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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
hindern, erreicht haben wird -- wenigstens innerhalb der
Stadt Rom. Eher früge es sich, ob dasselbe nicht umgekehrt
einen lähmenden Einfluß ausgeübt, manches Gute verhindert
habe. Es hing begreiflicherweise alles von dem Geiste ab, in
dem dies Recht geübt ward. Ward das Veto, wie es im Sinn
der Verfassung lag, nur als ein Schutzmittel gegen absolut ver-
werfliche Maßregeln angesehen und gehandhabt, so konnte darin
eine Gefahr für die Selbständigkeit der Magistrate nicht erblickt
werden, im entgegengesetzten Fall, wenn also eine bloße Mei-
nungsverschiedenheit oder gar die Chikane sich der Intercession
bedient hätte, würde dies Mittel den Ruin aller Selbständigkeit
der Magistrate enthalten haben, und das Uebel, das in ihm
selbst gelegen, wäre größer gewesen, als das, gegen welches es
hätte helfen sollen. Es ist bekannt, daß das Mittel nach Einer
Seite hin nicht selten zu einem ihm an sich fremden Zwecke ge-
mißbraucht wurde, nämlich von den Tribunen, um durch Ein-
spruch gegen nothwendige Maßregeln z. B. eine Aushebung,
Ausschreibung der Kriegssteuer, politische Concessionen zu er-
trotzen,423) allein daß im übrigen die ganze Einrichtung der
Selbständigkeit der Magistraturen Eintrag gethan, läßt sich
meiner Ansicht nach nicht behaupten. Es begreift sich dies auch
sehr wohl. Eine leichtsinnige Benutzung des Veto enthielt nicht
weniger einen Mißbrauch der Amtsgewalt und zog nicht weni-
ger Verantwortung und Strafe nach sich, als ein tadelnswer-
ther Gebrauch der positiven Befugnisse.424) Sodann aber war
die Intercession auch faktisch nicht so leicht, wie man sie sich
vorstellen könnte.425) Sie warf dem Magistrat, gegen den sie

423) So verhinderten sie sogar fünf Jahre lang (379--383) die Wahl
der patricischen Beamten, um die Zulassung der Plebejer zum Consulat zu
ertrotzen. Liv. VI, 35.
424) S. z. B. Liv. V, 29.
425) Man sehe z. B. Vellej. Paterc. II, 44: Bibulus, collega Caesa-
ris, cum actiones ejus magis vellet impedire, quam posset
(d. h.
er wagte es nicht) majore parte anni domi se tenuit.

Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
hindern, erreicht haben wird — wenigſtens innerhalb der
Stadt Rom. Eher früge es ſich, ob daſſelbe nicht umgekehrt
einen lähmenden Einfluß ausgeübt, manches Gute verhindert
habe. Es hing begreiflicherweiſe alles von dem Geiſte ab, in
dem dies Recht geübt ward. Ward das Veto, wie es im Sinn
der Verfaſſung lag, nur als ein Schutzmittel gegen abſolut ver-
werfliche Maßregeln angeſehen und gehandhabt, ſo konnte darin
eine Gefahr für die Selbſtändigkeit der Magiſtrate nicht erblickt
werden, im entgegengeſetzten Fall, wenn alſo eine bloße Mei-
nungsverſchiedenheit oder gar die Chikane ſich der Interceſſion
bedient hätte, würde dies Mittel den Ruin aller Selbſtändigkeit
der Magiſtrate enthalten haben, und das Uebel, das in ihm
ſelbſt gelegen, wäre größer geweſen, als das, gegen welches es
hätte helfen ſollen. Es iſt bekannt, daß das Mittel nach Einer
Seite hin nicht ſelten zu einem ihm an ſich fremden Zwecke ge-
mißbraucht wurde, nämlich von den Tribunen, um durch Ein-
ſpruch gegen nothwendige Maßregeln z. B. eine Aushebung,
Ausſchreibung der Kriegsſteuer, politiſche Conceſſionen zu er-
trotzen,423) allein daß im übrigen die ganze Einrichtung der
Selbſtändigkeit der Magiſtraturen Eintrag gethan, läßt ſich
meiner Anſicht nach nicht behaupten. Es begreift ſich dies auch
ſehr wohl. Eine leichtſinnige Benutzung des Veto enthielt nicht
weniger einen Mißbrauch der Amtsgewalt und zog nicht weni-
ger Verantwortung und Strafe nach ſich, als ein tadelnswer-
ther Gebrauch der poſitiven Befugniſſe.424) Sodann aber war
die Interceſſion auch faktiſch nicht ſo leicht, wie man ſie ſich
vorſtellen könnte.425) Sie warf dem Magiſtrat, gegen den ſie

