Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.2. Der Staat -- Stellung außerhalb desselben -- Exil. §. 16. sacramentum jusque sit, 124) seine Ausschließung ist eine totale,auch die Religion baut ihm keine Brücke, denn auch sie ist ein Institut dieses Staates. Es ist ein seltsames Spiel des Zu- falls, daß egens gerade das Loos des exgens ausdrückt, und die Römer leiteten wirklich egens von gens ab 125) -- eine Ableitung, die wenn sie richtig wäre, für jene Anschauung eben- so bezeichnend wäre, wie im Deutschen das Wort Elend (Aus- land). Eine unzweifelhafte Spur jener Anschauung hat uns die Sprache in dem Wort hostis erhalten, es bedeutet ursprüng- lich den Gast, den Fremden und den Feind. 126) In dieser Doppelbedeutung drückt sich treffend die Unbestimmtheit des Looses der Fremden aus, daß sie nämlich eben sowohl die Be- handlung von Gästen als die von Feinden gewärtigen mußten. Mit dieser ursprünglichen Rechtlosigkeit des Fremden hängt 124) Festus sub voc. extrarium. 125) Festus sub voc. egens velut exgens, cui ne gens quidem sit reliqua. Möglich wäre diese Ableitung, man denke z. B. an iners (von ars), de-mens u. s. w., und ohne das Zeitwort egeo würde man nicht in Ver- suchung kommen nach einer andern zu suchen. Es ist auch denkbar, daß in dem einen Wort sich exgens von gens und egens von egeo zusammengefunden hätten; es wäre nicht das einzige Mal, daß so etwas vorgekommen wäre. 126) Hostis ist dasselbe Wort mit dem Goth. gasts und dem Mittel-
hochdeutschen gast, und letztere haben dieselbe Doppelbedeutung. Ueber die Verwandschaft des g und h s. Pott a. a. O. B. 1. S. 143. und über die muthmaßliche Ableitung von Sanskr. ghas essen daselbst S. 279. Der ur- sprüngliche Sinn dieser Wörter wäre also: der Bewirthete. Hostire (schla- gen) und hostia (Schlachtopfer) haben sich davon freilich weit entfernt. 2. Der Staat — Stellung außerhalb deſſelben — Exil. §. 16. sacramentum jusque sit, 124) ſeine Ausſchließung iſt eine totale,auch die Religion baut ihm keine Brücke, denn auch ſie iſt ein Inſtitut dieſes Staates. Es iſt ein ſeltſames Spiel des Zu- falls, daß egens gerade das Loos des exgens ausdrückt, und die Römer leiteten wirklich egens von gens ab 125) — eine Ableitung, die wenn ſie richtig wäre, für jene Anſchauung eben- ſo bezeichnend wäre, wie im Deutſchen das Wort Elend (Aus- land). Eine unzweifelhafte Spur jener Anſchauung hat uns die Sprache in dem Wort hostis erhalten, es bedeutet urſprüng- lich den Gaſt, den Fremden und den Feind. 126) In dieſer Doppelbedeutung drückt ſich treffend die Unbeſtimmtheit des Looſes der Fremden aus, daß ſie nämlich eben ſowohl die Be- handlung von Gäſten als die von Feinden gewärtigen mußten. Mit dieſer urſprünglichen Rechtloſigkeit des Fremden hängt 124) Festus sub voc. extrarium. 125) Festus sub voc. egens velut exgens, cui ne gens quidem sit reliqua. Möglich wäre dieſe Ableitung, man denke z. B. an iners (von ars), de-mens u. ſ. w., und ohne das Zeitwort egeo würde man nicht in Ver- ſuchung kommen nach einer andern zu ſuchen. Es iſt auch denkbar, daß in dem einen Wort ſich exgens von gens und egens von egeo zuſammengefunden hätten; es wäre nicht das einzige Mal, daß ſo etwas vorgekommen wäre. 126) Hostis iſt daſſelbe Wort mit dem Goth. gasts und dem Mittel-
