Dem Throne des gütigsten Königs, welchen ein beglücktes Reich um- gibt, muß sich traurig mit Bitten ein Staatsdiener zu nähern wagen,5 welchem ein fortberaubendes Misgeschick aus 35 Dienstjahren nichts als das Bewußtsein seines Diensteifers und die Hoffnung auf seinen König übrig gelassen -- alles Übrige um ihn und seine Kinder her ist Dürftig- keit und eine finster bewölkte Zukunft.
Euer K. Maj. geruhen allergnädigst, meine Leidensgeschichte ganz10 kurz zu vernehmen; denn es ist Pflicht, vor dem gütigsten der Könige trübe Jahre in Zeilen zusammenzudrängen.
Mein Vater, der Pfalzbaiersche Hofkriegsrath in Manheim, hinter- ließ fünf unerzogne Kinder und Armuth. Im 13ten Jahr wurde ich Kadet; und diente dann als Offizier überhaupt 20 Jahre; und in den15 Feldzügen von 1800, 1805, 1806 und 1807 gegen Frankreich, Öst- reich und Preußen. Das Bombardement von Manheim nahm mir Armen durch Brand meine ganze Habe; und der nothwendige fünfjährige Aufwand als Regiments- und als General-Adjutant häufte zu den alten Schulden neue an.20
Im J[ahre] 1807 wurde ich Oberzollbeamter in Wangen mit der Ein- nahme von 800 fl. und heirathete die Tochter des gleichfalls armen Haupt- manns Bauer; voll Hoffnung und Wunsch, durch Sparen abzuzahlen.
Aber nach 5 Monaten rief mich aus dem wohlfeilen Wangen die Zufriedenheit meiner Obern nach München als Zollbeamter. Die25 Transportkosten -- die Theuerung der Hauptstadt -- die Einquar- tierungen und meine Unterstützung meiner alten Mutter machten mich von neuem ärmer.
Nach drittehalb schweren Jahren wurde ich 1809 als Zollinspektor mit 200 fl. Zulage auf den Frühling nach Nürnberg und auf den Herbst30 nach Bamberg bestimmt.
Die Glückssonne schien wieder durch die Wolken meines Lebens zu brechen; aber sie verschwand sogleich darhinter. Denn als ich schon nach dem Verkauf des Hausgeräthes und nach allen Opfern reisefertig da- stand: begann der östreichische Krieg -- und ich blieb noch ein Jahr in35 München ohne Gehaltszulage.
252. An König Max Joſeph von Bayern.
[Konzept für Heydel][Bayreuth, Anfang März 1822]
p. p.
Dem Throne des gütigſten Königs, welchen ein beglücktes Reich um- gibt, muß ſich traurig mit Bitten ein Staatsdiener zu nähern wagen,5 welchem ein fortberaubendes Misgeſchick aus 35 Dienſtjahren nichts als das Bewußtſein ſeines Dienſteifers und die Hoffnung auf ſeinen König übrig gelaſſen — alles Übrige um ihn und ſeine Kinder her iſt Dürftig- keit und eine finſter bewölkte Zukunft.
Euer K. Maj. geruhen allergnädigſt, meine Leidensgeſchichte ganz10 kurz zu vernehmen; denn es iſt Pflicht, vor dem gütigſten der Könige trübe Jahre in Zeilen zuſammenzudrängen.
Mein Vater, der Pfalzbaierſche Hofkriegsrath in Manheim, hinter- ließ fünf unerzogne Kinder und Armuth. Im 13ten Jahr wurde ich Kadet; und diente dann als Offizier überhaupt 20 Jahre; und in den15 Feldzügen von 1800, 1805, 1806 und 1807 gegen Frankreich, Öſt- reich und Preußen. Das Bombardement von Manheim nahm mir Armen durch Brand meine ganze Habe; und der nothwendige fünfjährige Aufwand als Regiments- und als General-Adjutant häufte zu den alten Schulden neue an.20
Im J[ahre] 1807 wurde ich Oberzollbeamter in Wangen mit der Ein- nahme von 800 fl. und heirathete die Tochter des gleichfalls armen Haupt- manns Bauer; voll Hoffnung und Wunſch, durch Sparen abzuzahlen.
Aber nach 5 Monaten rief mich aus dem wohlfeilen Wangen die Zufriedenheit meiner Obern nach München als Zollbeamter. Die25 Tranſportkoſten — die Theuerung der Hauptſtadt — die Einquar- tierungen und meine Unterſtützung meiner alten Mutter machten mich von neuem ärmer.
Nach drittehalb ſchweren Jahren wurde ich 1809 als Zollinſpektor mit 200 fl. Zulage auf den Frühling nach Nürnberg und auf den Herbſt30 nach Bamberg beſtimmt.
Die Glücksſonne ſchien wieder durch die Wolken meines Lebens zu brechen; aber ſie verſchwand ſogleich darhinter. Denn als ich ſchon nach dem Verkauf des Hausgeräthes und nach allen Opfern reiſefertig da- ſtand: begann der öſtreichiſche Krieg — und ich blieb noch ein Jahr in35 München ohne Gehaltszulage.
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[153/0160]
252. An König Max Joſeph von Bayern.
[Bayreuth, Anfang März 1822]
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Dem Throne des gütigſten Königs, welchen ein beglücktes Reich um-
gibt, muß ſich traurig mit Bitten ein Staatsdiener zu nähern wagen, 5
welchem ein fortberaubendes Misgeſchick aus 35 Dienſtjahren nichts als
das Bewußtſein ſeines Dienſteifers und die Hoffnung auf ſeinen König
übrig gelaſſen — alles Übrige um ihn und ſeine Kinder her iſt Dürftig-
keit und eine finſter bewölkte Zukunft.
Euer K. Maj. geruhen allergnädigſt, meine Leidensgeſchichte ganz 10
kurz zu vernehmen; denn es iſt Pflicht, vor dem gütigſten der Könige
trübe Jahre in Zeilen zuſammenzudrängen.
Mein Vater, der Pfalzbaierſche Hofkriegsrath in Manheim, hinter-
ließ fünf unerzogne Kinder und Armuth. Im 13ten Jahr wurde ich
Kadet; und diente dann als Offizier überhaupt 20 Jahre; und in den 15
Feldzügen von 1800, 1805, 1806 und 1807 gegen Frankreich, Öſt-
reich und Preußen. Das Bombardement von Manheim nahm mir
Armen durch Brand meine ganze Habe; und der nothwendige fünfjährige
Aufwand als Regiments- und als General-Adjutant häufte zu den alten
Schulden neue an. 20
Im J[ahre] 1807 wurde ich Oberzollbeamter in Wangen mit der Ein-
nahme von 800 fl. und heirathete die Tochter des gleichfalls armen Haupt-
manns Bauer; voll Hoffnung und Wunſch, durch Sparen abzuzahlen.
Aber nach 5 Monaten rief mich aus dem wohlfeilen Wangen die
Zufriedenheit meiner Obern nach München als Zollbeamter. Die 25
Tranſportkoſten — die Theuerung der Hauptſtadt — die Einquar-
tierungen und meine Unterſtützung meiner alten Mutter machten mich
von neuem ärmer.
Nach drittehalb ſchweren Jahren wurde ich 1809 als Zollinſpektor
mit 200 fl. Zulage auf den Frühling nach Nürnberg und auf den Herbſt 30
nach Bamberg beſtimmt.
Die Glücksſonne ſchien wieder durch die Wolken meines Lebens zu
brechen; aber ſie verſchwand ſogleich darhinter. Denn als ich ſchon nach
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
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Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/160>, abgerufen am 16.02.2025.
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