Guten Morgen, mein Emanuel! -- Hier ein Brief von meinem frommen Sohn. -- Lesen Sie doch hier über die Bella donna die Aerzte S. 508; auch weiterhinten und vornen über Gifte -- und S. 290 über5 den rothen Fingerhut, ohne dessen Gift ich längst todt wäre. Zwei Gran in einer Unze sind 2 Pfefferkörner in 2 Lothen; kommt also auf jedes Einnehmen kaum 1/8 Tropfe. Nach einem Walter kann ein bloßer Regimentchirurg Meier den Mund nur -- schließen. -- Nur dieß vergaß ich Ihnen neulich zu sagen, daß die Tropfen ausgesetzt werden müssen,10 sobald irgend eine, auch kleine Kränklichkeit, z. B. Zahnen eintritt.
126. An Gräfin Schönburg (in Thurnau?).
[Kopie][Bayreuth, 14. Dez. 1820]
(bei Übersendung einer seidnen Rose mit wolriechendem Wasser)
Hier send' ich Ihnen für so viele schönere Blumen, die Sie mir15 gegeben, eine bloße Knospe, die ich unter diesem Nebel Himmel selber begossen habe. Da alles Schöne und Gute bei Ihnen unverwelklich bleibt: so wird dieses Knöspchen, ob es gleich nicht aufbricht, bei Ihnen wenigstens nicht verwelken. Aber allen Ihren Rosen fehle, was dieser fehlt -- die Dornen!20
*127. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Baireut d. 17 Dez. 1820
Mein geliebter Heinrich! Nur Weniges! Leider sind meine Briefe immer nur Dankpsalmen und Bittschriften; deine aber bringen blos und wären es wenigstens Anekdoten. Max genießt dich und deine herr-25 lichen Eltern mit dankbarer Seeligkeit und erfreuet sich am meisten über deine Metrik- und Aristophanes-Vorlesungen. Ich bin heute nicht ganz gesund, daher muß ich mir immer selber einhelfen durch Korrigieren. Mich wird der gedruckte Aristophanes beseeligen und entschädigen. Denn es ist freilich ein Jammer für mich, daß mein Komet -- der zufälliger30 Weise nicht einmal im Meßkatalog stand -- erst so spät einen Stern- seher und Kometensucher finden soll; und meine Befürchtung einer Wiederkehr des Dappingschen Ausbleibens kommt noch dazu. Warum will denn der Verleger gerade alle Noten auf einmal? Die unaus-
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125. An Emanuel.
[Bayreuth, 14. Dez. 1820]
Guten Morgen, mein Emanuel! — Hier ein Brief von meinem frommen Sohn. — Leſen Sie doch hier über die Bella donna die Aerzte S. 508; auch weiterhinten und vornen über Gifte — und S. 290 über5 den rothen Fingerhut, ohne deſſen Gift ich längſt todt wäre. Zwei Gran in einer Unze ſind 2 Pfefferkörner in 2 Lothen; kommt alſo auf jedes Einnehmen kaum ⅛ Tropfe. Nach einem Walter kann ein bloßer Regimentchirurg Meier den Mund nur — ſchließen. — Nur dieß vergaß ich Ihnen neulich zu ſagen, daß die Tropfen ausgeſetzt werden müſſen,10 ſobald irgend eine, auch kleine Kränklichkeit, z. B. Zahnen eintritt.
126. An Gräfin Schönburg (in Thurnau?).
[Kopie][Bayreuth, 14. Dez. 1820]
(bei Überſendung einer ſeidnen Roſe mit wolriechendem Waſſer)
Hier ſend’ ich Ihnen für ſo viele ſchönere Blumen, die Sie mir15 gegeben, eine bloße Knoſpe, die ich unter dieſem Nebel Himmel ſelber begoſſen habe. Da alles Schöne und Gute bei Ihnen unverwelklich bleibt: ſo wird dieſes Knöſpchen, ob es gleich nicht aufbricht, bei Ihnen wenigſtens nicht verwelken. Aber allen Ihren Roſen fehle, was dieſer fehlt — die Dornen!20
*127. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Baireut d. 17 Dez. 1820
Mein geliebter Heinrich! Nur Weniges! Leider ſind meine Briefe immer nur Dankpſalmen und Bittſchriften; deine aber bringen blos und wären es wenigſtens Anekdoten. Max genießt dich und deine herr-25 lichen Eltern mit dankbarer Seeligkeit und erfreuet ſich am meiſten über deine Metrik- und Ariſtophanes-Vorleſungen. Ich bin heute nicht ganz geſund, daher muß ich mir immer ſelber einhelfen durch Korrigieren. Mich wird der gedruckte Ariſtophanes beſeeligen und entſchädigen. Denn es iſt freilich ein Jammer für mich, daß mein Komet — der zufälliger30 Weiſe nicht einmal im Meßkatalog ſtand — erſt ſo ſpät einen Stern- ſeher und Kometenſucher finden ſoll; und meine Befürchtung einer Wiederkehr des Dappingſchen Ausbleibens kommt noch dazu. Warum will denn der Verleger gerade alle Noten auf einmal? Die unaus-
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125. An Emanuel.
[Bayreuth, 14. Dez. 1820]
Guten Morgen, mein Emanuel! — Hier ein Brief von meinem
frommen Sohn. — Leſen Sie doch hier über die Bella donna die Aerzte
S. 508; auch weiterhinten und vornen über Gifte — und S. 290 über 5
den rothen Fingerhut, ohne deſſen Gift ich längſt todt wäre. Zwei Gran
in einer Unze ſind 2 Pfefferkörner in 2 Lothen; kommt alſo auf jedes
Einnehmen kaum ⅛ Tropfe. Nach einem Walter kann ein bloßer
Regimentchirurg Meier den Mund nur — ſchließen. — Nur dieß vergaß
ich Ihnen neulich zu ſagen, daß die Tropfen ausgeſetzt werden müſſen, 10
ſobald irgend eine, auch kleine Kränklichkeit, z. B. Zahnen eintritt.
126. An Gräfin Schönburg (in Thurnau?).
[Bayreuth, 14. Dez. 1820]
(bei Überſendung einer ſeidnen Roſe mit wolriechendem Waſſer)
Hier ſend’ ich Ihnen für ſo viele ſchönere Blumen, die Sie mir 15
gegeben, eine bloße Knoſpe, die ich unter dieſem Nebel Himmel ſelber
begoſſen habe. Da alles Schöne und Gute bei Ihnen unverwelklich
bleibt: ſo wird dieſes Knöſpchen, ob es gleich nicht aufbricht, bei Ihnen
wenigſtens nicht verwelken. Aber allen Ihren Roſen fehle, was dieſer
fehlt — die Dornen! 20
*127. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Baireut d. 17 Dez. 1820
Mein geliebter Heinrich! Nur Weniges! Leider ſind meine Briefe
immer nur Dankpſalmen und Bittſchriften; deine aber bringen blos
und wären es wenigſtens Anekdoten. Max genießt dich und deine herr- 25
lichen Eltern mit dankbarer Seeligkeit und erfreuet ſich am meiſten über
deine Metrik- und Ariſtophanes-Vorleſungen. Ich bin heute nicht ganz
geſund, daher muß ich mir immer ſelber einhelfen durch Korrigieren.
Mich wird der gedruckte Ariſtophanes beſeeligen und entſchädigen. Denn
es iſt freilich ein Jammer für mich, daß mein Komet — der zufälliger 30
Weiſe nicht einmal im Meßkatalog ſtand — erſt ſo ſpät einen Stern-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/89>, abgerufen am 20.07.2024.
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