Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

2. Einfluß der Wehrverfassung -- Heer und Volk identisch. §. 17.
Zeit bestanden hatte, konnte es für alle, die nur den gegen-
wärtigen Bestand der Centuriat- und Curiat-Comitien kann-
ten, den Anschein gewinnen, als ob letztere mit der Wehrver-
fassung nichts gemein gehabt hätten. Allein der Kenner des
Alterthums wußte das Gegentheil, 150) und in der Verlei-
hung des imperium, des militärischen Oberbefehls, die nach
wie vor den Curiatcomitien vorbehalten blieb, 151) dauerte noch
ein wichtiger Ueberrest ihres militärischen Charakters fort. Daß
die Curiatcomitien innerhalb, die Centuriatcomitien außerhalb
der Stadt auf dem Campus Martius Statt fanden, hängt mit
der Geschichte des imperium zusammen. In der Königszeit er-
streckte sich der Heerbann, das imperium, auch auf die Stadt,
folglich konnten die Versammlungen des Heeres auch in der
Stadt gehalten werden, mit dem Königthum aber wurde dies
imperium aus der Stadt exilirt, und die Centuriatcomitien der
servianischen Wehrverfassung, die erst jetzt wieder ins Leben
traten, wurden consequenterweise vor die Stadt und zwar in
bezeichnender Weise auf das dem Kriegsgott gewidmete Feld
verlegt. 152) Daß die Curiatcomitien berufen wurden (calata),
während die Centuriatcomitien in militärischer Weise durch
Hornbläser entboten wurden, steht ihrem militärischen Charak-
ter ebensowenig im Wege; jene Berufung war ein an die Be-
fehlshaber der Curien (später für gewisse Zwecke durch die Lic-
toren vertreten) gerichteter Befehl, die Mannschaft zu ver-
sammeln.

Kriegsheere auch wohl exercitum urbanum) imperare, ihre Entlassung
exercitum remittere nannte." Huschke Verf. des Serv. Tull. S. 414.
150) S. z. B. Livius V. 52. Comitia curiata, quae rem militarem
continent.
151) Cic. de leg. agr. II. 12. Consuli, si legem curiatam non ha-
bet, attingere rem militarem non licet.
152) Gellius XV, 27. -- -- quia exercitum extra urbem imperari
oporteat, intra urbem imperari jus non sit, propterea centuriata in
campo Martio haberi. Liv. 39, 15. cum vexillo in arce posito comitio-
rum causa exercitus eductus esset.

2. Einfluß der Wehrverfaſſung — Heer und Volk identiſch. §. 17.
Zeit beſtanden hatte, konnte es für alle, die nur den gegen-
wärtigen Beſtand der Centuriat- und Curiat-Comitien kann-
ten, den Anſchein gewinnen, als ob letztere mit der Wehrver-
faſſung nichts gemein gehabt hätten. Allein der Kenner des
Alterthums wußte das Gegentheil, 150) und in der Verlei-
hung des imperium, des militäriſchen Oberbefehls, die nach
wie vor den Curiatcomitien vorbehalten blieb, 151) dauerte noch
ein wichtiger Ueberreſt ihres militäriſchen Charakters fort. Daß
die Curiatcomitien innerhalb, die Centuriatcomitien außerhalb
der Stadt auf dem Campus Martius Statt fanden, hängt mit
der Geſchichte des imperium zuſammen. In der Königszeit er-
ſtreckte ſich der Heerbann, das imperium, auch auf die Stadt,
folglich konnten die Verſammlungen des Heeres auch in der
Stadt gehalten werden, mit dem Königthum aber wurde dies
imperium aus der Stadt exilirt, und die Centuriatcomitien der
ſervianiſchen Wehrverfaſſung, die erſt jetzt wieder ins Leben
traten, wurden conſequenterweiſe vor die Stadt und zwar in
bezeichnender Weiſe auf das dem Kriegsgott gewidmete Feld
verlegt. 152) Daß die Curiatcomitien berufen wurden (calata),
während die Centuriatcomitien in militäriſcher Weiſe durch
Hornbläſer entboten wurden, ſteht ihrem militäriſchen Charak-
ter ebenſowenig im Wege; jene Berufung war ein an die Be-
fehlshaber der Curien (ſpäter für gewiſſe Zwecke durch die Lic-
toren vertreten) gerichteter Befehl, die Mannſchaft zu ver-
ſammeln.

