Guten Morgen, mein Alter! Damit ich unter einem so holden obwol voreiligen Himmel doch von weitem bei Ihnen bin: schick' ich Ihnen drei Briefe. Mög' alles recht blühen und fruchten im Hause!5
Dieß war vor Ihrem Blättchen geschrieben. Erst um 61/2 Uhr geh ich ins Sonnentheater.
19. An Emanuel.
[Bayreuth, 20. Febr. 1820]
Guten Morgen, mein Alter! Außer dem Briefchen vom trefflichen10 Roth in München schick' ich hier noch eine Bitte, die Ihnen leicht ent- weder zu erfüllen oder abzuschlagen fällt. Ich habe nämlich den Unfall, daß mir jährlich viele Weinflaschen nicht nur leer werden -- wobei ich freilich das Beste thun muß -- sondern auch wegkommen, nachdem sie schon geleert sind. Morgen ist nun ein großes Weinabziehen. Können15 Sie mir dazu nicht etwas Flaschen leihen? Ich will sie gern zuerst weg- trinken und wiederschicken.
20. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Baireut d. 22ten Febr. 1820
Mein Heinrich! Der wirst du mir doch bleiben, trotz meiner langen20 stummen Sünde. Nicht Arbeiten -- denn dieß geht im Winter matt bei mir -- sondern umgekehrt mehr der Mangel an Feuer, wie an Zeit und langen Tagen sind schuld; auch das Schreiben an Max und das viele an meine Frau. Diese kam den 31ten Jenn. zurück, nachdem sie alles wie ein Mann abgemacht. Nur wagt sie leider wie ein Mann. Hinter Witten-25 berg, wo alle Posten still lagen wegen der aus[ge]tretnen Elbe, fuhr sie 2 Stunden lang auf der vom weiten Meere bedeckten Chaussee durch das den Pferden an den Bauch reichende Wasser; ein Fehltritt aus dem unsichtbaren Wege in den Graben begrub sie und sie glaubte sich schon der letzten Stunde geweiht. Der ganze Tag ihrer Ankunft mischte30 in mir Thränen entgegengesetzter Art zusammen, aber verklärte meinen Glauben und Dank an die Vorsehung. -- Das Podagra *) oder viel-
*) Auch über dieses werd' ich ohne Arzt durch meine Mittel Herr; so wie ich in diesem Winter gegen die immer mit dem Wetterglase steigende Diarrhöe (sogar im Sommer) ein allmächtiges Einreibmittel herausgebracht.35
18. An Emanuel.
[Bayreuth, 13. Febr. 1820]
Guten Morgen, mein Alter! Damit ich unter einem ſo holden obwol voreiligen Himmel doch von weitem bei Ihnen bin: ſchick’ ich Ihnen drei Briefe. Mög’ alles recht blühen und fruchten im Hauſe!5
Dieß war vor Ihrem Blättchen geſchrieben. Erſt um 6½ Uhr geh ich ins Sonnentheater.
19. An Emanuel.
[Bayreuth, 20. Febr. 1820]
Guten Morgen, mein Alter! Außer dem Briefchen vom trefflichen10 Roth in München ſchick’ ich hier noch eine Bitte, die Ihnen leicht ent- weder zu erfüllen oder abzuſchlagen fällt. Ich habe nämlich den Unfall, daß mir jährlich viele Weinflaſchen nicht nur leer werden — wobei ich freilich das Beſte thun muß — ſondern auch wegkommen, nachdem ſie ſchon geleert ſind. Morgen iſt nun ein großes Weinabziehen. Können15 Sie mir dazu nicht etwas Flaſchen leihen? Ich will ſie gern zuerſt weg- trinken und wiederſchicken.
20. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Baireut d. 22ten Febr. 1820
Mein Heinrich! Der wirſt du mir doch bleiben, trotz meiner langen20 ſtummen Sünde. Nicht Arbeiten — denn dieß geht im Winter matt bei mir — ſondern umgekehrt mehr der Mangel an Feuer, wie an Zeit und langen Tagen ſind ſchuld; auch das Schreiben an Max und das viele an meine Frau. Dieſe kam den 31ten Jenn. zurück, nachdem ſie alles wie ein Mann abgemacht. Nur wagt ſie leider wie ein Mann. Hinter Witten-25 berg, wo alle Poſten ſtill lagen wegen der aus[ge]tretnen Elbe, fuhr ſie 2 Stunden lang auf der vom weiten Meere bedeckten Chauſſee durch das den Pferden an den Bauch reichende Waſſer; ein Fehltritt aus dem unſichtbaren Wege in den Graben begrub ſie und ſie glaubte ſich ſchon der letzten Stunde geweiht. Der ganze Tag ihrer Ankunft miſchte30 in mir Thränen entgegengeſetzter Art zuſammen, aber verklärte meinen Glauben und Dank an die Vorſehung. — Das Podagra *) oder viel-
*) Auch über dieſes werd’ ich ohne Arzt durch meine Mittel Herr; ſo wie ich in dieſem Winter gegen die immer mit dem Wetterglaſe ſteigende Diarrhöe (ſogar im Sommer) ein allmächtiges Einreibmittel herausgebracht.35
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[Bayreuth, 13. Febr. 1820]
Guten Morgen, mein Alter! Damit ich unter einem ſo holden obwol
voreiligen Himmel doch von weitem bei Ihnen bin: ſchick’ ich Ihnen
drei Briefe. Mög’ alles recht blühen und fruchten im Hauſe! 5
Dieß war vor Ihrem Blättchen geſchrieben. Erſt um 6½ Uhr geh
ich ins Sonnentheater.
19. An Emanuel.
[Bayreuth, 20. Febr. 1820]
Guten Morgen, mein Alter! Außer dem Briefchen vom trefflichen 10
Roth in München ſchick’ ich hier noch eine Bitte, die Ihnen leicht ent-
weder zu erfüllen oder abzuſchlagen fällt. Ich habe nämlich den Unfall,
daß mir jährlich viele Weinflaſchen nicht nur leer werden — wobei ich
freilich das Beſte thun muß — ſondern auch wegkommen, nachdem ſie
ſchon geleert ſind. Morgen iſt nun ein großes Weinabziehen. Können 15
Sie mir dazu nicht etwas Flaſchen leihen? Ich will ſie gern zuerſt weg-
trinken und wiederſchicken.
20. An Heinrich Voß in Heidelberg.
Baireut d. 22ten Febr. 1820
Mein Heinrich! Der wirſt du mir doch bleiben, trotz meiner langen 20
ſtummen Sünde. Nicht Arbeiten — denn dieß geht im Winter matt bei
mir — ſondern umgekehrt mehr der Mangel an Feuer, wie an Zeit und
langen Tagen ſind ſchuld; auch das Schreiben an Max und das viele
an meine Frau. Dieſe kam den 31ten Jenn. zurück, nachdem ſie alles wie
ein Mann abgemacht. Nur wagt ſie leider wie ein Mann. Hinter Witten- 25
berg, wo alle Poſten ſtill lagen wegen der aus[ge]tretnen Elbe, fuhr ſie
2 Stunden lang auf der vom weiten Meere bedeckten Chauſſee durch
das den Pferden an den Bauch reichende Waſſer; ein Fehltritt aus dem
unſichtbaren Wege in den Graben begrub ſie und ſie glaubte ſich
ſchon der letzten Stunde geweiht. Der ganze Tag ihrer Ankunft miſchte 30
in mir Thränen entgegengeſetzter Art zuſammen, aber verklärte meinen
Glauben und Dank an die Vorſehung. — Das Podagra *) oder viel-
*) Auch über dieſes werd’ ich ohne Arzt durch meine Mittel Herr; ſo wie ich in
dieſem Winter gegen die immer mit dem Wetterglaſe ſteigende Diarrhöe (ſogar im
Sommer) ein allmächtiges Einreibmittel herausgebracht. 35
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/17>, abgerufen am 16.02.2025.
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