Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.Seit einem Jahre hab' ich wegen besonderer Verhältnisse die "Jahr- 314. An Emanuel. [Bayreuth, 29. Juni 1822]5Guten Morgen, mein Emanuel! Herzlichen Dank für Ihr uner- 315. An Kirchenrat Kaiser in Bayreuth. [Kopie][Bayreuth, 8. Juli 1822]Bei Zurücksendung von Purgolds Nachlaß. Bleiben Sie gesund im Dinten-Wirbel Ihrer Arbeiten, den sogar Urtheil über Purgold. Weniger ein Urtheil als blos eine Meinung und meine Empfindungen Seit einem Jahre hab’ ich wegen beſonderer Verhältniſſe die „Jahr- 314. An Emanuel. [Bayreuth, 29. Juni 1822]5Guten Morgen, mein Emanuel! Herzlichen Dank für Ihr uner- 315. An Kirchenrat Kaiſer in Bayreuth. [Kopie][Bayreuth, 8. Juli 1822]Bei Zurückſendung von Purgolds Nachlaß. Bleiben Sie geſund im Dinten-Wirbel Ihrer Arbeiten, den ſogar Urtheil über Purgold. Weniger ein Urtheil als blos eine Meinung und meine Empfindungen <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0199" n="191"/> <postscript> <p>Seit einem Jahre hab’ ich wegen beſonderer Verhältniſſe die „Jahr-<lb/> bücher“ nicht zu Geſicht bekommen. Der arme <hi rendition="#aq">Böttiger</hi> bekam durch<lb/> Podagra den grauen Staar auf dem linken Auge.</p> </postscript> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>314. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 29. Juni 1822]</hi> </dateline> <lb n="5"/> <p>Guten Morgen, mein <hi rendition="#aq">Emanuel!</hi> Herzlichen Dank für Ihr uner-<lb/> müdetes Geben. — Was machen Sie und die Ihrigen? Dieſe (bis zum<lb/> Vollmond dauernde) Gewitterhaftigkeit iſt nicht geſund, ſondern ſo viel<lb/> als hätten Sie 2 Hausärzte — oder ich Einen. — Iſt die treffliche Dinte,<lb/> womit Sie ſchreiben, noch die meinige?<lb n="10"/> </p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>315. An <hi rendition="#g">Kirchenrat Kaiſer in Bayreuth.</hi></head><lb/> <note type="editorial">[Kopie]</note> <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 8. Juli 1822]</hi> </dateline><lb/> <div n="2"> <head>Bei Zurückſendung von <hi rendition="#aq">Purgolds</hi> Nachlaß.</head><lb/> <p>Bleiben Sie geſund im Dinten-Wirbel Ihrer Arbeiten, den ſogar<lb/> das Ausland noch mit neuen verſtärkt.<lb n="15"/> </p> </div><lb/> <div n="2"> <head>Urtheil über <hi rendition="#aq">Purgold.</hi></head><lb/> <p>Weniger ein Urtheil als blos eine Meinung und meine Empfindungen<lb/> kann ich über des edeln <hi rendition="#aq">Purgolds</hi> Nachlaß ausſprechen. In allen ſeinen<lb/> Werken glänzt ein reiner Adel des Gemüths und eine ſittliche Be-<lb/> geiſterung, beſonders für Vaterland, Freiheit und Sprache. Jedoch dem<lb n="20"/> ſittlichen Gehalte wiegt der äſthetiſche nicht gleich. Dem Trauerſpiele<lb/> mangeln ſichtbar-fortſchreitende Handlung und ſcharf-bezeichnete<lb/> Charaktere, und die ſtillen Reize der Dikzion und der muſikaliſche Pomp<lb/> am Schluſſe der Aufzüge helfen der innern Schwäche nicht ab. Abelard<lb/> hingegen wäre — mit den neuen Verbeſſerungen, welche den Autor<lb n="25"/> als einen ſtrengen Selberrichter in Wort und Sache und als einen<lb/> ernſten Sprach- und Stilforſcher darſtellen — dieſes Werkchen wäre,<lb/> beſonders dem jetzigen ſich ſelber myſtifizierenden [?] philoſophieloſen<lb/> Zeitalter neugedruckt zu gönnen, wenigſtens als eine populäre beredte<lb/> Theodizee, die nicht über das Erbauen des Herzens das Bauen des<lb n="30"/> Geiſtes vergißt.</p> </div> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [191/0199]
Seit einem Jahre hab’ ich wegen beſonderer Verhältniſſe die „Jahr-
bücher“ nicht zu Geſicht bekommen. Der arme Böttiger bekam durch
Podagra den grauen Staar auf dem linken Auge.
314. An Emanuel.
[Bayreuth, 29. Juni 1822] 5
Guten Morgen, mein Emanuel! Herzlichen Dank für Ihr uner-
müdetes Geben. — Was machen Sie und die Ihrigen? Dieſe (bis zum
Vollmond dauernde) Gewitterhaftigkeit iſt nicht geſund, ſondern ſo viel
als hätten Sie 2 Hausärzte — oder ich Einen. — Iſt die treffliche Dinte,
womit Sie ſchreiben, noch die meinige? 10
315. An Kirchenrat Kaiſer in Bayreuth.
[Bayreuth, 8. Juli 1822]
Bei Zurückſendung von Purgolds Nachlaß.
Bleiben Sie geſund im Dinten-Wirbel Ihrer Arbeiten, den ſogar
das Ausland noch mit neuen verſtärkt. 15
Urtheil über Purgold.
Weniger ein Urtheil als blos eine Meinung und meine Empfindungen
kann ich über des edeln Purgolds Nachlaß ausſprechen. In allen ſeinen
Werken glänzt ein reiner Adel des Gemüths und eine ſittliche Be-
geiſterung, beſonders für Vaterland, Freiheit und Sprache. Jedoch dem 20
ſittlichen Gehalte wiegt der äſthetiſche nicht gleich. Dem Trauerſpiele
mangeln ſichtbar-fortſchreitende Handlung und ſcharf-bezeichnete
Charaktere, und die ſtillen Reize der Dikzion und der muſikaliſche Pomp
am Schluſſe der Aufzüge helfen der innern Schwäche nicht ab. Abelard
hingegen wäre — mit den neuen Verbeſſerungen, welche den Autor 25
als einen ſtrengen Selberrichter in Wort und Sache und als einen
ernſten Sprach- und Stilforſcher darſtellen — dieſes Werkchen wäre,
beſonders dem jetzigen ſich ſelber myſtifizierenden [?] philoſophieloſen
Zeitalter neugedruckt zu gönnen, wenigſtens als eine populäre beredte
Theodizee, die nicht über das Erbauen des Herzens das Bauen des 30
Geiſtes vergißt.
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(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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