren, ob die Sache über oder unter 50 Rl. werth iſt, man ſoll wiſſen, ob die bei einem Realcontract beliebten Beſtim- mungen eine Abweichung von dem geſetzlichen Typus des Ge- ſchäfts enthalten oder nicht, was unter Hausofficianten zu ver- ſtehen iſt (Gouvernante, Geſellſchafterin, Inſpector, Hausarzt?), was unter gewagten Geſchäften u. ſ. w. In der That derartige Beſtimmungen laſſen ſich nicht anders, denn als Fallſtricke und Fußangeln bezeichnen, die der Geſetzgeber ſelbſt dem Verkehr gelegt hat, ungeſunde Producte der Studierſtube, die dem Volk ewig fremd bleiben müſſen. Denn ins Volk dringt nur, was aus dem Volk hätte hervorgehen können. Es wird jetzt ein Leichtes ſein, auf Grund dieſer Exempli- lichen Vertrages vertritt. Dagegen müſſen Miethverträge mit Hausoffi-
cianten immer ſchriftlich errichtet werden.“ S. 160: 7. „Pachtverträge über Landgüter. Iſt der Pachtvertrag bloß mündlich geſchloſſen, ſo gilt er nur auf ein Jahr. 9. Verlagsverträge. Iſt der Vertrag nicht ſchriftlich errichtet, die Handſchrift jedoch vom Schriftſteller abgeliefert worden, ſo gilt die mündliche Verabredung zwar in Anſehung des Honorars, in allen übrigen Stücken aber ſind die Verhältniſſe beider Theile lediglich nach den geſetzlichen Vorſchriften zu beurtheilen.“ Siehe noch Fall 10 und 12 bei Bornemann S. 160, 161 Schenkungen endlich erfordern noch einer beſondern Form, der gerichtlichen Abſchließung. In der That dies völlig principloſe Schwanken und Schaukeln zwiſchen Form und Formloſigkeit iſt ganz geeignet das Gefühl des Schwindels und der Seekrankheit zu erregen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0216" n="510"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchn. <hi rendition="#aq">III.</hi> Die juriſt. Technik. <hi rendition="#aq">B.</hi> Des ält. Rechts.</fw><lb/> halten dieſer Beſtimmungen würde eine Gedächtnißanſtrengung<lb/> erfordern, die man kaum von einem Andern, als dem Juriſten<lb/> erwarten dürfte, und ich würde unbedenklich dies Thema zu den<lb/> ſchweißtreibenden Fragen des juriſtiſchen Examens zählen. Und<lb/> dieſes wüſte Conglomerat zuſammenhangs- und principloſer<lb/> Verordnungen ſoll der Bürger und Bauer ſich einprägen? Fürs<lb/><hi rendition="#g">Volk</hi> eine Regel, die nach der einen Seite ein Dutzend, nach<lb/> der andern beinah ein halbes Dutzend Ausnahmen erleidet?<lb/> Nun aber die <hi rendition="#g">Anwendung</hi> der Beſtimmungen im Leben! Man<lb/> ſoll erſt taxiren, ob die Sache über oder unter 50 Rl. werth iſt,<lb/> man ſoll wiſſen, ob die bei einem Realcontract beliebten Beſtim-<lb/> mungen eine Abweichung von dem geſetzlichen Typus des Ge-<lb/> ſchäfts enthalten oder nicht, was unter Hausofficianten zu ver-<lb/> ſtehen iſt (Gouvernante, Geſellſchafterin, Inſpector, Hausarzt?),<lb/> was unter gewagten Geſchäften u. ſ. w. In der That derartige<lb/> Beſtimmungen laſſen ſich nicht anders, denn als Fallſtricke und<lb/> Fußangeln bezeichnen, die der Geſetzgeber ſelbſt dem Verkehr<lb/> gelegt hat, ungeſunde Producte der Studierſtube, die dem Volk<lb/> ewig fremd bleiben müſſen. Denn <hi rendition="#g">ins</hi> Volk dringt nur, was<lb/><hi rendition="#g">aus</hi> dem Volk hätte hervorgehen können.</p><lb/> <p>Es wird jetzt ein Leichtes ſein, auf Grund dieſer Exempli-<lb/> fication den Begriff unſeres dritten Moments zu beſtimmen.