423) So verhinderten ſie ſogar fünf Jahre lang (379—383) die Wahl
der patriciſchen Beamten, um die Zulaſſung der Plebejer zum Conſulat zu
ertrotzen. Liv. VI, 35.
424) S. z. B. Liv. V, 29.
425) Man ſehe z. B. Vellej. Paterc. II, 44: Bibulus, collega Caesa-
ris, cum actiones ejus magis vellet impedire, quam posset
(d. h.
er wagte es nicht) majore parte anni domi se tenuit.
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[280/0294] Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. hindern, erreicht haben wird — wenigſtens innerhalb der Stadt Rom. Eher früge es ſich, ob daſſelbe nicht umgekehrt einen lähmenden Einfluß ausgeübt, manches Gute verhindert habe. Es hing begreiflicherweiſe alles von dem Geiſte ab, in dem dies Recht geübt ward. Ward das Veto, wie es im Sinn der Verfaſſung lag, nur als ein Schutzmittel gegen abſolut ver- werfliche Maßregeln angeſehen und gehandhabt, ſo konnte darin eine Gefahr für die Selbſtändigkeit der Magiſtrate nicht erblickt werden, im entgegengeſetzten Fall, wenn alſo eine bloße Mei- nungsverſchiedenheit oder gar die Chikane ſich der Interceſſion bedient hätte, würde dies Mittel den Ruin aller Selbſtändigkeit der Magiſtrate enthalten haben, und das Uebel, das in ihm ſelbſt gelegen, wäre größer geweſen, als das, gegen welches es hätte helfen ſollen. Es iſt bekannt, daß das Mittel nach Einer Seite hin nicht ſelten zu einem ihm an ſich fremden Zwecke ge- mißbraucht wurde, nämlich von den Tribunen, um durch Ein- ſpruch gegen nothwendige Maßregeln z. B. eine Aushebung, Ausſchreibung der Kriegsſteuer, politiſche Conceſſionen zu er- trotzen, 423) allein daß im übrigen die ganze Einrichtung der Selbſtändigkeit der Magiſtraturen Eintrag gethan, läßt ſich meiner Anſicht nach nicht behaupten. Es begreift ſich dies auch ſehr wohl. Eine leichtſinnige Benutzung des Veto enthielt nicht weniger einen Mißbrauch der Amtsgewalt und zog nicht weni- ger Verantwortung und Strafe nach ſich, als ein tadelnswer- ther Gebrauch der poſitiven Befugniſſe. 424) Sodann aber war die Interceſſion auch faktiſch nicht ſo leicht, wie man ſie ſich vorſtellen könnte. 425) Sie warf dem Magiſtrat, gegen den ſie 423) So verhinderten ſie ſogar fünf Jahre lang (379—383) die Wahl der patriciſchen Beamten, um die Zulaſſung der Plebejer zum Conſulat zu ertrotzen. Liv. VI, 35. 424) S. z. B. Liv. V, 29. 425) Man ſehe z. B. Vellej. Paterc. II, 44: Bibulus, collega Caesa- ris, cum actiones ejus magis vellet impedire, quam posset (d. h. er wagte es nicht) majore parte anni domi se tenuit.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/294>, abgerufen am 22.11.2024.