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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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folgen noch die (im Morgenblatte abgedruckte) Vorrede über den
Traumgeberorden -- welche ich der Zensur wegen nach Berlin ge-
schickt -- und einige Kapitel. Berichtige das Titelblatt, falls es dem des
1ten Bandes nicht gleichförmig wäre. -- Bitte den Buchhändler um die
Bestimmung der möglichen Druckgröße dieser Sendung. -- Jetzo setz'5
ich seit deinem Loben wieder umgekehrt den ersten Theil über den zweiten
hinauf, weil dieser in seiner Geschichte mit Riesenschildkrötenfüßen in
seinem Sande langsam fortrückt und weil er nicht ganz verbergen kann,
daß er vor dem ersten geschaffen worden. So ist immer der Richterstuhl
eines Autors gegen sich selber ein Drehstuhl und seine Urtheile über10
andere sind fester als die über sich. -- Aber gegen das Ende des Bandes
thut sich für die heiterste, beweglichste und reichste Geschichte eine weite
Ebene auf; -- und gerade da geh ich für einige Zeit mit meiner Feder
nach Hause. -- Ums Himmels Willen mache du unermüdlicher Mit-
arbeiter dir keine Bedenklichkeiten über Freiexemplare; ein schönstes15
gebührt dir ohnehin von mir; und andere nimm; mir bleiben ihrer immer
genug. Den Hesperus bringt dir im Oktober mein Sohn mit. -- Bei
dieser Gelegenheit thu' ich an dich wichtige Fragen -- weniger in
meinem Namen als für den Generalkommissar v. Welden und für den
Kammerrath Miedel, die beide ihre Söhne nach Heidelberg zu schicken20
sich bedenken und doch wünschen -- nämlich, wie groß die neulichen
akademischen Unruhen gewesen und welche da überhaupt auf Kosten der
Lebens Sicherheit zu befürchten sind. Schreibe mir es zur Beruhigung
meiner Kommittenten recht klar und bestimmt; volle Wahrheit über
diesen Punkt kann ich blos von meinem Heinrich erwarten. Auch25
sage mir, ob bei euch öfter Prüfungen mit Studenten vorgenommen
werden. Mache, sei so gut, deine Antwortstelle zur Noth für Vorlesen
tauglich.


-- Wie verlang' ich immer von dir! Wunderbar hast du in allen30
deinen Korrekturen des Kometen Recht; fahre nur kühner fort, denn
was wärs denn sogar Gefährliches, wenn einmal deine Gedanken an die
Stelle der meinigen träten? Nur Einmal erriethest du nicht auf der 4ten
Seite des ersten Vorkapitels: "aber der Himmel (wünsch' ich) verschone
künftig ein solches mitseufzendes Wesen mit dem Anblicke jener35
trübern beseelten Spielpuppen der Männerfäuste" -- ich meine unter

folgen noch die (im Morgenblatte abgedruckte) Vorrede über den
Traumgeberorden — welche ich der Zenſur wegen nach Berlin ge-
ſchickt — und einige Kapitel. Berichtige das Titelblatt, falls es dem des
1ten Bandes nicht gleichförmig wäre. — Bitte den Buchhändler um die
Beſtimmung der möglichen Druckgröße dieſer Sendung. — Jetzo ſetz’5
ich ſeit deinem Loben wieder umgekehrt den erſten Theil über den zweiten
hinauf, weil dieſer in ſeiner Geſchichte mit Rieſenſchildkrötenfüßen in
ſeinem Sande langſam fortrückt und weil er nicht ganz verbergen kann,
daß er vor dem erſten geſchaffen worden. So iſt immer der Richterſtuhl
eines Autors gegen ſich ſelber ein Drehſtuhl und ſeine Urtheile über10
andere ſind feſter als die über ſich. — Aber gegen das Ende des Bandes
thut ſich für die heiterſte, beweglichſte und reichſte Geſchichte eine weite
Ebene auf; — und gerade da geh ich für einige Zeit mit meiner Feder
nach Hauſe. — Ums Himmels Willen mache du unermüdlicher Mit-
arbeiter dir keine Bedenklichkeiten über Freiexemplare; ein ſchönſtes15
gebührt dir ohnehin von mir; und andere nimm; mir bleiben ihrer immer
genug. Den Hesperus bringt dir im Oktober mein Sohn mit. — Bei
dieſer Gelegenheit thu’ ich an dich wichtige Fragen — weniger in
meinem Namen als für den Generalkommiſſar v. Welden und für den
Kammerrath Miedel, die beide ihre Söhne nach Heidelberg zu ſchicken20
ſich bedenken und doch wünſchen — nämlich, wie groß die neulichen
akademiſchen Unruhen geweſen und welche da überhaupt auf Koſten der
Lebens Sicherheit zu befürchten ſind. Schreibe mir es zur Beruhigung
meiner Kommittenten recht klar und beſtimmt; volle Wahrheit über
dieſen Punkt kann ich blos von meinem Heinrich erwarten. Auch25
ſage mir, ob bei euch öfter Prüfungen mit Studenten vorgenommen
werden. Mache, ſei ſo gut, deine Antwortſtelle zur Noth für Vorleſen
tauglich.


