Ich schreibe dir zu viel; und zu sehr von allem; noch kam ich zu keiner Zeile Bücherarbeit. H. v. Mann gab mir seine Loge in 3 Theatern, heute, außer dem Mittagessen mit Max, noch den Wagen zum Vor- fahren bei vier Ministern, wovon nur Thürheim zu Hause war, und die5 Einladung auf sein Gut am Stahrenbergersee. -- Die Rosoglio- Flasche fand sich; aber nur Eine vom Kapwein und keine andere ge- siegelte. Wie kams denn, daß du mir nicht ein einziges feines weisses Schnupftuch eingepackt? --
d. 4ten10
Gestern sah ich Welden auf eine Stunde. Er ist seiner Mutter würdig; ein anspruchloser, kräftiger, in vollster Gesundheit blühender, angenehmer Jüngling. Physiognomisch ist er die ins Männliche über- setzte Weiblichkeit der Schwester F., in Blick, Auge, Mund und Nase. Wie seelig wird er unter den Seinigen, nach denen er lechzet, sein und15 machen! Max ist sein einziger Freund hier. Dich wird der reine, ruhige, einsicht- und liebevolle Jüngling so bezaubern wie seine Mutter. -- Von meinen vielen geselligen Verhältnissen im nächsten Briefe. -- Max und meine Wohnung machen indeß meinen größern Genuß. Grüße was mich liebt und küße meine Kinderlein und lebe froh und im Freien, meine20 geliebte Karoline. Bei Schlichtegroll trank ich mit Max und den Übrigen am 31ten Mai auf den 31tenMai.
Richter
Ich flehe dich an, daß du in meiner Stube gar nichts umändern oder weißen lässest als den Fußboden; so auch im Schlafzimmer.25
55. An Friedrich von Schlichtegroll in München.
[Kopie][München, 3. Juni 1820. Sonnabend]
Schon seit 3 Jahren fü[h]r' ich meine kurzen Beinkleider auf allen Reisen herum und komme nicht aus den langen heraus. Heute ist end- lich der merkwürdige Tag, der mich zu einigen Ministern und in Schuhe30 treibt. Ich habe aber Schuh- und Hosenschnallen zu Hause gelassen; willst du mich nicht mit 2 Paar geliehenen an den Hofdienst anschnallen? Nachmittags ess' ich etc.; ich muß also dem Essen die Mumien opfern, [so] sehr auch beide bei den Aegyptern vereinigt gewesen. Aber den Sonntag-Abend geb' ich nicht her, sondern grüße mündlich etc.35
d. 3ten Jun.
Ich ſchreibe dir zu viel; und zu ſehr von allem; noch kam ich zu keiner Zeile Bücherarbeit. H. v. Mann gab mir ſeine Loge in 3 Theatern, heute, außer dem Mittageſſen mit Max, noch den Wagen zum Vor- fahren bei vier Miniſtern, wovon nur Thürheim zu Hauſe war, und die5 Einladung auf ſein Gut am Stahrenbergerſee. — Die Roſoglio- Flaſche fand ſich; aber nur Eine vom Kapwein und keine andere ge- ſiegelte. Wie kams denn, daß du mir nicht ein einziges feines weiſſes Schnupftuch eingepackt? —
d. 4ten10
Geſtern ſah ich Welden auf eine Stunde. Er iſt ſeiner Mutter würdig; ein anſpruchloſer, kräftiger, in vollſter Geſundheit blühender, angenehmer Jüngling. Phyſiognomiſch iſt er die ins Männliche über- ſetzte Weiblichkeit der Schweſter F., in Blick, Auge, Mund und Naſe. Wie ſeelig wird er unter den Seinigen, nach denen er lechzet, ſein und15 machen! Max iſt ſein einziger Freund hier. Dich wird der reine, ruhige, einſicht- und liebevolle Jüngling ſo bezaubern wie ſeine Mutter. — Von meinen vielen geſelligen Verhältniſſen im nächſten Briefe. — Max und meine Wohnung machen indeß meinen größern Genuß. Grüße was mich liebt und küße meine Kinderlein und lebe froh und im Freien, meine20 geliebte Karoline. Bei Schlichtegroll trank ich mit Max und den Übrigen am 31ten Mai auf den 31tenMai.
