Geliebte! Morgen werd' ich deine Antwort auf meine erhalten. Von hieraus schreib ich denn zum letzten male. Mittwoch Abends bin ich in Erlangen. Schicke also den Kutscher -- wo möglich den Dresdner5 -- so ab, daß er am Mittwoch um 6 Uhr abends im goldnen Wallfisch zu Erlangen ankommt; damit ich Donnerstag abends wieder in deinen Armen bin. Sende mir ja für 1 Tag kein Essen mit, höchstens 1 Krug rothen Wein. Aus deinem Nicht-Antworten, wenn ich von deinem Hieherkommen sprach, und aus einigen Winken Emmas, wie du das10 Haus nicht verlassen möchtest, -- wozu jetzo vollends der Jammer Hofs noch kommt -- erleichterte ich mir die Abänderung des Rückkehrplans. Hast du außer der Leinwand noch etwas Besonderes einzukaufen -- z. B. einige bestimmte Steingut -- so schicke morgen abends den Brief ab, der dann mit dem Postwagen Mittwochs früh hier anlangt.15 Durch die ökonomische Frau meines trefflichen Osterhausens kann ich alles aufs Beste besorgen lassen. Am Donnerstage abends mache mir blos meine Pflaumen, keine Fleischspeisen. Alles Unangenehme packe in deinen letzten Brief, damit [ich] es unter dem Heimfahren verdaue. --
Die Schönheit der Nürnberger Lustörter besteht in ihrer Nähe und20 in der Dauer des Genusses bis um 12 Uhr unter dem Sternenhimmel. Vorgestern war ich im Hahnenbergzwinger mit meinem Doktor recht vergnügt. Eine Menge Gelehrte und andere ließen sich mir vorstellen, die mich liebten. So gestern bei dem Thee der Frau von Schaden aus München, wo mehr adelige Gesellschaft war. Ich habe alle Namen25 ver[g]essen. Warte nur auf das Mündliche. Ich habe hier so viele Freunde Leser -- Freundinnen weniger, weil die hiesige weibliche Ausbildung wirklich nicht einmal die baireuter erreicht -- als an andern Orten; aber die Nürnberger haben weder Feuer, noch Auszeichnung. Sogar ihr Museum ist nicht halb so belebt als die Baireuter Harmonie.30 Das gemeine Volk erquickt mich durch seine Ehrlichkeit und liebreiche Treuherzigkeit.
Könntest du mir doch etwas Anderes oder Bestimmteres oder Besseres vorschlagen, was ich den lieben Kindern mitzubringen! -- Dir kann ich durchaus nichts mitbringen als was du zu kaufen vorschlägst, wie35 Leinwand u.s.w.
394. An Karoline Richter.
Nürnberg d. 7ten Sept. 〈Sonntag〉 1823
Geliebte! Morgen werd’ ich deine Antwort auf meine erhalten. Von hieraus ſchreib ich denn zum letzten male. Mittwoch Abends bin ich in Erlangen. Schicke alſo den Kutſcher — wo möglich den Dresdner5 — ſo ab, daß er am Mittwoch um 6 Uhr abends im goldnen Wallfiſch zu Erlangen ankommt; damit ich Donnerſtag abends wieder in deinen Armen bin. Sende mir ja für 1 Tag kein Eſſen mit, höchſtens 1 Krug rothen Wein. Aus deinem Nicht-Antworten, wenn ich von deinem Hieherkommen ſprach, und aus einigen Winken Emmas, wie du das10 Haus nicht verlaſſen möchteſt, — wozu jetzo vollends der Jammer Hofs noch kommt — erleichterte ich mir die Abänderung des Rückkehrplans. Haſt du außer der Leinwand noch etwas Beſonderes einzukaufen — z. B. einige beſtimmte Steingut — ſo ſchicke morgen abends den Brief ab, der dann mit dem Poſtwagen Mittwochs früh hier anlangt.15 Durch die ökonomiſche Frau meines trefflichen Osterhausens kann ich alles aufs Beſte beſorgen laſſen. Am Donnerſtage abends mache mir blos meine Pflaumen, keine Fleiſchſpeiſen. Alles Unangenehme packe in deinen letzten Brief, damit [ich] es unter dem Heimfahren verdaue. —
Die Schönheit der Nürnberger Luſtörter beſteht in ihrer Nähe und20 in der Dauer des Genuſſes bis um 12 Uhr unter dem Sternenhimmel. Vorgeſtern war ich im Hahnenbergzwinger mit meinem Doktor recht vergnügt. Eine Menge Gelehrte und andere ließen ſich mir vorſtellen, die mich liebten. So geſtern bei dem Thée der Frau von Schaden aus München, wo mehr adelige Geſellſchaft war. Ich habe alle Namen25 ver[g]eſſen. Warte nur auf das Mündliche. Ich habe hier ſo viele Freunde 〈Leſer〉 — Freundinnen weniger, weil die hieſige weibliche Ausbildung wirklich nicht einmal die baireuter erreicht — als an andern Orten; aber die Nürnberger haben weder Feuer, noch Auszeichnung. Sogar ihr Muſeum iſt nicht halb ſo belebt als die Baireuter Harmonie.30 Das gemeine Volk erquickt mich durch ſeine Ehrlichkeit und liebreiche Treuherzigkeit.
