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Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.

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Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
Dispositionsbefugniß über das Aerar bezeichnet zu werden; an
die Mitwirkung des Senats war die Ausübung desselben nicht
geknüpft. Wir werden hierauf unten bei Gelegenheit der Stel-
lung der Magistraturen zum Senat zurückkommen.

An positiver Macht kamen den Consuln am nächsten die
Censoren. Ihre Strafgewalt war zwar hinsichtlich der Strafart
beschränkt, allein im übrigen nicht minder ausgezeichnet durch
ihre Ausdehnung, als durch ihre Befreiung von dem Recht der
Provokation an die Volksversammlung. Vermöge dieser Ge-
walt konnten sie bekanntlich Jemanden aus der Tribus, dem
Ritterstande, dem Senat ausstoßen. Sodann hatten sie das
Recht, nach eigner Wahl den Senat zu ergänzen, Steuern
aufzulegen417) u. s. w., kurz Rechte, die ein ganz und gar ab-
solutistisches Gepräge tragen. Die Macht der Tribunen war
ursprünglich vorwiegend negativer Natur, ein Einspruchsrecht
gegen willkührliche Maßregeln der patricischen Magistrate. Im
Lauf der Zeit aber wußten sie nicht bloß diesem ihrem Ein-
spruchsrecht die weiteste Ausdehnung zu geben, sondern sie er-
warben sich auch höchst wirksame positive Rechte hinzu, nament-
lich das jus prendendi. Während ihnen dasselbe anfänglich sogar
in seiner Richtung gegen Privatpersonen patricischen Stan-
des bestritten war, setzten sie dasselbe später selbst gegen die
Consuln durch.418) "Die tribunitische Gewalt, um mit Niebuhr
zu reden, überflog Consuln, Senat und das Volk selbst, und
die Tribunen waren nicht sowohl Repräsentanten der Nation
gegenüber der höchsten Gewalt, sondern für die Dauer ihrer

417) Wie z. B. Livius Salinator (S. 265. Anm. 407) die Salzsteuer.
418) Jenes bei Liv. II, 56, dieses bei Liv. III, 26 (wo der Senat selbst
ihrer Usurpation in die Hände arbeitete). Gell. XIII, 12. Sie versuchten es
auch, wie uns Gellius XIII, 12 berichtet, sich das jus vocationis, das den
Magistraten mit imperium zustand, zuzueignen, ja sie hatten es sogar gegen
die Consuln auszuüben gewagt, allein hier hatte ihre Usurpation nicht den
gewünschten Erfolg, die vocatio ward ihnen nie zugestanden.

Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
Dispoſitionsbefugniß über das Aerar bezeichnet zu werden; an
die Mitwirkung des Senats war die Ausübung deſſelben nicht
geknüpft. Wir werden hierauf unten bei Gelegenheit der Stel-
lung der Magiſtraturen zum Senat zurückkommen.

An poſitiver Macht kamen den Conſuln am nächſten die
Cenſoren. Ihre Strafgewalt war zwar hinſichtlich der Strafart
beſchränkt, allein im übrigen nicht minder ausgezeichnet durch
ihre Ausdehnung, als durch ihre Befreiung von dem Recht der
Provokation an die Volksverſammlung. Vermöge dieſer Ge-
walt konnten ſie bekanntlich Jemanden aus der Tribus, dem
Ritterſtande, dem Senat ausſtoßen. Sodann hatten ſie das
Recht, nach eigner Wahl den Senat zu ergänzen, Steuern
aufzulegen417) u. ſ. w., kurz Rechte, die ein ganz und gar ab-
ſolutiſtiſches Gepräge tragen. Die Macht der Tribunen war
urſprünglich vorwiegend negativer Natur, ein Einſpruchsrecht
gegen willkührliche Maßregeln der patriciſchen Magiſtrate. Im
Lauf der Zeit aber wußten ſie nicht bloß dieſem ihrem Ein-
ſpruchsrecht die weiteſte Ausdehnung zu geben, ſondern ſie er-
warben ſich auch höchſt wirkſame poſitive Rechte hinzu, nament-
lich das jus prendendi. Während ihnen daſſelbe anfänglich ſogar
in ſeiner Richtung gegen Privatperſonen patriciſchen Stan-
des beſtritten war, ſetzten ſie daſſelbe ſpäter ſelbſt gegen die
Conſuln durch.418) „Die tribunitiſche Gewalt, um mit Niebuhr
zu reden, überflog Conſuln, Senat und das Volk ſelbſt, und
die Tribunen waren nicht ſowohl Repräſentanten der Nation
gegenüber der höchſten Gewalt, ſondern für die Dauer ihrer