Richter
Ich flehe dich an, daß du in meiner Stube gar nichts umändern oder weißen läſſeſt als den Fußboden; ſo auch im Schlafzimmer.25
55. An Friedrich von Schlichtegroll in München.
[Kopie][München, 3. Juni 1820. Sonnabend]
Schon ſeit 3 Jahren fü[h]r’ ich meine kurzen Beinkleider auf allen Reiſen herum und komme nicht aus den langen heraus. Heute iſt end- lich der merkwürdige Tag, der mich zu einigen Miniſtern und in Schuhe30 treibt. Ich habe aber Schuh- und Hoſenſchnallen zu Hauſe gelaſſen; willſt du mich nicht mit 2 Paar geliehenen an den Hofdienſt anſchnallen? Nachmittags eſſ’ ich ꝛc.; ich muß alſo dem Eſſen die Mumien opfern, [ſo] ſehr auch beide bei den Aegyptern vereinigt geweſen. Aber den Sonntag-Abend geb’ ich nicht her, ſondern grüße mündlich ꝛc.35
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d. 3ten Jun.
Ich ſchreibe dir zu viel; und zu ſehr von allem; noch kam ich zu keiner
Zeile Bücherarbeit. H. v. Mann gab mir ſeine Loge in 3 Theatern,
heute, außer dem Mittageſſen mit Max, noch den Wagen zum Vor-
fahren bei vier Miniſtern, wovon nur Thürheim zu Hauſe war, und die 5
Einladung auf ſein Gut am Stahrenbergerſee. — Die Roſoglio-
Flaſche fand ſich; aber nur Eine vom Kapwein und keine andere ge-
ſiegelte. Wie kams denn, daß du mir nicht ein einziges feines weiſſes
Schnupftuch eingepackt? —
d. 4ten 10
Geſtern ſah ich Welden auf eine Stunde. Er iſt ſeiner Mutter
würdig; ein anſpruchloſer, kräftiger, in vollſter Geſundheit blühender,
angenehmer Jüngling. Phyſiognomiſch iſt er die ins Männliche über-
ſetzte Weiblichkeit der Schweſter F., in Blick, Auge, Mund und Naſe.
Wie ſeelig wird er unter den Seinigen, nach denen er lechzet, ſein und 15
machen! Max iſt ſein einziger Freund hier. Dich wird der reine, ruhige,
einſicht- und liebevolle Jüngling ſo bezaubern wie ſeine Mutter. — Von
meinen vielen geſelligen Verhältniſſen im nächſten Briefe. — Max und
meine Wohnung machen indeß meinen größern Genuß. Grüße was mich
liebt und küße meine Kinderlein und lebe froh und im Freien, meine 20
geliebte Karoline. Bei Schlichtegroll trank ich mit Max und den
Übrigen am 31ten Mai auf den 31ten Mai.
Richter
Ich flehe dich an, daß du in meiner Stube gar nichts umändern oder
weißen läſſeſt als den Fußboden; ſo auch im Schlafzimmer. 25
55. An Friedrich von Schlichtegroll in München.
[München, 3. Juni 1820. Sonnabend]
Schon ſeit 3 Jahren fü[h]r’ ich meine kurzen Beinkleider auf allen
Reiſen herum und komme nicht aus den langen heraus. Heute iſt end-
lich der merkwürdige Tag, der mich zu einigen Miniſtern und in Schuhe 30
treibt. Ich habe aber Schuh- und Hoſenſchnallen zu Hauſe gelaſſen;
willſt du mich nicht mit 2 Paar geliehenen an den Hofdienſt anſchnallen?
Nachmittags eſſ’ ich ꝛc.; ich muß alſo dem Eſſen die Mumien opfern,
[ſo] ſehr auch beide bei den Aegyptern vereinigt geweſen. Aber den
Sonntag-Abend geb’ ich nicht her, ſondern grüße mündlich ꝛc. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/41>, abgerufen am 16.02.2025.
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