Könnteſt du mir doch etwas Anderes oder Beſtimmteres oder Beſſeres vorſchlagen, was ich den lieben Kindern mitzubringen! — Dir kann ich durchaus nichts mitbringen als was du zu kaufen vorſchlägſt, wie35 Leinwand u.ſ.w.
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394. An Karoline Richter.
Nürnberg d. 7ten Sept. 〈Sonntag〉 1823
Geliebte! Morgen werd’ ich deine Antwort auf meine erhalten.
Von hieraus ſchreib ich denn zum letzten male. Mittwoch Abends bin
ich in Erlangen. Schicke alſo den Kutſcher — wo möglich den Dresdner 5
— ſo ab, daß er am Mittwoch um 6 Uhr abends im goldnen Wallfiſch
zu Erlangen ankommt; damit ich Donnerſtag abends wieder in deinen
Armen bin. Sende mir ja für 1 Tag kein Eſſen mit, höchſtens 1 Krug
rothen Wein. Aus deinem Nicht-Antworten, wenn ich von deinem
Hieherkommen ſprach, und aus einigen Winken Emmas, wie du das 10
Haus nicht verlaſſen möchteſt, — wozu jetzo vollends der Jammer Hofs
noch kommt — erleichterte ich mir die Abänderung des Rückkehrplans.
Haſt du außer der Leinwand noch etwas Beſonderes einzukaufen —
z. B. einige beſtimmte Steingut — ſo ſchicke morgen abends den
Brief ab, der dann mit dem Poſtwagen Mittwochs früh hier anlangt. 15
Durch die ökonomiſche Frau meines trefflichen Osterhausens kann
ich alles aufs Beſte beſorgen laſſen. Am Donnerſtage abends mache mir
blos meine Pflaumen, keine Fleiſchſpeiſen. Alles Unangenehme packe
in deinen letzten Brief, damit [ich] es unter dem Heimfahren verdaue. —
Die Schönheit der Nürnberger Luſtörter beſteht in ihrer Nähe und 20
in der Dauer des Genuſſes bis um 12 Uhr unter dem Sternenhimmel.
Vorgeſtern war ich im Hahnenbergzwinger mit meinem Doktor recht
vergnügt. Eine Menge Gelehrte und andere ließen ſich mir vorſtellen,
die mich liebten. So geſtern bei dem Thée der Frau von Schaden aus
München, wo mehr adelige Geſellſchaft war. Ich habe alle Namen 25
ver[g]eſſen. Warte nur auf das Mündliche. Ich habe hier ſo viele
Freunde 〈Leſer〉 — Freundinnen weniger, weil die hieſige weibliche
Ausbildung wirklich nicht einmal die baireuter erreicht — als an andern
Orten; aber die Nürnberger haben weder Feuer, noch Auszeichnung.
Sogar ihr Muſeum iſt nicht halb ſo belebt als die Baireuter Harmonie. 30
Das gemeine Volk erquickt mich durch ſeine Ehrlichkeit und liebreiche
Treuherzigkeit.
Könnteſt du mir doch etwas Anderes oder Beſtimmteres oder Beſſeres
vorſchlagen, was ich den lieben Kindern mitzubringen! — Dir kann
ich durchaus nichts mitbringen als was du zu kaufen vorſchlägſt, wie 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/247>, abgerufen am 15.08.2024.
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