417) Wie z. B. Livius Salinator (S. 265. Anm. 407) die Salzſteuer.
418) Jenes bei Liv. II, 56, dieſes bei Liv. III, 26 (wo der Senat ſelbſt
ihrer Uſurpation in die Hände arbeitete). Gell. XIII, 12. Sie verſuchten es
auch, wie uns Gellius XIII, 12 berichtet, ſich das jus vocationis, das den
Magiſtraten mit imperium zuſtand, zuzueignen, ja ſie hatten es ſogar gegen
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[276/0290] Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Dispoſitionsbefugniß über das Aerar bezeichnet zu werden; an die Mitwirkung des Senats war die Ausübung deſſelben nicht geknüpft. Wir werden hierauf unten bei Gelegenheit der Stel- lung der Magiſtraturen zum Senat zurückkommen. An poſitiver Macht kamen den Conſuln am nächſten die Cenſoren. Ihre Strafgewalt war zwar hinſichtlich der Strafart beſchränkt, allein im übrigen nicht minder ausgezeichnet durch ihre Ausdehnung, als durch ihre Befreiung von dem Recht der Provokation an die Volksverſammlung. Vermöge dieſer Ge- walt konnten ſie bekanntlich Jemanden aus der Tribus, dem Ritterſtande, dem Senat ausſtoßen. Sodann hatten ſie das Recht, nach eigner Wahl den Senat zu ergänzen, Steuern aufzulegen 417) u. ſ. w., kurz Rechte, die ein ganz und gar ab- ſolutiſtiſches Gepräge tragen. Die Macht der Tribunen war urſprünglich vorwiegend negativer Natur, ein Einſpruchsrecht gegen willkührliche Maßregeln der patriciſchen Magiſtrate. Im Lauf der Zeit aber wußten ſie nicht bloß dieſem ihrem Ein- ſpruchsrecht die weiteſte Ausdehnung zu geben, ſondern ſie er- warben ſich auch höchſt wirkſame poſitive Rechte hinzu, nament- lich das jus prendendi. Während ihnen daſſelbe anfänglich ſogar in ſeiner Richtung gegen Privatperſonen patriciſchen Stan- des beſtritten war, ſetzten ſie daſſelbe ſpäter ſelbſt gegen die Conſuln durch. 418) „Die tribunitiſche Gewalt, um mit Niebuhr zu reden, überflog Conſuln, Senat und das Volk ſelbſt, und die Tribunen waren nicht ſowohl Repräſentanten der Nation gegenüber der höchſten Gewalt, ſondern für die Dauer ihrer 417) Wie z. B. Livius Salinator (S. 265. Anm. 407) die Salzſteuer. 418) Jenes bei Liv. II, 56, dieſes bei Liv. III, 26 (wo der Senat ſelbſt ihrer Uſurpation in die Hände arbeitete). Gell. XIII, 12. Sie verſuchten es auch, wie uns Gellius XIII, 12 berichtet, ſich das jus vocationis, das den Magiſtraten mit imperium zuſtand, zuzueignen, ja ſie hatten es ſogar gegen die Conſuln auszuüben gewagt, allein hier hatte ihre Uſurpation nicht den gewünſchten Erfolg, die vocatio ward ihnen nie zugeſtanden.

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Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht0201_1854/290>, abgerufen am 25.11.2024.