— Wie verlang’ ich immer von dir! Wunderbar haſt du in allen30
deinen Korrekturen des Kometen Recht; fahre nur kühner fort, denn
was wärs denn ſogar Gefährliches, wenn einmal deine Gedanken an die
Stelle der meinigen träten? Nur Einmal errietheſt du nicht auf der 4ten
Seite des erſten Vorkapitels: „aber der Himmel (wünſch’ ich) verſchone
künftig ein ſolches mitſeufzendes Weſen mit dem Anblicke jener35
trübern beſeelten Spielpuppen der Männerfäuſte“ — ich meine unter

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[58/0064] folgen noch die (im Morgenblatte abgedruckte) Vorrede über den Traumgeberorden — welche ich der Zenſur wegen nach Berlin ge- ſchickt — und einige Kapitel. Berichtige das Titelblatt, falls es dem des 1ten Bandes nicht gleichförmig wäre. — Bitte den Buchhändler um die Beſtimmung der möglichen Druckgröße dieſer Sendung. — Jetzo ſetz’ 5 ich ſeit deinem Loben wieder umgekehrt den erſten Theil über den zweiten hinauf, weil dieſer in ſeiner Geſchichte mit Rieſenſchildkrötenfüßen in ſeinem Sande langſam fortrückt und weil er nicht ganz verbergen kann, daß er vor dem erſten geſchaffen worden. So iſt immer der Richterſtuhl eines Autors gegen ſich ſelber ein Drehſtuhl und ſeine Urtheile über 10 andere ſind feſter als die über ſich. — Aber gegen das Ende des Bandes thut ſich für die heiterſte, beweglichſte und reichſte Geſchichte eine weite Ebene auf; — und gerade da geh ich für einige Zeit mit meiner Feder nach Hauſe. — Ums Himmels Willen mache du unermüdlicher Mit- arbeiter dir keine Bedenklichkeiten über Freiexemplare; ein ſchönſtes 15 gebührt dir ohnehin von mir; und andere nimm; mir bleiben ihrer immer genug. Den Hesperus bringt dir im Oktober mein Sohn mit. — Bei dieſer Gelegenheit thu’ ich an dich wichtige Fragen — weniger in meinem Namen als für den Generalkommiſſar v. Welden und für den Kammerrath Miedel, die beide ihre Söhne nach Heidelberg zu ſchicken 20 ſich bedenken und doch wünſchen — nämlich, wie groß die neulichen akademiſchen Unruhen geweſen und welche da überhaupt auf Koſten der Lebens Sicherheit zu befürchten ſind. Schreibe mir es zur Beruhigung meiner Kommittenten recht klar und beſtimmt; volle Wahrheit über dieſen Punkt kann ich blos von meinem Heinrich erwarten. Auch 25 ſage mir, ob bei euch öfter Prüfungen mit Studenten vorgenommen werden. Mache, ſei ſo gut, deine Antwortſtelle zur Noth für Vorleſen tauglich. 31. Jul. — Wie verlang’ ich immer von dir! Wunderbar haſt du in allen 30 deinen Korrekturen des Kometen Recht; fahre nur kühner fort, denn was wärs denn ſogar Gefährliches, wenn einmal deine Gedanken an die Stelle der meinigen träten? Nur Einmal errietheſt du nicht auf der 4ten Seite des erſten Vorkapitels: „aber der Himmel (wünſch’ ich) verſchone künftig ein ſolches mitſeufzendes Weſen mit dem Anblicke jener 35 trübern beſeelten Spielpuppen der Männerfäuſte“ — ich meine unter

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/64>, abgerufen am 28.03.2024.