Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 2, Bd. 1. Leipzig, 1854.Zweites Buch. Erster Abschnitt. II. Die Grundtriebe. Theils nämlich half der Prätor hinsichtlich ihrer im Falle ent-schuldbarer Versäumniß, z. B. wegen nothwendiger Abwesen- heit, durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, theils hielt der Prätor im Geiste der neuern Rechtsbildung sich für ermäch- tigt, die alten Fristen von vornherein je nach Umständen zu er- weitern oder zu verengern. 117) Ein anderes und zwar viel umfassenderes Gebiet, auf dem 117) z. B. hinsichtlich der Execution. Recht der XII Tafeln: Gellius Lib. 20 c. 1 (30 und 60 Tage), neueres Recht: Ulpian. in L. 2 de re jud. (42. 1): qui pro Tribunali cognoscit, non semper tempus judicati servat, sed nonnumquam arctat, nonnumquam prorogat pro causae quali- tate et quantitate vel personarum obsequio vel con- tumacia. 118) Bei Beschädigungen der objektive Betrag derselben d. h. die Dif-
ferenz im Preise der Sache vor und nach der That. Bei der act. quanti mi- noris tritt eine ähnliche Differenzberechnung ein. Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. II. Die Grundtriebe. Theils nämlich half der Prätor hinſichtlich ihrer im Falle ent-ſchuldbarer Verſäumniß, z. B. wegen nothwendiger Abweſen- heit, durch Wiedereinſetzung in den vorigen Stand, theils hielt der Prätor im Geiſte der neuern Rechtsbildung ſich für ermäch- tigt, die alten Friſten von vornherein je nach Umſtänden zu er- weitern oder zu verengern. 117) Ein anderes und zwar viel umfaſſenderes Gebiet, auf dem 117) z. B. hinſichtlich der Execution. Recht der XII Tafeln: Gellius Lib. 20 c. 1 (30 und 60 Tage), neueres Recht: Ulpian. in L. 2 de re jud. (42. 1): qui pro Tribunali cognoscit, non semper tempus judicati servat, sed nonnumquam arctat, nonnumquam prorogat pro causae quali- tate et quantitate vel personarum obsequio vel con- tumacia. 118) Bei Beſchädigungen der objektive Betrag derſelben d. h. die Dif-
ferenz im Preiſe der Sache vor und nach der That. Bei der act. quanti mi- noris tritt eine ähnliche Differenzberechnung ein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0124" n="110"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. <hi rendition="#aq">II.</hi> Die Grundtriebe.</fw><lb/> Theils nämlich half der Prätor hinſichtlich ihrer im Falle ent-<lb/> ſchuldbarer Verſäumniß, z. B. wegen nothwendiger Abweſen-<lb/> heit, durch Wiedereinſetzung in den vorigen Stand, theils hielt<lb/> der Prätor im Geiſte der neuern Rechtsbildung ſich für ermäch-<lb/> tigt, die alten Friſten von vornherein je nach Umſtänden zu er-<lb/> weitern oder zu verengern. <note place="foot" n="117)">z. B. hinſichtlich der Execution. Recht der <hi rendition="#aq">XII</hi> Tafeln: <hi rendition="#aq">Gellius<lb/> Lib. 20 c.</hi> 1 (30 und 60 Tage), neueres Recht: <hi rendition="#aq">Ulpian.</hi> in <hi rendition="#aq">L. 2 de re jud.<lb/> (42. 1): qui pro Tribunali cognoscit, non semper tempus judicati servat,<lb/> sed nonnumquam arctat, nonnumquam prorogat <hi rendition="#g">pro causae quali-<lb/> tate et quantitate vel personarum obsequio vel con-<lb/> tumacia</hi>.</hi></note></p><lb/> <p>Ein anderes und zwar viel umfaſſenderes Gebiet, auf dem<lb/> ſich meiner Anſicht nach die Differenz des ältern und neuern<lb/> Rechts in hohem Maße bethätigt hat, iſt das Syſtem des Scha-<lb/> denserſatzes und Intereſſes (der richterlichen <hi rendition="#aq">litis aestimatio</hi>).