Jetzo, da ich Ihren ... Brief zum 2ten male der Antwort wegen durchlese, schmerzt mich mein langes Schweigen doppelt. Aber leider muß ich jeden spät beantworten, dem ein Mskt -- als ein längerer5 Brief -- beiliegt, weil ich da mehr zu beantworten habe als einen kurzen. (Gegenwärtig passen und mahnen neben mir 2 ungedruckte Trauerspiele etc.) Ihr Lehrgedicht zeigt mir den Denker und Dichter zugleich. Einiges, nicht alles was mir gefiel, hab' ich mit einem Blei- strich bemerkt. Das Denken reift an der Zeit, das Dichten zwar weniger,10 aber wol die Künste der Darstellung. Unter diese rechn' ich bei Ihnen besonders Versbau und Sprache; und es fehlt Ihnen daher nichts, als was sich leicht oder auch schwer erwerben läßt, aber nicht das was man geschenkt bekommt vor der Geburt. Machen Sie sich nur alles recht schwer -- unähnlich den Almanachdichtern, die nur sich es leicht machen,15 aber nicht den Lesern -- so wird Ihnen das Leichte und Beste von selber zufallen. In Ihren südlichen Liedern weht ein froher leichter Zephyr; aber ich glaube doch, daß der Mittelpunkt Ihrer Kräfte didaktische Dichtkunst ist. Verzeihen Sie meine Kürze und den davon kommenden Schein des Absprechens. Ich wollte Ihnen heute am Vigilientage vor20 meinem Geburttage nichts sagen als meine Gefühle und Wünsche.
159. An Therese und Benedikt Osmund in Bayreuth.
[Bayreuth, 21. März 1821]
Meine Therese! Mein Benedikt! Wenn Ihr einmal lesen könnt und ich vielleicht [nicht] mehr schreiben kann: so werdet Ihr hier den Dank25 für Euere Blumen am Benedikts Tag 1821 zu Euerer Freude finden
von Jean Paul Friedrich Richter
160. An Emanuel.
[Bayreuth, 21. März 1821]30
Mein guter Emanuel, der mir ja so lange bleibe bis ich keine Geburt- tage mehr feiere! Ihre Kinder werden einmal, wenn sie meine Blätter vom 21ten Märze lesen, fühlen und sagen: "wie gut war unser Vater seinem Richter und wie viele Freude hat er ihm zum ordentlichen
158. An N. G. A. Lehmann in Würzburg.
[Kopie][Bayreuth, 20. März 1821]
Jetzo, da ich Ihren ... Brief zum 2ten male der Antwort wegen durchleſe, ſchmerzt mich mein langes Schweigen doppelt. Aber leider muß ich jeden ſpät beantworten, dem ein Mſkt — als ein längerer5 Brief — beiliegt, weil ich da mehr zu beantworten habe als einen kurzen. (Gegenwärtig paſſen und mahnen neben mir 2 ungedruckte Trauerſpiele ꝛc.) Ihr Lehrgedicht zeigt mir den Denker und Dichter zugleich. Einiges, nicht alles was mir gefiel, hab’ ich mit einem Blei- ſtrich bemerkt. Das Denken reift an der Zeit, das Dichten zwar weniger,10 aber wol die Künſte der Darſtellung. Unter dieſe rechn’ ich bei Ihnen beſonders Versbau und Sprache; und es fehlt Ihnen daher nichts, als was ſich leicht oder auch ſchwer erwerben läßt, aber nicht das was man geſchenkt bekommt vor der Geburt. Machen Sie ſich nur alles recht ſchwer — unähnlich den Almanachdichtern, die nur ſich es leicht machen,15 aber nicht den Leſern — ſo wird Ihnen das Leichte und Beſte von ſelber zufallen. In Ihren ſüdlichen Liedern weht ein froher leichter Zephyr; aber ich glaube doch, daß der Mittelpunkt Ihrer Kräfte didaktiſche Dichtkunſt iſt. Verzeihen Sie meine Kürze und den davon kommenden Schein des Abſprechens. Ich wollte Ihnen heute am Vigilientage vor20 meinem Geburttage nichts ſagen als meine Gefühle und Wünſche.
