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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.

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451. An Salinendirektor von Reichenbach in München.
[Kopie]
Hochzuverehrender Herr Salinendirektor!

Als ich vor 4 Jahren das Vergnügen genoß, daß Sie mir Ihre
optische Kunst-Maschinerie, gleichsam das Arsenal zur Augen-Bewaff-5
nung, zeigten -- wodurch Sie den Himmel, aber mehr astronomisch als
der h. Stephanus, offen sehen --: so errieth ich nicht, wie sehr ich
einmal Ihrer optischen Meisterschaft bedürfen würde, um statt des
Himmels wenigstens die Erde sehen zu können. Seit 3/4 Jahren martert
mich eine wachsende Augenschwäche, daß ich blos mit konkaven Brillen10
-- die ich sonst nur für die Ferne gebrauchte -- zu lesen und zu schreiben
vermag. Die kurze Sehweite, in der ich den beigelegten Druck lesen
kann, gibt der rothe Faden an. Ich gebrauchte -- leider zu oft wechselnd
-- Holgläser von Tauber in Leipzig -- periskopische von Ostermann --
sogar von Schmidt in Nürnberg -- aber den meisten scheint jene15
mathematisch strenge Reinheit, und jene, einem kranken Auge unent-
behrliche Vollendung zu fehlen, welche nur ein Meister wie Sie, der
mit seinen Telegraphen sogar die brittischen überbietet, wahrscheinlich
allein, den kleinern Auxiliaraugen zu geben versteht.

Ich bitte Sie daher, mein Augenarzt zu werden, und mir konkave20
Doppellorgnetten -- in Stahl oder Schildkrot gefaßt -- von No. 10
(inclusive)
bis No. 4 herab zur Auswahl und Probe für Lesen am
Tage, Lesen bei Nacht und Sehen in der Ferne mit der Post zu senden.
Die Abnahme meiner Augen und die Abnahme der Tage werden meine
Bitte um baldige Hülfe entschuldigen; für die ich Ihnen unendlich25
danken würde. Mit der größten Hochachtung und Hoffnung

Ihr ergebenster etc.
452. Ins Stammbuch der Gräfin Julie von Egloffstein.
Des Augenkranken Blatt.

Ihr Blatt, verehrte Julie, ist weiß wie die Blüten; und die Kunst-30
werke Ihrer Hand sind ihre Früchte. Mein Blatt ist nur grün wie das
Laub, das die Blüten umgibt, aber es ist doch noch nicht verwelkt,
sondern die Hoffnung grünt fort, Sie wiederzusehen.

[Spaltenumbruch]
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Zum Andenken eines fern zurück gewichnen,
aber noch immer in die Gegenwart herüber
blühenden Tags.
Jean Paul Fr. Richter
451. An Salinendirektor von Reichenbach in München.
[Kopie]
Hochzuverehrender Herr Salinendirektor!

Als ich vor 4 Jahren das Vergnügen genoß, daß Sie mir Ihre
optiſche Kunſt-Maſchinerie, gleichſam das Arſenal zur Augen-Bewaff-5
nung, zeigten — wodurch Sie den Himmel, aber mehr aſtronomiſch als
der h. Stephanus, offen ſehen —: ſo errieth ich nicht, wie ſehr ich
einmal Ihrer optiſchen Meiſterſchaft bedürfen würde, um ſtatt des
Himmels wenigſtens die Erde ſehen zu können. Seit ¾ Jahren martert
mich eine wachſende Augenſchwäche, daß ich blos mit konkaven Brillen10
— die ich ſonſt nur für die Ferne gebrauchte — zu leſen und zu ſchreiben
vermag. Die kurze Sehweite, in der ich den beigelegten Druck leſen
kann, gibt der rothe Faden an. Ich gebrauchte — leider zu oft wechſelnd
— Holgläſer von Tauber in Leipzig — periſkopiſche von Oſtermann —
ſogar von Schmidt in Nürnberg — aber den meiſten ſcheint jene15
mathematiſch ſtrenge Reinheit, und jene, einem kranken Auge unent-
behrliche Vollendung zu fehlen, welche nur ein Meiſter wie Sie, der
mit ſeinen Telegraphen ſogar die brittiſchen überbietet, wahrſcheinlich
allein, den kleinern Auxiliaraugen zu geben verſteht.