<lb/> Der Gegenſatz der abſtracten Gleichheitstendenz und der indivi-<lb/> dualiſirenden Behandlungsweiſe äußert ſich auf dieſem Gebiete<lb/> als der der <hi rendition="#g">objektiven</hi> oder abſoluten und <hi rendition="#g">ſubjektiven</hi> oder<lb/> relativen Aeſtimation (<hi rendition="#g">Intereſſe</hi>). Das heißt, eine ſchuldige<lb/> Leiſtung oder ein Schaden läßt ſich entweder rein nach dem ob-<lb/> jektiven Geldwerth des geſchuldeten, beſchädigten, vernichteten <note place="foot" n="118)">Bei Beſchädigungen der objektive Betrag derſelben d. h. die Dif-<lb/> ferenz im Preiſe der Sache vor und nach der That. Bei der <hi rendition="#aq">act. quanti mi-<lb/> noris</hi> tritt eine ähnliche Differenzberechnung ein.</note><lb/><hi rendition="#g">Objekts</hi> taxiren, ſo daß alſo die rein individuellen Momente<lb/> dieſes beſtimmten Forderungs <hi rendition="#g">verhältniſſes</hi> gar nicht mit in<lb/> Rechnung kommen, oder umgekehrt letztere bilden den Maßſtab<lb/> der Beurtheilung, ſo daß alſo der relative Werth einer Leiſtung<lb/> von <hi rendition="#g">dieſem</hi> Beklagten an <hi rendition="#g">jenen</hi> Kläger, die nachtheilige Ein-<lb/> wirkung der unterbliebenen Leiſtung oder des begangenen De-<lb/> likts auf <hi rendition="#g">dieſes</hi> beſtimmte <hi rendition="#g">Vermögen</hi> ermittelt werden muß.<lb/> Die objektive Aeſtimation gelangt ſtets zu demſelben Reſultat,<lb/> möge der Gläubiger dieſer oder jener ſein; ſie beſchränkt ſich ja<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0124]
Zweites Buch. Erſter Abſchnitt. II. Die Grundtriebe.
Theils nämlich half der Prätor hinſichtlich ihrer im Falle ent-
ſchuldbarer Verſäumniß, z. B. wegen nothwendiger Abweſen-
heit, durch Wiedereinſetzung in den vorigen Stand, theils hielt
der Prätor im Geiſte der neuern Rechtsbildung ſich für ermäch-
tigt, die alten Friſten von vornherein je nach Umſtänden zu er-
weitern oder zu verengern. 117)
Ein anderes und zwar viel umfaſſenderes Gebiet, auf dem
ſich meiner Anſicht nach die Differenz des ältern und neuern
Rechts in hohem Maße bethätigt hat, iſt das Syſtem des Scha-
denserſatzes und Intereſſes (der richterlichen litis aestimatio).
Der Gegenſatz der abſtracten Gleichheitstendenz und der indivi-
dualiſirenden Behandlungsweiſe äußert ſich auf dieſem Gebiete
als der der objektiven oder abſoluten und ſubjektiven oder
relativen Aeſtimation (Intereſſe). Das heißt, eine ſchuldige
Leiſtung oder ein Schaden läßt ſich entweder rein nach dem ob-
jektiven Geldwerth des geſchuldeten, beſchädigten, vernichteten 118)
Objekts taxiren, ſo daß alſo die rein individuellen Momente
dieſes beſtimmten Forderungs verhältniſſes gar nicht mit in
Rechnung kommen, oder umgekehrt letztere bilden den Maßſtab
der Beurtheilung, ſo daß alſo der relative Werth einer Leiſtung
von dieſem Beklagten an jenen Kläger, die nachtheilige Ein-
wirkung der unterbliebenen Leiſtung oder des begangenen De-
likts auf dieſes beſtimmte Vermögen ermittelt werden muß.
Die objektive Aeſtimation gelangt ſtets zu demſelben Reſultat,
möge der Gläubiger dieſer oder jener ſein; ſie beſchränkt ſich ja
117) z. B. hinſichtlich der Execution. Recht der XII Tafeln: Gellius
Lib. 20 c. 1 (30 und 60 Tage), neueres Recht: Ulpian. in L. 2 de re jud.
(42. 1): qui pro Tribunali cognoscit, non semper tempus judicati servat,
sed nonnumquam arctat, nonnumquam prorogat pro causae quali-
tate et quantitate vel personarum obsequio vel con-
tumacia.
118) Bei Beſchädigungen der objektive Betrag derſelben d. h. die Dif-
ferenz im Preiſe der Sache vor und nach der That. Bei der act. quanti mi-
noris tritt eine ähnliche Differenzberechnung ein.
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