hochdeutſchen gast, und letztere haben dieſelbe Doppelbedeutung. Ueber die Verwandſchaft des g und h ſ. Pott a. a. O. B. 1. S. 143. und über die muthmaßliche Ableitung von Sanskr. ghas eſſen daſelbſt S. 279. Der ur- ſprüngliche Sinn dieſer Wörter wäre alſo: der Bewirthete. Hostire (ſchla- gen) und hostia (Schlachtopfer) haben ſich davon freilich weit entfernt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0239" n="221"/><fw place="top" type="header">2. Der Staat — Stellung außerhalb deſſelben — Exil. §. 16.</fw><lb/><hi rendition="#aq">sacramentum jusque sit,</hi><note place="foot" n="124)"><hi rendition="#aq">Festus sub voc. extrarium.</hi></note> ſeine Ausſchließung iſt eine totale,<lb/> auch die Religion baut ihm keine Brücke, denn auch ſie iſt ein<lb/> Inſtitut <hi rendition="#g">dieſes</hi> Staates. Es iſt ein ſeltſames Spiel des Zu-<lb/> falls, daß <hi rendition="#aq">egens</hi> gerade das Loos des <hi rendition="#aq">exgens</hi> ausdrückt, und<lb/> die Römer leiteten wirklich <hi rendition="#aq">egens</hi> von <hi rendition="#aq">gens</hi> ab <note place="foot" n="125)"><hi rendition="#aq">Festus sub voc. egens velut exgens, cui ne gens quidem sit<lb/> reliqua.</hi> Möglich wäre dieſe Ableitung, man denke z. B. an <hi rendition="#aq">iners</hi> (von <hi rendition="#aq">ars),<lb/> de-mens</hi> u. ſ. w., und ohne das Zeitwort <hi rendition="#aq">egeo</hi> würde man nicht in Ver-<lb/> ſuchung kommen nach einer andern zu ſuchen. Es iſt auch denkbar, daß in<lb/> dem einen Wort ſich <hi rendition="#aq">exgens</hi> von <hi rendition="#aq">gens</hi> und <hi rendition="#aq">egens</hi> von <hi rendition="#aq">egeo</hi> zuſammengefunden<lb/> hätten; es wäre nicht das einzige Mal, daß ſo etwas vorgekommen wäre.</note> — eine<lb/> Ableitung, die wenn ſie richtig wäre, für jene Anſchauung eben-<lb/> ſo bezeichnend wäre, wie im Deutſchen das Wort Elend (Aus-<lb/> land). Eine unzweifelhafte Spur jener Anſchauung hat uns<lb/> die Sprache in dem Wort <hi rendition="#aq">hostis</hi> erhalten, es bedeutet urſprüng-<lb/> lich den Gaſt, den Fremden und den Feind. <note place="foot" n="126)"><hi rendition="#aq">Hostis</hi> iſt daſſelbe Wort mit dem Goth. <hi rendition="#aq">gasts</hi> und dem Mittel-<lb/> hochdeutſchen <hi rendition="#aq">gast,</hi> und letztere haben dieſelbe Doppelbedeutung. Ueber die<lb/> Verwandſchaft des <hi rendition="#aq">g</hi> und <hi rendition="#aq">h</hi> ſ. Pott a. a. O. B. 1. S. 143. und über die<lb/> muthmaßliche Ableitung von Sanskr. <hi rendition="#aq">ghas</hi> eſſen daſelbſt S. 279. Der ur-<lb/> ſprüngliche Sinn dieſer Wörter wäre alſo: der Bewirthete. <hi rendition="#aq">Hostire</hi> (ſchla-<lb/> gen) und <hi rendition="#aq">hostia</hi> (Schlachtopfer) haben ſich davon freilich weit entfernt.</note> In dieſer<lb/> Doppelbedeutung drückt ſich treffend die Unbeſtimmtheit des<lb/> Looſes der Fremden aus, daß ſie nämlich eben ſowohl die Be-<lb/> handlung von Gäſten als die von Feinden gewärtigen mußten.</p><lb/> <p>Mit dieſer urſprünglichen Rechtloſigkeit des Fremden hängt<lb/> die Furchtbarkeit des Exils nach antiker Vorſtellung zuſammen.<lb/> Das Exil der heutigen Zeit iſt nicht ein Schatten von dem des<lb/> Alterthums, es beſteht nur in einem Wechſel des Wohnorts,<lb/> dem Verluſt der Heimath. Eine ſolche Strafe raubt nicht das<lb/> Glück ſelbſt, ſondern nur die lokale Form, in der man es bisher<lb/> genoß; überall findet der Verwieſene Anerkennung ſeiner Per-<lb/> ſönlichkeit und Schutz ſeines Rechts. Ganz anders die urſprüng-<lb/> liche Geſtalt des Exils im Alterthum. Der Fremde iſt rechtlos;<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0239]