Ich bitte Sie daher, mein Augenarzt zu werden, und mir konkave20
Doppellorgnetten — in Stahl oder Schildkrot gefaßt — von No. 10
(inclusive)
bis No. 4 herab zur Auswahl und Probe für Leſen am
Tage, Leſen bei Nacht und Sehen in der Ferne mit der Poſt zu ſenden.
Die Abnahme meiner Augen und die Abnahme der Tage werden meine
Bitte um baldige Hülfe entſchuldigen; für die ich Ihnen unendlich25
danken würde. Mit der größten Hochachtung und Hoffnung

Ihr ergebenſter ꝛc.
452. Ins Stammbuch der Gräfin Julie von Egloffſtein.
Des Augenkranken Blatt.

Ihr Blatt, verehrte Julie, iſt weiß wie die Blüten; und die Kunſt-30
werke Ihrer Hand ſind ihre Früchte. Mein Blatt iſt nur grün wie das
Laub, das die Blüten umgibt, aber es iſt doch noch nicht verwelkt,
ſondern die Hoffnung grünt fort, Sie wiederzuſehen.

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Zum Andenken eines fern zurück gewichnen,
aber noch immer in die Gegenwart herüber
blühenden Tags.
Jean Paul Fr. Richter
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[267/0279] 451. An Salinendirektor von Reichenbach in München. [Bayreuth, 24. Sept. 1824] Hochzuverehrender Herr Salinendirektor! Als ich vor 4 Jahren das Vergnügen genoß, daß Sie mir Ihre optiſche Kunſt-Maſchinerie, gleichſam das Arſenal zur Augen-Bewaff- 5 nung, zeigten — wodurch Sie den Himmel, aber mehr aſtronomiſch als der h. Stephanus, offen ſehen —: ſo errieth ich nicht, wie ſehr ich einmal Ihrer optiſchen Meiſterſchaft bedürfen würde, um ſtatt des Himmels wenigſtens die Erde ſehen zu können. Seit ¾ Jahren martert mich eine wachſende Augenſchwäche, daß ich blos mit konkaven Brillen 10 — die ich ſonſt nur für die Ferne gebrauchte — zu leſen und zu ſchreiben vermag. Die kurze Sehweite, in der ich den beigelegten Druck leſen kann, gibt der rothe Faden an. Ich gebrauchte — leider zu oft wechſelnd — Holgläſer von Tauber in Leipzig — periſkopiſche von Oſtermann — ſogar von Schmidt in Nürnberg — aber den meiſten ſcheint jene 15 mathematiſch ſtrenge Reinheit, und jene, einem kranken Auge unent- behrliche Vollendung zu fehlen, welche nur ein Meiſter wie Sie, der mit ſeinen Telegraphen ſogar die brittiſchen überbietet, wahrſcheinlich allein, den kleinern Auxiliaraugen zu geben verſteht. Ich bitte Sie daher, mein Augenarzt zu werden, und mir konkave 20 Doppellorgnetten — in Stahl oder Schildkrot gefaßt — von No. 10 (inclusive) bis No. 4 herab zur Auswahl und Probe für Leſen am Tage, Leſen bei Nacht und Sehen in der Ferne mit der Poſt zu ſenden. Die Abnahme meiner Augen und die Abnahme der Tage werden meine Bitte um baldige Hülfe entſchuldigen; für die ich Ihnen unendlich 25 danken würde. Mit der größten Hochachtung und Hoffnung Ihr ergebenſter ꝛc. 452. Ins Stammbuch der Gräfin Julie von Egloffſtein. Des Augenkranken Blatt. Ihr Blatt, verehrte Julie, iſt weiß wie die Blüten; und die Kunſt- 30 werke Ihrer Hand ſind ihre Früchte. Mein Blatt iſt nur grün wie das Laub, das die Blüten umgibt, aber es iſt doch noch nicht verwelkt, ſondern die Hoffnung grünt fort, Sie wiederzuſehen. Baireut 35 d. 3. Okt. 1824. Zum Andenken eines fern zurück gewichnen, aber noch immer in die Gegenwart herüber blühenden Tags. Jean Paul Fr. Richter

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:22:18Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:22:18Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/279>, abgerufen am 22.11.2024.