Kriegsheere auch wohl exercitum urbanum) imperare, ihre Entlaſſung
exercitum remittere nannte.“ Huſchke Verf. des Serv. Tull. S. 414.
150) S. z. B. Livius V. 52. Comitia curiata, quae rem militarem
continent.
151) Cic. de leg. agr. II. 12. Consuli, si legem curiatam non ha-
bet, attingere rem militarem non licet.
152) Gellius XV, 27. — — quia exercitum extra urbem imperari
oporteat, intra urbem imperari jus non sit, propterea centuriata in
campo Martio haberi. Liv. 39, 15. cum vexillo in arce posito comitio-
rum causa exercitus eductus esset.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0263" n="245"/><fw place="top" type="header">2. Einfluß der Wehrverfa&#x017F;&#x017F;ung &#x2014; Heer und Volk identi&#x017F;ch. §. 17.</fw><lb/>
Zeit be&#x017F;tanden hatte, konnte es für alle, die nur den gegen-<lb/>
wärtigen Be&#x017F;tand der Centuriat- und Curiat-Comitien kann-<lb/>
ten, den An&#x017F;chein gewinnen, als ob letztere mit der Wehrver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung nichts gemein gehabt hätten. Allein der Kenner des<lb/>
Alterthums wußte das Gegentheil, <note place="foot" n="150)">S. z. B. <hi rendition="#aq">Livius V. 52. Comitia curiata, quae rem militarem<lb/>
continent.</hi></note> und in der Verlei-<lb/>
hung des <hi rendition="#aq">imperium,</hi> des militäri&#x017F;chen Oberbefehls, die nach<lb/>
wie vor den Curiatcomitien vorbehalten blieb, <note place="foot" n="151)"><hi rendition="#aq">Cic. de leg. agr. II. 12. Consuli, si legem curiatam non ha-<lb/>
bet, attingere rem militarem non licet.</hi></note> dauerte noch<lb/>
ein wichtiger Ueberre&#x017F;t ihres militäri&#x017F;chen Charakters fort. Daß<lb/>
die Curiatcomitien innerhalb, die Centuriatcomitien außerhalb<lb/>
der Stadt auf dem <hi rendition="#aq">Campus Martius</hi> Statt fanden, hängt mit<lb/>
der Ge&#x017F;chichte des <hi rendition="#aq">imperium</hi> zu&#x017F;ammen. In der Königszeit er-<lb/>
&#x017F;treckte &#x017F;ich der Heerbann, das <hi rendition="#aq">imperium,</hi> auch auf die Stadt,<lb/>
folglich konnten die Ver&#x017F;ammlungen des Heeres auch in der<lb/>
Stadt gehalten werden, mit dem Königthum aber wurde dies<lb/><hi rendition="#aq">imperium</hi> aus der Stadt exilirt, und die Centuriatcomitien der<lb/>
&#x017F;erviani&#x017F;chen Wehrverfa&#x017F;&#x017F;ung, die er&#x017F;t jetzt wieder ins Leben<lb/>
traten, wurden con&#x017F;equenterwei&#x017F;e vor die Stadt und zwar in<lb/>
bezeichnender Wei&#x017F;e auf das dem Kriegsgott gewidmete Feld<lb/>
verlegt. <note place="foot" n="152)"><hi rendition="#aq">Gellius XV, 27. &#x2014; &#x2014; quia exercitum extra urbem imperari<lb/>
oporteat, intra urbem imperari jus non sit, propterea centuriata in<lb/>
campo Martio haberi. Liv. 39, 15. cum vexillo in arce posito comitio-<lb/>
rum causa exercitus eductus esset.</hi></note> Daß die Curiatcomitien berufen wurden <hi rendition="#aq">(calata),</hi><lb/>
während die Centuriatcomitien in militäri&#x017F;cher Wei&#x017F;e durch<lb/>
