Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweit. Buch. Erst. Abschn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Wirklichkeit waren doch die Reichen im Vortheil, dadurch daßsie nämlich die Nutzung des eroberten Landes, das ager publi- cus geworden war, vorzugsweise in ihre Hände zu bringen wußten. Die übrigen durch die römische Sitte als anständig be- zeichneten Erwerbszweige setzten sämmtlich Vermögen voraus, und zwar, um mit Erfolg betrieben zu werden, ein bedeutendes. Hinsichtlich der Landwirthschaft ist dies so eben gezeigt worden, dieselbe Erscheinung aber wiederholt sich überall, wo das Kapi- tal arbeitet. Dem kleinen Kapital war der Zutritt zu den mei- sten Geschäften, zum eigentlichen Geldmarkt so gut wie ver- schlossen; es sah sich beschränkt auf den Kleinhandel und das Zinsgeschäft. Die Uebermacht, die das große Kapital an und für sich schon hat, war in Rom durch ein eigenthümliches Moment noch außerordentlich verstärkt, nämlich durch die so- ciale Gestaltung der Macht der Geldaristokratie zu einem eignen Stande, dem der Ritter. Die Basis und das Motiv dieses Standes bestand im Kapitalreichthum als solchem im Gegen- satz zu dem Grundbesitz. Rührigkeit, Betriebsamkeit, Unterneh- mungsgeist sind die Eigenschaften, die ihn auszeichnen, er ist das einzige Element der römischen Gesellschaft, das sich sowohl was seine äußere Stellung zwischen der Aristokratie und dem Proletariat als seine Sinnesweise und seinen Lebensberuf an- betrifft, mit dem heutigen Bürgerstande vergleichen ließe. Darin, daß die Geldmacht sich hier zu einem eignen compakten, von corporativem Geist beseelten Stande abgeschlossen hatte, zu ei- nem Stande, der in der Staatsverfassung selbst seine bestimmte Stellung angewiesen erhalten hatte und durch sein festes Zu- sammenhalten und seine ausgedehnten Verbindungen eine un- widerstehliche Macht ausübte -- darin liegt schon ausgesprochen, daß an eine Concurrenz mit ihm nicht zu denken, er vielmehr überall wohin er seine Spekulationen ausdehnen wollte, ein ab- solutes Monopol mitbrachte. Der Großhandel, die Pachtung der öffentlichen Abgaben, Uebernahme ausverdungener öffent- licher Lieferungen und Arbeiten, Geldgeschäfte im größeren Maß- Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb. Wirklichkeit waren doch die Reichen im Vortheil, dadurch daßſie nämlich die Nutzung des eroberten Landes, das ager publi- cus geworden war, vorzugsweiſe in ihre Hände zu bringen wußten. Die übrigen durch die römiſche Sitte als anſtändig be- zeichneten Erwerbszweige ſetzten ſämmtlich Vermögen voraus, und zwar, um mit Erfolg betrieben zu werden, ein bedeutendes. Hinſichtlich der Landwirthſchaft iſt dies ſo eben gezeigt worden, dieſelbe Erſcheinung aber wiederholt ſich überall, wo das Kapi- tal arbeitet. Dem kleinen Kapital war der Zutritt zu den mei- ſten Geſchäften, zum eigentlichen Geldmarkt ſo gut wie ver- ſchloſſen; es ſah ſich beſchränkt auf den Kleinhandel und das Zinsgeſchäft. Die Uebermacht, die das große Kapital an und für ſich ſchon hat, war in Rom durch ein eigenthümliches Moment noch außerordentlich verſtärkt, nämlich durch die ſo- ciale Geſtaltung der Macht der Geldariſtokratie zu einem eignen Stande, dem der Ritter. Die Baſis und das Motiv dieſes Standes beſtand im Kapitalreichthum als ſolchem im Gegen- ſatz zu dem Grundbeſitz. Rührigkeit, Betriebſamkeit, Unterneh- mungsgeiſt ſind die Eigenſchaften, die ihn auszeichnen, er iſt das einzige Element der römiſchen Geſellſchaft, das ſich ſowohl was ſeine äußere Stellung zwiſchen der Ariſtokratie und dem Proletariat als ſeine Sinnesweiſe und ſeinen Lebensberuf an- betrifft, mit dem heutigen Bürgerſtande vergleichen ließe. Darin, daß die Geldmacht ſich hier zu einem eignen compakten, von corporativem Geiſt beſeelten Stande abgeſchloſſen hatte, zu ei- nem Stande, der in der Staatsverfaſſung ſelbſt ſeine beſtimmte Stellung angewieſen erhalten hatte und durch ſein feſtes Zu- ſammenhalten und ſeine ausgedehnten Verbindungen eine un- widerſtehliche Macht ausübte — darin liegt ſchon ausgeſprochen, daß an eine Concurrenz mit ihm nicht zu denken, er vielmehr überall wohin er ſeine Spekulationen ausdehnen wollte, ein ab- ſolutes Monopol mitbrachte. 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Zweit. Buch. Erſt. Abſchn. II. Die Grundtriebe. III. Der Freiheitstrieb.