<lb/> Daſſelbe betrifft die <hi rendition="#g">innere</hi> Geſtaltung des Formenweſens, die<lb/><note xml:id="seg2pn_20_2" prev="#seg2pn_20_1" place="foot" n="658)">lichen Vertrages vertritt. Dagegen müſſen Miethverträge mit <hi rendition="#g">Hausoffi-<lb/> cianten</hi> immer ſchriftlich errichtet werden.“ S. 160: 7. „Pachtverträge<lb/> über Landgüter. Iſt der Pachtvertrag bloß mündlich geſchloſſen, ſo gilt er<lb/> nur auf ein Jahr. 9. Verlagsverträge. Iſt der Vertrag nicht ſchriftlich<lb/> errichtet, die Handſchrift jedoch vom Schriftſteller abgeliefert worden, ſo gilt<lb/> die mündliche Verabredung zwar in Anſehung des Honorars, in allen übrigen<lb/> Stücken aber ſind die Verhältniſſe beider Theile lediglich nach den geſetzlichen<lb/> Vorſchriften zu beurtheilen.“ Siehe noch Fall 10 und 12 bei Bornemann<lb/> S. 160, 161 Schenkungen endlich erfordern noch einer beſondern Form,<lb/> der <hi rendition="#g">gerichtlichen</hi> Abſchließung. In der That dies völlig principloſe<lb/> Schwanken und Schaukeln zwiſchen Form und Formloſigkeit iſt ganz geeignet<lb/> das Gefühl des Schwindels und der Seekrankheit zu erregen.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [510/0216]
Zweites Buch. Erſter Abſchn. III. Die juriſt. Technik. B. Des ält. Rechts.
halten dieſer Beſtimmungen würde eine Gedächtnißanſtrengung
erfordern, die man kaum von einem Andern, als dem Juriſten
erwarten dürfte, und ich würde unbedenklich dies Thema zu den
ſchweißtreibenden Fragen des juriſtiſchen Examens zählen. Und
dieſes wüſte Conglomerat zuſammenhangs- und principloſer
Verordnungen ſoll der Bürger und Bauer ſich einprägen? Fürs
Volk eine Regel, die nach der einen Seite ein Dutzend, nach
der andern beinah ein halbes Dutzend Ausnahmen erleidet?
Nun aber die Anwendung der Beſtimmungen im Leben! Man
ſoll erſt taxiren, ob die Sache über oder unter 50 Rl. werth iſt,
man ſoll wiſſen, ob die bei einem Realcontract beliebten Beſtim-
mungen eine Abweichung von dem geſetzlichen Typus des Ge-
ſchäfts enthalten oder nicht, was unter Hausofficianten zu ver-
ſtehen iſt (Gouvernante, Geſellſchafterin, Inſpector, Hausarzt?),
was unter gewagten Geſchäften u. ſ. w. In der That derartige
Beſtimmungen laſſen ſich nicht anders, denn als Fallſtricke und
Fußangeln bezeichnen, die der Geſetzgeber ſelbſt dem Verkehr
gelegt hat, ungeſunde Producte der Studierſtube, die dem Volk
ewig fremd bleiben müſſen. Denn ins Volk dringt nur, was
aus dem Volk hätte hervorgehen können.
Es wird jetzt ein Leichtes ſein, auf Grund dieſer Exempli-
fication den Begriff unſeres dritten Moments zu beſtimmen.
Daſſelbe betrifft die innere Geſtaltung des Formenweſens, die
658)
658) lichen Vertrages vertritt. Dagegen müſſen Miethverträge mit Hausoffi-
cianten immer ſchriftlich errichtet werden.“ S. 160: 7. „Pachtverträge
über Landgüter. Iſt der Pachtvertrag bloß mündlich geſchloſſen, ſo gilt er
nur auf ein Jahr. 9. Verlagsverträge. Iſt der Vertrag nicht ſchriftlich
errichtet, die Handſchrift jedoch vom Schriftſteller abgeliefert worden, ſo gilt
die mündliche Verabredung zwar in Anſehung des Honorars, in allen übrigen
Stücken aber ſind die Verhältniſſe beider Theile lediglich nach den geſetzlichen
Vorſchriften zu beurtheilen.“ Siehe noch Fall 10 und 12 bei Bornemann
S. 160, 161 Schenkungen endlich erfordern noch einer beſondern Form,
der gerichtlichen Abſchließung. In der That dies völlig principloſe
Schwanken und Schaukeln zwiſchen Form und Formloſigkeit iſt ganz geeignet
das Gefühl des Schwindels und der Seekrankheit zu erregen.
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