2. Der Staat — Stellung außerhalb deſſelben — Exil. §. 16.
sacramentum jusque sit, 124) ſeine Ausſchließung iſt eine totale,
auch die Religion baut ihm keine Brücke, denn auch ſie iſt ein
Inſtitut dieſes Staates. Es iſt ein ſeltſames Spiel des Zu-
falls, daß egens gerade das Loos des exgens ausdrückt, und
die Römer leiteten wirklich egens von gens ab 125) — eine
Ableitung, die wenn ſie richtig wäre, für jene Anſchauung eben-
ſo bezeichnend wäre, wie im Deutſchen das Wort Elend (Aus-
land). Eine unzweifelhafte Spur jener Anſchauung hat uns
die Sprache in dem Wort hostis erhalten, es bedeutet urſprüng-
lich den Gaſt, den Fremden und den Feind. 126) In dieſer
Doppelbedeutung drückt ſich treffend die Unbeſtimmtheit des
Looſes der Fremden aus, daß ſie nämlich eben ſowohl die Be-
handlung von Gäſten als die von Feinden gewärtigen mußten.
Mit dieſer urſprünglichen Rechtloſigkeit des Fremden hängt
die Furchtbarkeit des Exils nach antiker Vorſtellung zuſammen.
Das Exil der heutigen Zeit iſt nicht ein Schatten von dem des
Alterthums, es beſteht nur in einem Wechſel des Wohnorts,
dem Verluſt der Heimath. Eine ſolche Strafe raubt nicht das
Glück ſelbſt, ſondern nur die lokale Form, in der man es bisher
genoß; überall findet der Verwieſene Anerkennung ſeiner Per-
ſönlichkeit und Schutz ſeines Rechts. Ganz anders die urſprüng-
liche Geſtalt des Exils im Alterthum. Der Fremde iſt rechtlos;
124) Festus sub voc. extrarium.
125) Festus sub voc. egens velut exgens, cui ne gens quidem sit
reliqua. Möglich wäre dieſe Ableitung, man denke z. B. an iners (von ars),
de-mens u. ſ. w., und ohne das Zeitwort egeo würde man nicht in Ver-
ſuchung kommen nach einer andern zu ſuchen. Es iſt auch denkbar, daß in
dem einen Wort ſich exgens von gens und egens von egeo zuſammengefunden
hätten; es wäre nicht das einzige Mal, daß ſo etwas vorgekommen wäre.
126) Hostis iſt daſſelbe Wort mit dem Goth. gasts und dem Mittel-
hochdeutſchen gast, und letztere haben dieſelbe Doppelbedeutung. Ueber die
Verwandſchaft des g und h ſ. Pott a. a. O. B. 1. S. 143. und über die
muthmaßliche Ableitung von Sanskr. ghas eſſen daſelbſt S. 279. Der ur-
ſprüngliche Sinn dieſer Wörter wäre alſo: der Bewirthete. Hostire (ſchla-
gen) und hostia (Schlachtopfer) haben ſich davon freilich weit entfernt.
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