Wirklichkeit waren doch die Reichen im Vortheil, dadurch daß
ſie nämlich die Nutzung des eroberten Landes, das ager publi-
cus geworden war, vorzugsweiſe in ihre Hände zu bringen
wußten. Die übrigen durch die römiſche Sitte als anſtändig be-
zeichneten Erwerbszweige ſetzten ſämmtlich Vermögen voraus,
und zwar, um mit Erfolg betrieben zu werden, ein bedeutendes.
Hinſichtlich der Landwirthſchaft iſt dies ſo eben gezeigt worden,
dieſelbe Erſcheinung aber wiederholt ſich überall, wo das Kapi-
tal arbeitet. Dem kleinen Kapital war der Zutritt zu den mei-
ſten Geſchäften, zum eigentlichen Geldmarkt ſo gut wie ver-
ſchloſſen; es ſah ſich beſchränkt auf den Kleinhandel und das
Zinsgeſchäft. Die Uebermacht, die das große Kapital an und
für ſich ſchon hat, war in Rom durch ein eigenthümliches
Moment noch außerordentlich verſtärkt, nämlich durch die ſo-
ciale Geſtaltung der Macht der Geldariſtokratie zu einem eignen
Stande, dem der Ritter. Die Baſis und das Motiv dieſes
Standes beſtand im Kapitalreichthum als ſolchem im Gegen-
ſatz zu dem Grundbeſitz. Rührigkeit, Betriebſamkeit, Unterneh-
mungsgeiſt ſind die Eigenſchaften, die ihn auszeichnen, er iſt
das einzige Element der römiſchen Geſellſchaft, das ſich ſowohl
was ſeine äußere Stellung zwiſchen der Ariſtokratie und dem
Proletariat als ſeine Sinnesweiſe und ſeinen Lebensberuf an-
betrifft, mit dem heutigen Bürgerſtande vergleichen ließe. Darin,
daß die Geldmacht ſich hier zu einem eignen compakten, von
corporativem Geiſt beſeelten Stande abgeſchloſſen hatte, zu ei-
nem Stande, der in der Staatsverfaſſung ſelbſt ſeine beſtimmte
Stellung angewieſen erhalten hatte und durch ſein feſtes Zu-
ſammenhalten und ſeine ausgedehnten Verbindungen eine un-
widerſtehliche Macht ausübte — darin liegt ſchon ausgeſprochen,
daß an eine Concurrenz mit ihm nicht zu denken, er vielmehr
überall wohin er ſeine Spekulationen ausdehnen wollte, ein ab-
ſolutes Monopol mitbrachte. Der Großhandel, die Pachtung
der öffentlichen Abgaben, Uebernahme ausverdungener öffent-
licher Lieferungen und Arbeiten, Geldgeſchäfte im größeren Maß-
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