schärfer kenne; und sehe sie nicht mehr. Tarnow und sie sind Todfein- dinnen. Auch Minna hat längst, zumal auf Uthe's Geheiß, mit Ch. gebrochen.
29ten Mai <Mittwoch>
Jetzo, meine Geliebte, gib ja recht Acht, weil mein Abreiseplan5 folgt. Am Montag wird dieser Brief bei dir sein. Bestelle einen Kutscher, der Freitags (den 7ten Jun.) abfährt. Weggeld zahl' ich, aber nicht Futter. Schon 5 f. mehr, nicht. Er muß aber durchaus so ankommen, daß er hier einen Nachmittag Rastzeit hält, auch meines Einpackens wegen. Den ersten Tag fahr' ich bis Chemnitz, den zweiten bis Plauen,10 dritten zu dir. Befürchte aber nicht sogleich ein Unglück, wenn ich nicht am bestimmten Tage ankomme, da vielleicht aber unwahrscheinlich Herder in Freiberg mich halten könnte. -- (Eine Kleinigkeit: mache etwas Leichtes, Flüßiges zum Essen, da ich gewöhnlich in der Freude keinen Appetit habe.) Dem Kutscher gib zwei Krüge Barsac mit. --15 Das Kutschkästchen muß zu verschließen sein. -- Irgend eine unan- genehme Haussache berichte mir lieber sogleich im Briefe, damit ich sie unterwegs verdaue und meine Edenzeit zu Hause mit nichts bewölke.
Meine Mäßigkeit sogar im Trinken -- denn trotz der besten Weine trink ich hier nicht so viel als in Baireut bei der Geigenmüllerin -- und20 mein häufiges Thee-Ablehnen und Selberabspeisen mit Brod und Wurst oder Butter (da die Leute hier oft genug zu Mittag bitten) gedeiht mir wohl; was werd' ich erst in Baireut bei vollendeter Mäßig- keit und Ruhe an Gesundheit für den Winter aufhäufen! -- Gestern ließ ich mich endlich zu Therese von Winkel auf 1 Stunde erbitten, blieb25 aber ein Paar da, um ihre Doubletten italienischer Meister -- so nenn' ich ihre Kopien -- auszugenießen; und noch eine Stunde muß ich auf das Hören ihres Harfenspiels verwenden. Sie selber hat gar zu wenig Aehnlichkeit mit ihren gemalten Schönheiten, so wie die Tarnow mit ihren gedichteten. -- Wohnen möcht' ich doch nicht hier. -- Hier fängt30 schon das Verreisen an; auch die Recke verreiset auf 14 Tage. -- Böttiger bekam leider durch Gichtversetzung den grauen Staar am linken Auge. Als ich bei der Recke war und er noch gesund: sagte ich, da er unter der Menge nicht auf mich noch Ungesehenen neben Elisa zukam, er habe für alles Augen, nur 2 für mich nicht und nannte ihn35 vor 25 Menschen einen Argus mit 98 Augen. Jetzo erschreck' ich ordent- lich über das prophetisch-spielende Schicksal. --
ſchärfer kenne; und ſehe ſie nicht mehr. Tarnow und ſie ſind Todfein- dinnen. Auch Minna hat längſt, zumal auf Uthe’s Geheiß, mit Ch. gebrochen.
29ten Mai <Mittwoch>
Jetzo, meine Geliebte, gib ja recht Acht, weil mein Abreiſeplan5 folgt. Am Montag wird dieſer Brief bei dir ſein. Beſtelle einen Kutſcher, der Freitags (den 7ten Jun.) abfährt. Weggeld zahl’ ich, aber nicht Futter. Schon 5 f. mehr, nicht. Er muß aber durchaus ſo ankommen, daß er hier einen Nachmittag Raſtzeit hält, auch meines Einpackens wegen. Den erſten Tag fahr’ ich bis Chemnitz, den zweiten bis Plauen,10 dritten zu dir. Befürchte aber nicht ſogleich ein Unglück, wenn ich nicht am beſtimmten Tage ankomme, da vielleicht aber unwahrſcheinlich Herder in Freiberg mich halten könnte. — (Eine Kleinigkeit: mache etwas Leichtes, Flüßiges zum Eſſen, da ich gewöhnlich in der Freude keinen Appetit habe.) Dem Kutſcher gib zwei Krüge Barsac mit. —15 Das Kutſchkäſtchen muß zu verſchließen ſein. — Irgend eine unan- genehme Hausſache berichte mir lieber ſogleich im Briefe, damit ich ſie unterwegs verdaue und meine Edenzeit zu Hauſe mit nichts bewölke.
