Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts. vatlebens. Aber was wohl zu beachten: als Begleiterin. Sieerhebt nicht den Anspruch auf Selbständigkeit, wie sie es im Orient oder im Christenthum thut, sie begehrt nicht, daß der König, um für das Volk opfern zu können, erst von ihr mit priesterlicher Weihe ausgestattet sei, so wenig wie der Haus- vater, um für die Seinen dasselbe zu thun, dessen bedarf. Die Götter Roms verlangten nicht die Vermittlung der Priester, um sich verehren zu lassen, letztere mochten die Weise lehren, die den Göttern wohlgefällig war, aber die Fähigkeit, für sich und alle, die er vertrat, sich ihnen zu nahen, wohnte jedem inne. So erscheint also die königliche Würde nicht als eine Cu- 154) Dasselbe wiederholte sich in den kleineren Kreisen der Curien und der Gentes mit den Vorstehern derselben, den Curionen und den Decurio- nen, wie denn überhaupt die Verfassung des ältesten Staats auf Imitation beruht. 155) Die etymologische Abstammung des Wortes ist noch nicht ermit-
telt. Man hat wohl an parere (gehorchen), par (gleich) gedacht, allein im Oskischen findet sich die Form embratur für imperator und macht eine andere Ableitung wahrscheinlich. Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. vatlebens. Aber was wohl zu beachten: als Begleiterin. Sieerhebt nicht den Anſpruch auf Selbſtändigkeit, wie ſie es im Orient oder im Chriſtenthum thut, ſie begehrt nicht, daß der König, um für das Volk opfern zu können, erſt von ihr mit prieſterlicher Weihe ausgeſtattet ſei, ſo wenig wie der Haus- vater, um für die Seinen daſſelbe zu thun, deſſen bedarf. Die Götter Roms verlangten nicht die Vermittlung der Prieſter, um ſich verehren zu laſſen, letztere mochten die Weiſe lehren, die den Göttern wohlgefällig war, aber die Fähigkeit, für ſich und alle, die er vertrat, ſich ihnen zu nahen, wohnte jedem inne. So erſcheint alſo die königliche Würde nicht als eine Cu- 154) Daſſelbe wiederholte ſich in den kleineren Kreiſen der Curien und der Gentes mit den Vorſtehern derſelben, den Curionen und den Decurio- nen, wie denn überhaupt die Verfaſſung des älteſten Staats auf Imitation beruht. 155) Die etymologiſche Abſtammung des Wortes iſt noch nicht ermit-
telt. Man hat wohl an parere (gehorchen), par (gleich) gedacht, allein im Oskiſchen findet ſich die Form embratur für imperator und macht eine andere Ableitung wahrſcheinlich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0266" n="248"/><fw place="top" type="header">Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.</fw><lb/> vatlebens. Aber was wohl zu beachten: als Begleiterin. Sie<lb/> erhebt nicht den Anſpruch auf Selbſtändigkeit, wie ſie es im<lb/> Orient oder im Chriſtenthum thut, ſie begehrt nicht, daß der<lb/> König, um für das Volk opfern zu können, erſt von ihr mit<lb/> prieſterlicher Weihe ausgeſtattet ſei, ſo wenig wie der Haus-<lb/> vater, um für die Seinen daſſelbe zu thun, deſſen bedarf. Die<lb/> Götter Roms verlangten nicht die Vermittlung der Prieſter,<lb/> um ſich verehren zu laſſen, letztere mochten die Weiſe lehren,<lb/> die den Göttern wohlgefällig war, aber die Fähigkeit, für ſich<lb/> und alle, die er vertrat, ſich ihnen zu nahen, wohnte jedem<lb/> inne.</p><lb/> <p>So erſcheint alſo die königliche Würde nicht als eine Cu-<lb/> mulation dreier ſelbſtändiger Gewalten, der militäriſchen, po-<lb/> litiſchen und religiöſen, der König iſt nicht Feldherr, politiſches<lb/> Oberhaupt und Prieſter, ſondern er iſt Feldherr, und in dieſer<lb/> Qualität iſt er zugleich berechtigt, das Heer zu politiſchen<lb/> Zwecken zu verſammeln und für daſſelbe zu opfern. <note place="foot" n="154)">Daſſelbe wiederholte ſich in den kleineren Kreiſen der Curien und<lb/> der Gentes mit den Vorſtehern derſelben, den Curionen und den Decurio-<lb/> nen, wie denn überhaupt die Verfaſſung des älteſten Staats auf Imitation<lb/> beruht.