Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Einleitung -- die Methode. Moment der Zeit zu verstatten pflegt. Ich kann an die obige Be-merkung anknüpfen, daß die innere Verbindung der Thatsachen wesentlicher ist, als die äußere Verbindung durch die Zeit. Diese Bemerkung hat für die Geschichte des Rechts eine gesteigerte Bedeutung; das Moment der Zeit tritt hier in einem weit hö- heren Grade zurück, als in der politischen Geschichte. Wir wol- len in folgendem die Bedeutung des Moments der Zeit für die Geschichte des Rechts sowie die Consequenzen, die sich daraus für die Darstellung ergeben, näher entwickeln. Diese Bedeutung besteht nun zunächst darin, daß die Ge- Einleitung — die Methode. Moment der Zeit zu verſtatten pflegt. Ich kann an die obige Be-merkung anknüpfen, daß die innere Verbindung der Thatſachen weſentlicher iſt, als die äußere Verbindung durch die Zeit. Dieſe Bemerkung hat für die Geſchichte des Rechts eine geſteigerte Bedeutung; das Moment der Zeit tritt hier in einem weit hö- heren Grade zurück, als in der politiſchen Geſchichte. Wir wol- len in folgendem die Bedeutung des Moments der Zeit für die Geſchichte des Rechts ſowie die Conſequenzen, die ſich daraus für die Darſtellung ergeben, näher entwickeln. Dieſe Bedeutung beſteht nun zunächſt darin, daß die Ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0080" n="62"/><fw place="top" type="header">Einleitung — die Methode.</fw><lb/> Moment der Zeit zu verſtatten pflegt. Ich kann an die obige Be-<lb/> merkung anknüpfen, daß die innere Verbindung der Thatſachen<lb/> weſentlicher iſt, als die äußere Verbindung durch die Zeit. Dieſe<lb/> Bemerkung hat für die Geſchichte des Rechts eine geſteigerte<lb/> Bedeutung; das Moment der Zeit tritt hier in einem weit hö-<lb/> heren Grade zurück, als in der politiſchen Geſchichte. Wir wol-<lb/> len in folgendem<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">die Bedeutung des Moments der Zeit für die<lb/> Geſchichte des Rechts</hi></hi><lb/> ſowie die Conſequenzen, die ſich daraus für die Darſtellung<lb/> ergeben, näher entwickeln.</p><lb/> <p>Dieſe Bedeutung beſteht nun zunächſt darin, daß die Ge-<lb/> ſchichte auf dieſem Gebiete außerordentlich langſam arbeitet, bei<lb/> geringer Production ungemein viel Zeit gebraucht. Geſetze kön-<lb/> nen freilich in kurzer Zeit viele erlaſſen werden, aber nicht jedes<lb/> Geſetz betrachte ich als ein <hi rendition="#g">geſchichtliches</hi> Ereigniß. Die<lb/> Geſetze können ſich drängen wie die Wolken bei bewegtem Him-<lb/> mel, aber wenn ſie ebenſo wie letztere raſch vorüberziehen und<lb/> keine Spur zurücklaſſen, ſo rechne ich ſie nicht zu den Produc-<lb/> tionen, von denen ich hier ſpreche, ſondern zu dem Abfall, den<lb/> Spänen, die davon fliegen, wenn die Geſchichte arbeitet. Die<lb/> Productivität der Geſchichte des Rechts hat die Entwicklung des<lb/> Rechtsorganismus zum Gegenſtande und bewährt ſich nicht dar-<lb/> an, was derſelbe <hi rendition="#g">conſumirt</hi>, ſondern was er <hi rendition="#g">verdaut.<lb/> Dieſe</hi> Arbeit geht ſehr langſam von Statten und liefert viel-<lb/> leicht in einem Jahrtauſend nicht ſo viel, als die politiſche,<lb/> Kunſt- und Literaturgeſchichte in einem Jahrhundert. Selten<lb/> ſind für das Recht die Fälle, wo daſſelbe unter dem Einfluſſe<lb/> plötzlicher gewaltſamer Impulſe in raſche Bewegung geräth und,<lb/> ich möchte ſagen, auf dem Wege vulkaniſcher Bildung neue fer-<lb/> tige Schichten aus ſich heraustreibt; auch wird hier dem plötz-<lb/> lichen Ausbruch eine lange Zeit der Vorbereitung vorangegan-<lb/> gen ſein. Die Regel iſt <hi rendition="#g">die</hi>, daß dieſe Schichten durch höchſt<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [62/0080]
Einleitung — die Methode.
Moment der Zeit zu verſtatten pflegt. Ich kann an die obige Be-
merkung anknüpfen, daß die innere Verbindung der Thatſachen
weſentlicher iſt, als die äußere Verbindung durch die Zeit. Dieſe
Bemerkung hat für die Geſchichte des Rechts eine geſteigerte
Bedeutung; das Moment der Zeit tritt hier in einem weit hö-
heren Grade zurück, als in der politiſchen Geſchichte. Wir wol-
len in folgendem
die Bedeutung des Moments der Zeit für die
Geſchichte des Rechts
ſowie die Conſequenzen, die ſich daraus für die Darſtellung
ergeben, näher entwickeln.
Dieſe Bedeutung beſteht nun zunächſt darin, daß die Ge-
ſchichte auf dieſem Gebiete außerordentlich langſam arbeitet, bei
geringer Production ungemein viel Zeit gebraucht. Geſetze kön-
nen freilich in kurzer Zeit viele erlaſſen werden, aber nicht jedes
Geſetz betrachte ich als ein geſchichtliches Ereigniß. Die
Geſetze können ſich drängen wie die Wolken bei bewegtem Him-
mel, aber wenn ſie ebenſo wie letztere raſch vorüberziehen und
keine Spur zurücklaſſen, ſo rechne ich ſie nicht zu den Produc-
tionen, von denen ich hier ſpreche, ſondern zu dem Abfall, den
Spänen, die davon fliegen, wenn die Geſchichte arbeitet. Die
Productivität der Geſchichte des Rechts hat die Entwicklung des
Rechtsorganismus zum Gegenſtande und bewährt ſich nicht dar-
an, was derſelbe conſumirt, ſondern was er verdaut.
Dieſe Arbeit geht ſehr langſam von Statten und liefert viel-
leicht in einem Jahrtauſend nicht ſo viel, als die politiſche,
Kunſt- und Literaturgeſchichte in einem Jahrhundert. Selten
ſind für das Recht die Fälle, wo daſſelbe unter dem Einfluſſe
plötzlicher gewaltſamer Impulſe in raſche Bewegung geräth und,
ich möchte ſagen, auf dem Wege vulkaniſcher Bildung neue fer-
tige Schichten aus ſich heraustreibt; auch wird hier dem plötz-
lichen Ausbruch eine lange Zeit der Vorbereitung vorangegan-
gen ſein. Die Regel iſt die, daß dieſe Schichten durch höchſt
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