159. An Thereſe und Benedikt Osmund in Bayreuth.
[Bayreuth, 21. März 1821]
Meine Thereſe! Mein Benedikt! Wenn Ihr einmal leſen könnt und ich vielleicht [nicht] mehr ſchreiben kann: ſo werdet Ihr hier den Dank25 für Euere Blumen am Benedikts Tag 1821 zu Euerer Freude finden
von Jean Paul Friedrich Richter
160. An Emanuel.
[Bayreuth, 21. März 1821]30
Mein guter Emanuel, der mir ja ſo lange bleibe bis ich keine Geburt- tage mehr feiere! Ihre Kinder werden einmal, wenn ſie meine Blätter vom 21ten Märze leſen, fühlen und ſagen: „wie gut war unſer Vater ſeinem Richter und wie viele Freude hat er ihm zum ordentlichen
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158. An N. G. A. Lehmann in Würzburg.
[Bayreuth, 20. März 1821]
Jetzo, da ich Ihren ... Brief zum 2ten male der Antwort wegen
durchleſe, ſchmerzt mich mein langes Schweigen doppelt. Aber leider
muß ich jeden ſpät beantworten, dem ein Mſkt — als ein längerer 5
Brief — beiliegt, weil ich da mehr zu beantworten habe als einen
kurzen. (Gegenwärtig paſſen und mahnen neben mir 2 ungedruckte
Trauerſpiele ꝛc.) Ihr Lehrgedicht zeigt mir den Denker und Dichter
zugleich. Einiges, nicht alles was mir gefiel, hab’ ich mit einem Blei-
ſtrich bemerkt. Das Denken reift an der Zeit, das Dichten zwar weniger, 10
aber wol die Künſte der Darſtellung. Unter dieſe rechn’ ich bei Ihnen
beſonders Versbau und Sprache; und es fehlt Ihnen daher nichts, als
was ſich leicht oder auch ſchwer erwerben läßt, aber nicht das was
man geſchenkt bekommt vor der Geburt. Machen Sie ſich nur alles recht
ſchwer — unähnlich den Almanachdichtern, die nur ſich es leicht machen, 15
aber nicht den Leſern — ſo wird Ihnen das Leichte und Beſte von ſelber
zufallen. In Ihren ſüdlichen Liedern weht ein froher leichter Zephyr;
aber ich glaube doch, daß der Mittelpunkt Ihrer Kräfte didaktiſche
Dichtkunſt iſt. Verzeihen Sie meine Kürze und den davon kommenden
Schein des Abſprechens. Ich wollte Ihnen heute am Vigilientage vor 20
meinem Geburttage nichts ſagen als meine Gefühle und Wünſche.
159. An Thereſe und Benedikt Osmund in Bayreuth.
[Bayreuth, 21. März 1821]
Meine Thereſe! Mein Benedikt! Wenn Ihr einmal leſen könnt und
ich vielleicht [nicht] mehr ſchreiben kann: ſo werdet Ihr hier den Dank 25
für Euere Blumen am Benedikts Tag 1821 zu Euerer Freude finden
von
Jean Paul Friedrich Richter
160. An Emanuel.
[Bayreuth, 21. März 1821] 30
Mein guter Emanuel, der mir ja ſo lange bleibe bis ich keine Geburt-
tage mehr feiere! Ihre Kinder werden einmal, wenn ſie meine Blätter
vom 21ten Märze leſen, fühlen und ſagen: „wie gut war unſer Vater
ſeinem Richter und wie viele Freude hat er ihm zum ordentlichen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe08_1955/111>, abgerufen am 16.02.2025.
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