Meine Mäßigkeit ſogar im Trinken — denn trotz der beſten Weine trink ich hier nicht ſo viel als in Baireut bei der Geigenmüllerin — und20 mein häufiges Thée-Ablehnen und Selberabſpeiſen mit Brod und Wurſt oder Butter (da die Leute hier oft genug zu Mittag bitten) gedeiht mir wohl; was werd’ ich erſt in Baireut bei vollendeter Mäßig- keit und Ruhe an Geſundheit für den Winter aufhäufen! — Geſtern ließ ich mich endlich zu Thereſe von Winkel auf 1 Stunde erbitten, blieb25 aber ein Paar da, um ihre Doubletten italieniſcher Meiſter — ſo nenn’ ich ihre Kopien — auszugenießen; und noch eine Stunde muß ich auf das Hören ihres Harfenſpiels verwenden. Sie ſelber hat gar zu wenig Aehnlichkeit mit ihren gemalten Schönheiten, ſo wie die Tarnow mit ihren gedichteten. — Wohnen möcht’ ich doch nicht hier. — Hier fängt30 ſchon das Verreiſen an; auch die Recke verreiſet auf 14 Tage. — Böttiger bekam leider durch Gichtverſetzung den grauen Staar am linken Auge. Als ich bei der Recke war und er noch geſund: ſagte ich, da er unter der Menge nicht auf mich noch Ungeſehenen neben Elisa zukam, er habe für alles Augen, nur 2 für mich nicht und nannte ihn35 vor 25 Menſchen einen Argus mit 98 Augen. Jetzo erſchreck’ ich ordent- lich über das prophetiſch-ſpielende Schickſal. —
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0189"n="182"/>ſchärfer kenne; und ſehe ſie nicht mehr. <hirendition="#aq">Tarnow</hi> und ſie ſind Todfein-<lb/>
dinnen. Auch <hirendition="#aq">Minna</hi> hat längſt, zumal auf <hirendition="#aq">Uthe’s</hi> Geheiß, mit <hirendition="#aq">Ch.</hi><lb/>
gebrochen.</p><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#right">29<hirendition="#sup">ten</hi> Mai <Mittwoch></hi></dateline><lb/><p>Jetzo, meine Geliebte, gib ja recht Acht, weil mein Abreiſeplan<lbn="5"/>
folgt. Am Montag wird dieſer Brief bei dir ſein. Beſtelle einen Kutſcher,<lb/>
der Freitags (den 7<hirendition="#sup">ten</hi> Jun.) abfährt. Weggeld zahl’ ich, aber nicht<lb/>
Futter. Schon 5 f. mehr, nicht. Er muß aber <hirendition="#g">durchaus ſo ankommen,</hi><lb/>
daß er hier einen Nachmittag Raſtzeit hält, auch meines Einpackens<lb/>
wegen. Den erſten Tag fahr’ ich bis Chemnitz, den zweiten bis Plauen,<lbn="10"/>
dritten zu dir. Befürchte aber nicht ſogleich ein Unglück, wenn ich nicht<lb/>
am beſtimmten Tage ankomme, da vielleicht aber unwahrſcheinlich<lb/><hirendition="#aq">Herder</hi> in <hirendition="#aq">Freiberg</hi> mich halten könnte. — (Eine Kleinigkeit: mache<lb/>
etwas Leichtes, Flüßiges zum Eſſen, da ich gewöhnlich in der Freude<lb/>
keinen Appetit habe.) Dem Kutſcher gib zwei Krüge <hirendition="#aq">Barsac</hi> mit. —<lbn="15"/>
Das Kutſchkäſtchen muß zu verſchließen ſein. — Irgend eine unan-<lb/>
genehme Hausſache berichte mir lieber ſogleich im Briefe, damit ich ſie<lb/>
unterwegs verdaue und meine Edenzeit zu Hauſe mit nichts bewölke.</p><lb/><p>Meine Mäßigkeit ſogar im Trinken — denn trotz der beſten Weine<lb/>
trink ich hier nicht ſo viel als in Baireut bei der Geigenmüllerin — und<lbn="20"/>
mein häufiges Thée-Ablehnen und Selberabſpeiſen mit Brod und<lb/>
Wurſt oder Butter (da die Leute hier oft genug zu Mittag bitten)<lb/>
gedeiht mir wohl; was werd’ ich erſt in <hirendition="#aq">Baireut</hi> bei vollendeter Mäßig-<lb/>
keit und Ruhe an Geſundheit für den Winter aufhäufen! — Geſtern<lb/>
ließ ich mich endlich zu Thereſe von Winkel auf 1 Stunde erbitten, blieb<lbn="25"/>
