An Sie, gute liebe Renate, schreib' ich den ersten Brief dieses Jahres, das, wie dessen Vorgänger, mir unaufhörlich die Brieffelleisen zum Leeren und zum Füllen vorhalten wird; und anstatt Ihnen Wünsche zu5 bringen, will ich vielmehr die Ihrigen so gut ich kann, der Erfüllung nähern.
Schmidt sagte mir hier, daß er meinen Brief für Ihre gute Enkelin der Königin nicht etwa blos referiert habe, sondern sogar ganz ge- geben. Von dieser Kompaß-Ecke her kann Ihnen also durchaus kein10 anderes als ein günstiges Wehen kommen.
Ihr Christoph war nicht in Baireut; er schrieb mir blos, daß er bei dem Handelsvereine angestellt sei, wiewol er eigentlich in Groote's Geschäften reiset. Um nun für ihn bei dem trefflichen Lerchenfeld am besten zu wirken, will ich es durch den eben so trefflichen Regierungrath15 v. Herder thun, meinen und Lerchenfelds Freund, der von hier auf mehre Wochen nach München gegangen. Aber dazu muß ich für Herders Strenge die bestimmtesten Angaben von Ihnen erhalten: 1) wie hoch sich Otto's Quießenzgelder belaufen -- seit wie lang' er quießiert ist und 2) auf wie lange er Urlaub hat -- 3) was er noch20 neben her im Staate fortgearbeitet und 4) hauptsächlich, auf welche Stelle er Anspruch oder Hoffnung oder Wünsche hat.
Haben Sie mir darüber geschrieben, so werd' ich sogleich an Herder schreiben; und dann hab' ich, wenn ich auch schweigen werde, alles gethan, was Sie wünschten und ich vermochte.25
Sollte eine kleine Tadelstelle [Ihres Bri]efes sich auf Emanuel be[ziehen]: so thäten Sie dem edelsten und treuesten aller Freunde Unrecht; ich kenne in Deutschland herrliche Seelen aller Art; aber eine so für Helfen und Lieben und Beglücken begeisterte hab' ich nie gefunden wie seine ist, eine mir nächste ausgenommen.30
Mögen Ihnen nach so manchen untergegangnen Sternen in Abend wieder junge und neue in Morgen aufgehen!
Ihr alter J. P. F. Richter
138. An Renate Otto in München.
Baireut d. 1ten Jenn. 1821
An Sie, gute liebe Renate, ſchreib’ ich den erſten Brief dieſes Jahres, das, wie deſſen Vorgänger, mir unaufhörlich die Brieffelleiſen zum Leeren und zum Füllen vorhalten wird; und anſtatt Ihnen Wünſche zu5 bringen, will ich vielmehr die Ihrigen ſo gut ich kann, der Erfüllung nähern.
Schmidt ſagte mir hier, daß er meinen Brief für Ihre gute Enkelin der Königin nicht etwa blos referiert habe, ſondern ſogar ganz ge- geben. Von dieſer Kompaß-Ecke her kann Ihnen alſo durchaus kein10 anderes als ein günſtiges Wehen kommen.
Ihr Chriſtoph war nicht in Baireut; er ſchrieb mir blos, daß er bei dem Handelsvereine angeſtellt ſei, wiewol er eigentlich in Groote’s Geſchäften reiſet. Um nun für ihn bei dem trefflichen Lerchenfeld am beſten zu wirken, will ich es durch den eben ſo trefflichen Regierungrath15 v. Herder thun, meinen und Lerchenfelds Freund, der von hier auf mehre Wochen nach München gegangen. Aber dazu muß ich für Herders Strenge die beſtimmteſten Angaben von Ihnen erhalten: 1) wie hoch ſich Otto’s Quieſzenzgelder belaufen — ſeit wie lang’ er quieſziert iſt und 2) auf wie lange er Urlaub hat — 3) was er noch20 neben her im Staate fortgearbeitet und 4) hauptſächlich, auf welche Stelle er Anſpruch oder Hoffnung oder Wünſche hat.
Haben Sie mir darüber geſchrieben, ſo werd’ ich ſogleich an Herder ſchreiben; und dann hab’ ich, wenn ich auch ſchweigen werde, alles gethan, was Sie wünſchten und ich vermochte.25
Sollte eine kleine Tadelſtelle [Ihres Bri]efes ſich auf Emanuel be[ziehen]: ſo thäten Sie dem edelſten und treueſten aller Freunde Unrecht; ich kenne in Deutſchland herrliche Seelen aller Art; aber eine ſo für Helfen und Lieben und Beglücken begeiſterte hab’ ich nie gefunden wie ſeine iſt, eine mir nächſte ausgenommen.30
Mögen Ihnen nach ſo manchen untergegangnen Sternen in Abend wieder junge und neue in Morgen aufgehen!
Ihr alter J. P. F. Richter
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[91/0097]
138. An Renate Otto in München.
Baireut d. 1ten Jenn. 1821
An Sie, gute liebe Renate, ſchreib’ ich den erſten Brief dieſes Jahres,
das, wie deſſen Vorgänger, mir unaufhörlich die Brieffelleiſen zum
Leeren und zum Füllen vorhalten wird; und anſtatt Ihnen Wünſche zu 5
bringen, will ich vielmehr die Ihrigen ſo gut ich kann, der Erfüllung
nähern.
Schmidt ſagte mir hier, daß er meinen Brief für Ihre gute Enkelin
der Königin nicht etwa blos referiert habe, ſondern ſogar ganz ge-
geben. Von dieſer Kompaß-Ecke her kann Ihnen alſo durchaus kein 10
anderes als ein günſtiges Wehen kommen.
Ihr Chriſtoph war nicht in Baireut; er ſchrieb mir blos, daß er bei
dem Handelsvereine angeſtellt ſei, wiewol er eigentlich in Groote’s
Geſchäften reiſet. Um nun für ihn bei dem trefflichen Lerchenfeld am
beſten zu wirken, will ich es durch den eben ſo trefflichen Regierungrath 15
v. Herder thun, meinen und Lerchenfelds Freund, der von hier auf
mehre Wochen nach München gegangen. Aber dazu muß ich für
Herders Strenge die beſtimmteſten Angaben von Ihnen erhalten:
1) wie hoch ſich Otto’s Quieſzenzgelder belaufen — ſeit wie lang’ er
quieſziert iſt und 2) auf wie lange er Urlaub hat — 3) was er noch 20
neben her im Staate fortgearbeitet und 4) hauptſächlich, auf welche
Stelle er Anſpruch oder Hoffnung oder Wünſche hat.
Haben Sie mir darüber geſchrieben, ſo werd’ ich ſogleich an Herder
ſchreiben; und dann hab’ ich, wenn ich auch ſchweigen werde, alles
gethan, was Sie wünſchten und ich vermochte. 25
Sollte eine kleine Tadelſtelle [Ihres Bri]efes ſich auf Emanuel
be[ziehen]: ſo thäten Sie dem edelſten und treueſten aller Freunde
Unrecht; ich kenne in Deutſchland herrliche Seelen aller Art; aber eine
ſo für Helfen und Lieben und Beglücken begeiſterte hab’ ich nie gefunden
wie ſeine iſt, eine mir nächſte ausgenommen. 30
Mögen Ihnen nach ſo manchen untergegangnen Sternen in Abend
wieder junge und neue in Morgen aufgehen!
Ihr alter
J. P. F. Richter
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/97>, abgerufen am 20.07.2024.
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