Hornblä&#x017F;er entboten wurden, &#x017F;teht ihrem militäri&#x017F;chen Charak-<lb/>
ter eben&#x017F;owenig im Wege; jene Berufung war ein an die Be-<lb/>
fehlshaber der Curien (&#x017F;päter für gewi&#x017F;&#x017F;e Zwecke durch die Lic-<lb/>
toren vertreten) gerichteter Befehl, die Mann&#x017F;chaft zu ver-<lb/>
&#x017F;ammeln.</p><lb/>
                  <p>
                    <note xml:id="seg2pn_18_2" prev="#seg2pn_18_1" place="foot" n="149)">Kriegsheere auch wohl <hi rendition="#aq">exercitum urbanum) imperare,</hi> ihre Entla&#x017F;&#x017F;ung<lb/><hi rendition="#aq">exercitum remittere</hi> nannte.&#x201C; Hu&#x017F;chke Verf. des Serv. Tull. S. 414.</note>
                  </p><lb/>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0263] 2. Einfluß der Wehrverfaſſung — Heer und Volk identiſch. §. 17. Zeit beſtanden hatte, konnte es für alle, die nur den gegen- wärtigen Beſtand der Centuriat- und Curiat-Comitien kann- ten, den Anſchein gewinnen, als ob letztere mit der Wehrver- faſſung nichts gemein gehabt hätten. Allein der Kenner des Alterthums wußte das Gegentheil, 150) und in der Verlei- hung des imperium, des militäriſchen Oberbefehls, die nach wie vor den Curiatcomitien vorbehalten blieb, 151) dauerte noch ein wichtiger Ueberreſt ihres militäriſchen Charakters fort. Daß die Curiatcomitien innerhalb, die Centuriatcomitien außerhalb der Stadt auf dem Campus Martius Statt fanden, hängt mit der Geſchichte des imperium zuſammen. In der Königszeit er- ſtreckte ſich der Heerbann, das imperium, auch auf die Stadt, folglich konnten die Verſammlungen des Heeres auch in der Stadt gehalten werden, mit dem Königthum aber wurde dies imperium aus der Stadt exilirt, und die Centuriatcomitien der ſervianiſchen Wehrverfaſſung, die erſt jetzt wieder ins Leben traten, wurden conſequenterweiſe vor die Stadt und zwar in bezeichnender Weiſe auf das dem Kriegsgott gewidmete Feld verlegt. 152) Daß die Curiatcomitien berufen wurden (calata), während die Centuriatcomitien in militäriſcher Weiſe durch Hornbläſer entboten wurden, ſteht ihrem militäriſchen Charak- ter ebenſowenig im Wege; jene Berufung war ein an die Be- fehlshaber der Curien (ſpäter für gewiſſe Zwecke durch die Lic- toren vertreten) gerichteter Befehl, die Mannſchaft zu ver- ſammeln. 149) 150) S. z. B. Livius V. 52. Comitia curiata, quae rem militarem continent. 151) Cic. de leg. agr. II. 12. Consuli, si legem curiatam non ha- bet, attingere rem militarem non licet. 152) Gellius XV, 27. — — quia exercitum extra urbem imperari oporteat, intra urbem imperari jus non sit, propterea centuriata in campo Martio haberi. Liv. 39, 15. cum vexillo in arce posito comitio- rum causa exercitus eductus esset. 149) Kriegsheere auch wohl exercitum urbanum) imperare, ihre Entlaſſung exercitum remittere nannte.“ Huſchke Verf. des Serv. Tull. S. 414.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/263
Zitationshilfe: Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/263>, abgerufen am 10.06.2024.