</note> Die<lb/> Unterſcheidung jener drei Qualitäten, die Ablöſung einzelner<lb/> Machtausflüſſe derſelben und ihre Geſtaltung zu eignen Aem-<lb/> tern iſt erſt das Werk eines längern Entwicklungsprozeſſes.<lb/> Von dieſem ſpätern Standpunkt aus konnte man das <hi rendition="#aq">impe-<lb/> rium</hi> <note place="foot" n="155)">Die etymologiſche Abſtammung des Wortes iſt noch nicht ermit-<lb/> telt. Man hat wohl an <hi rendition="#aq">parere</hi> (gehorchen), <hi rendition="#aq">par</hi> (gleich) gedacht, allein im<lb/> Oskiſchen findet ſich die Form <hi rendition="#aq">embratur</hi> für <hi rendition="#aq">imperator</hi> und macht eine<lb/> andere Ableitung wahrſcheinlich.</note> als Inbegriff dreier verſchiedenen Gewalten bezeich-<lb/> nen, ſeiner urſprünglichen Natur nach iſt es nichts, als mili-<lb/> täriſcher Oberbefehl. Wie es das Weſen der militäriſchen Dis-<lb/> ciplin erheiſcht, lag darin das Recht über Leben und Tod <hi rendition="#aq">(gla-<lb/> dii potestas),</hi> angedeutet durch die Beile auf den <hi rendition="#aq">fasces,</hi> und<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [248/0266]
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
vatlebens. Aber was wohl zu beachten: als Begleiterin. Sie
erhebt nicht den Anſpruch auf Selbſtändigkeit, wie ſie es im
Orient oder im Chriſtenthum thut, ſie begehrt nicht, daß der
König, um für das Volk opfern zu können, erſt von ihr mit
prieſterlicher Weihe ausgeſtattet ſei, ſo wenig wie der Haus-
vater, um für die Seinen daſſelbe zu thun, deſſen bedarf. Die
Götter Roms verlangten nicht die Vermittlung der Prieſter,
um ſich verehren zu laſſen, letztere mochten die Weiſe lehren,
die den Göttern wohlgefällig war, aber die Fähigkeit, für ſich
und alle, die er vertrat, ſich ihnen zu nahen, wohnte jedem
inne.
So erſcheint alſo die königliche Würde nicht als eine Cu-
mulation dreier ſelbſtändiger Gewalten, der militäriſchen, po-
litiſchen und religiöſen, der König iſt nicht Feldherr, politiſches
Oberhaupt und Prieſter, ſondern er iſt Feldherr, und in dieſer
Qualität iſt er zugleich berechtigt, das Heer zu politiſchen
Zwecken zu verſammeln und für daſſelbe zu opfern. 154) Die
Unterſcheidung jener drei Qualitäten, die Ablöſung einzelner
Machtausflüſſe derſelben und ihre Geſtaltung zu eignen Aem-
tern iſt erſt das Werk eines längern Entwicklungsprozeſſes.
Von dieſem ſpätern Standpunkt aus konnte man das impe-
rium 155) als Inbegriff dreier verſchiedenen Gewalten bezeich-
nen, ſeiner urſprünglichen Natur nach iſt es nichts, als mili-
täriſcher Oberbefehl. Wie es das Weſen der militäriſchen Dis-
ciplin erheiſcht, lag darin das Recht über Leben und Tod (gla-
dii potestas), angedeutet durch die Beile auf den fasces, und
154) Daſſelbe wiederholte ſich in den kleineren Kreiſen der Curien und
der Gentes mit den Vorſtehern derſelben, den Curionen und den Decurio-
nen, wie denn überhaupt die Verfaſſung des älteſten Staats auf Imitation
beruht.
155) Die etymologiſche Abſtammung des Wortes iſt noch nicht ermit-
telt. Man hat wohl an parere (gehorchen), par (gleich) gedacht, allein im
Oskiſchen findet ſich die Form embratur für imperator und macht eine
andere Ableitung wahrſcheinlich.
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Zitationshilfe: | Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/266>, abgerufen am 05.07.2024. |