Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852.Erstes Buch -- Ausgangspunkte des römischen Rechts. Zur Zeit der XII Tafeln war also jenes System der Privat- Die Privatstrafen des römischen Rechts erscheinen also dem 46) Hinsichtlich der Talion bestimmen sie ausdrücklich: ni cum eo pacit, talio esto, hinsichtlich des furtum wissen wir, ohne gerade die Worte zu kennen, daß die XII Tafeln das pacisci erwähnten. 47) Gellius XX. 1. 48) Gaj. IV. §. 48 "sicut olim fieri solebat."
Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts. Zur Zeit der XII Tafeln war alſo jenes Syſtem der Privat- Die Privatſtrafen des römiſchen Rechts erſcheinen alſo dem 46) Hinſichtlich der Talion beſtimmen ſie ausdrücklich: ni cum eo pacit, talio esto, hinſichtlich des furtum wiſſen wir, ohne gerade die Worte zu kennen, daß die XII Tafeln das pacisci erwähnten. 47) Gellius XX. 1. 48) Gaj. IV. §. 48 „sicut olim fieri solebat.“
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Erſtes Buch — Ausgangspunkte des römiſchen Rechts.
Zur Zeit der XII Tafeln war alſo jenes Syſtem der Privat-
ſtrafen noch in der Bildung begriffen. Hinſichtlich einiger De-
likte wird noch das alte Recht des Verletzten auf Rache aus-
drücklich anerkannt, wenn auch vielleicht in ſeiner Ausübung an
die Autoriſation der Behörde geknüpft z. B. die Talion beim
membrum ruptum, die Addiction beim furtum manifestum; bei
andern iſt, wie eben geſagt, die fixirte Geldſtrafe bereits an die
Stelle der Rache getreten. Zwar wird uns hinſichtlich dieſer
letzteren Fälle nicht ausdrücklich bezeugt, daß hier früher die
Privatrache gegolten, allein beim furtum manifestum und mem-
brum ruptum können wir den wirklichen Hergang noch erkennen,
und er gewährt uns einen wichtigen Fingerzeig für das ganze
Syſtem der Privatſtrafen überhaupt. Hinſichtlich ihrer nämlich
ſchimmert zwar in den XII Tafeln die Idee durch, daß es zum
pacisci kommen würde, 46) allein als letztes Mittel laſſen ſie doch
noch die Talion und Addiction beſtehen. In der ſpätern Praxis
hingegen iſt von der Anwendung dieſes äußerſten Mittels keine
Rede mehr; ſelbſt gegen den Willen der Partheien erkennt der
Richter auf eine Abfindungsſumme. Es machte ſich dies,
wie Gellius 47) berichtet, in der Weiſe, daß der Richter auf Ta-
lion erkannte, und wenn der Beklagte, qui depecisci noluerat,
judici talionem imperanti non parebat, aestimata lite judex
hominem pecuniae damnabat. Dieſer Modus, daß der Richter
zuerſt auf das eigentliche Klagobjekt erkannte und hinterher ab-
ſchätzte, iſt zwar dem ſpätern Recht fremd, allein wir wiſſen aus
andern Zeugniſſen, daß er urſprünglich üblich geweſen iſt. 48)
Die Privatſtrafen des römiſchen Rechts erſcheinen alſo dem
bisherigen nach als die geſetzlich oder gewohnheitsrechtlich fixir-
ten Preiſe, für die die urſprünglich ſtatthaft geweſene Privat-
46) Hinſichtlich der Talion beſtimmen ſie ausdrücklich: ni cum eo
pacit, talio esto, hinſichtlich des furtum wiſſen wir, ohne gerade die
Worte zu kennen, daß die XII Tafeln das pacisci erwähnten.
47) Gellius XX. 1.
48) Gaj. IV. §. 48 „sicut olim fieri solebat.“
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Zitationshilfe: | Jhering, Rudolf von: Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Teil 1. Leipzig, 1852, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jhering_recht01_1852/148>, abgerufen am 16.02.2025. |