aber ein Paar da, um ihre Doubletten italieniſcher Meiſter —ſo nenn’<lb/>
ich ihre Kopien — auszugenießen; und noch eine Stunde muß ich auf<lb/>
das Hören ihres Harfenſpiels verwenden. Sie ſelber hat gar zu wenig<lb/>
Aehnlichkeit mit ihren gemalten Schönheiten, ſo wie die Tarnow mit<lb/>
ihren gedichteten. — Wohnen möcht’ ich doch nicht hier. — Hier fängt<lbn="30"/>ſchon das Verreiſen an; auch die <hirendition="#aq">Recke</hi> verreiſet auf 14 Tage. —<lb/>
Böttiger bekam leider durch Gichtverſetzung den grauen Staar am<lb/>
linken Auge. Als ich bei der <hirendition="#aq">Recke</hi> war und er noch geſund: ſagte ich,<lb/>
da er unter der Menge nicht auf mich noch Ungeſehenen neben <hirendition="#aq">Elisa</hi><lb/>
zukam, er habe für alles Augen, nur 2 für mich nicht und nannte ihn<lbn="35"/>
vor 25 Menſchen einen Argus mit 98 Augen. Jetzo erſchreck’ ich ordent-<lb/>
lich über das prophetiſch-ſpielende Schickſal. —</p></div><lb/></div></body></text></TEI>
[182/0189]
ſchärfer kenne; und ſehe ſie nicht mehr. Tarnow und ſie ſind Todfein-
dinnen. Auch Minna hat längſt, zumal auf Uthe’s Geheiß, mit Ch.
gebrochen.
29ten Mai <Mittwoch>
Jetzo, meine Geliebte, gib ja recht Acht, weil mein Abreiſeplan 5
folgt. Am Montag wird dieſer Brief bei dir ſein. Beſtelle einen Kutſcher,
der Freitags (den 7ten Jun.) abfährt. Weggeld zahl’ ich, aber nicht
Futter. Schon 5 f. mehr, nicht. Er muß aber durchaus ſo ankommen,
daß er hier einen Nachmittag Raſtzeit hält, auch meines Einpackens
wegen. Den erſten Tag fahr’ ich bis Chemnitz, den zweiten bis Plauen, 10
dritten zu dir. Befürchte aber nicht ſogleich ein Unglück, wenn ich nicht
am beſtimmten Tage ankomme, da vielleicht aber unwahrſcheinlich
Herder in Freiberg mich halten könnte. — (Eine Kleinigkeit: mache
etwas Leichtes, Flüßiges zum Eſſen, da ich gewöhnlich in der Freude
keinen Appetit habe.) Dem Kutſcher gib zwei Krüge Barsac mit. — 15
Das Kutſchkäſtchen muß zu verſchließen ſein. — Irgend eine unan-
genehme Hausſache berichte mir lieber ſogleich im Briefe, damit ich ſie
unterwegs verdaue und meine Edenzeit zu Hauſe mit nichts bewölke.
Meine Mäßigkeit ſogar im Trinken — denn trotz der beſten Weine
trink ich hier nicht ſo viel als in Baireut bei der Geigenmüllerin — und 20
mein häufiges Thée-Ablehnen und Selberabſpeiſen mit Brod und
Wurſt oder Butter (da die Leute hier oft genug zu Mittag bitten)
gedeiht mir wohl; was werd’ ich erſt in Baireut bei vollendeter Mäßig-
keit und Ruhe an Geſundheit für den Winter aufhäufen! — Geſtern
ließ ich mich endlich zu Thereſe von Winkel auf 1 Stunde erbitten, blieb 25
aber ein Paar da, um ihre Doubletten italieniſcher Meiſter — ſo nenn’
ich ihre Kopien — auszugenießen; und noch eine Stunde muß ich auf
das Hören ihres Harfenſpiels verwenden. Sie ſelber hat gar zu wenig
Aehnlichkeit mit ihren gemalten Schönheiten, ſo wie die Tarnow mit
ihren gedichteten. — Wohnen möcht’ ich doch nicht hier. — Hier fängt 30
ſchon das Verreiſen an; auch die Recke verreiſet auf 14 Tage. —
Böttiger bekam leider durch Gichtverſetzung den grauen Staar am
linken Auge. Als ich bei der Recke war und er noch geſund: ſagte ich,
da er unter der Menge nicht auf mich noch Ungeſehenen neben Elisa
zukam, er habe für alles Augen, nur 2 für mich nicht und nannte ihn 35
vor 25 Menſchen einen Argus mit 98 Augen. Jetzo erſchreck’ ich ordent-
lich über das prophetiſch-ſpielende Schickſal. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/189>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.