Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 8. Berlin, 1955.Gebräuche hätte wagen dürfen! Wohl der befreieten Seele, die sich R. 145. An Emanuel. [Bayreuth, 20. Febr. 1821]Guten Morgen, mein Emanuel! Hier schick ich Ihnen statt meiner 146. An Max Richter in Heidelberg. Baireut d. 20ten Febr. 1821Mein guter Sohn! Dein den 6ten abgegangner Brief an Emma kam20 Gebräuche hätte wagen dürfen! Wohl der befreieten Seele, die ſich R. 145. An Emanuel. [Bayreuth, 20. Febr. 1821]Guten Morgen, mein Emanuel! Hier ſchick ich Ihnen ſtatt meiner 146. An Max Richter in Heidelberg. Baireut d. 20ten Febr. 1821Mein guter Sohn! Dein den 6ten abgegangner Brief an Emma kam20 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0101" n="95"/> Gebräuche hätte wagen dürfen! Wohl der befreieten Seele, die ſich<lb/> nicht ein ganzes langes Leben hindurch in der verbaueten Hütte mit<lb/> menſchlichem Bewußtſein hatte martern müſſen! — Jetzo hatte ſie nur<lb/> thieriſches und litt nur wie im Schlafe; und die Eltern erlitten in Einer<lb/> Minute des wachen Zuſehens mehr als das gute Kind. — Einen Troſt<lb n="5"/> haben Sie, das arme Weſen hat von dieſer dürftigen kalten Erde doch<lb/> Ein Gut mitgenommen, die Unſterblichkeit; und in <hi rendition="#g">der</hi> iſt Zeit genug für<lb/> alles Beglücken. — Gott helfe Ihnen und auch mir über den Todten-<lb/> monat — wie die Alten den Februar richtig hießen — hinüber. Gott<lb/> tröſte Sie; und Sie die Mutter!<lb n="10"/> </p> <closer> <salute> <hi rendition="#right">R.</hi> </salute> </closer> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>145. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 20. Febr. 1821]</hi> </dateline><lb/> <p>Guten Morgen, mein <hi rendition="#aq">Emanuel!</hi> Hier ſchick ich Ihnen ſtatt meiner<lb/> etliche Briefe. Ich käme heute abends; aber der mir ſehr feindliche<lb n="15"/> Winter nöthigt mich zu einem Fußbade gegen nächtliche Zahnſchmerzen<lb/> und andern Kälte-Einfluß. Mögen Sie doch alle recht geſund bleiben!</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>146. An <hi rendition="#g">Max Richter in Heidelberg.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Baireut</hi> d. 20<hi rendition="#sup">ten</hi> Febr. 1821</hi> </dateline><lb/> <p>Mein guter Sohn! Dein den 6<hi rendition="#sup">ten</hi> abgegangner Brief an <hi rendition="#aq">Emma</hi> kam<lb n="20"/> den 19<hi rendition="#sup">ten</hi> an. — Zeitmangel und der heutige kälteſte Tag im Winter<lb/> verkürzen meinen Brief. Viele Zufälle verknüpften ſich zur Vergiftung<lb/> des Winters. Ein Oxhofft <hi rendition="#aq">Graves-</hi>Wein mußt’ ich mit Verluſt ver-<lb/> tauſchen, nachdem ich 24 mir ſchädliche Flaſchen davon getrunken;<lb/> aber auch das dafür eingetauſchte <hi rendition="#aq">Feuillett</hi> weißer Burgunder ſchlägt<lb n="25"/> mir nicht zu. Im Herbſte rieth mir mein eigner Körper-Genius ver-<lb/> geblich zur Aderlaß, die einzige Hülfe gegen mein Lungenübel. Zum<lb/> Glücke brachte mich die Hellſeherin <hi rendition="#aq">Kurz</hi> dazu. Am 15<hi rendition="#sup">ten</hi> libierte ich<lb/> noch 4 große Taſſen 〈8 Unzen〉 kräftiges derbes Dreſcherblut von<lb/> vielem Kruor und wenig Serum dem Todtenmonat, wie die Römer den<lb n="30"/> Februar nannten. Die Hellſeherin ſah mein ganzes Innere wie ich es<lb/> im Siebenkäs (<hi rendition="#aq">III p.</hi> 41) beſchrieben und behauptete, daß ohne Ge-<lb/> genmittel Ein Schlagfluß — kein wiederholter — meinen Ekel an der<lb/> leeren Oberfläche <hi rendition="#aq">Baireuts</hi> durch deſſen vollere Unterfläche leicht auf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [95/0101]
Gebräuche hätte wagen dürfen! Wohl der befreieten Seele, die ſich
nicht ein ganzes langes Leben hindurch in der verbaueten Hütte mit
menſchlichem Bewußtſein hatte martern müſſen! — Jetzo hatte ſie nur
thieriſches und litt nur wie im Schlafe; und die Eltern erlitten in Einer
Minute des wachen Zuſehens mehr als das gute Kind. — Einen Troſt 5
haben Sie, das arme Weſen hat von dieſer dürftigen kalten Erde doch
Ein Gut mitgenommen, die Unſterblichkeit; und in der iſt Zeit genug für
alles Beglücken. — Gott helfe Ihnen und auch mir über den Todten-
monat — wie die Alten den Februar richtig hießen — hinüber. Gott
tröſte Sie; und Sie die Mutter! 10
R.
145. An Emanuel.
[Bayreuth, 20. Febr. 1821]
Guten Morgen, mein Emanuel! Hier ſchick ich Ihnen ſtatt meiner
etliche Briefe. Ich käme heute abends; aber der mir ſehr feindliche 15
Winter nöthigt mich zu einem Fußbade gegen nächtliche Zahnſchmerzen
und andern Kälte-Einfluß. Mögen Sie doch alle recht geſund bleiben!
146. An Max Richter in Heidelberg.
Baireut d. 20ten Febr. 1821
Mein guter Sohn! Dein den 6ten abgegangner Brief an Emma kam 20
den 19ten an. — Zeitmangel und der heutige kälteſte Tag im Winter
verkürzen meinen Brief. Viele Zufälle verknüpften ſich zur Vergiftung
des Winters. Ein Oxhofft Graves-Wein mußt’ ich mit Verluſt ver-
tauſchen, nachdem ich 24 mir ſchädliche Flaſchen davon getrunken;
aber auch das dafür eingetauſchte Feuillett weißer Burgunder ſchlägt 25
mir nicht zu. Im Herbſte rieth mir mein eigner Körper-Genius ver-
geblich zur Aderlaß, die einzige Hülfe gegen mein Lungenübel. Zum
Glücke brachte mich die Hellſeherin Kurz dazu. Am 15ten libierte ich
noch 4 große Taſſen 〈8 Unzen〉 kräftiges derbes Dreſcherblut von
vielem Kruor und wenig Serum dem Todtenmonat, wie die Römer den 30
Februar nannten. Die Hellſeherin ſah mein ganzes Innere wie ich es
im Siebenkäs (III p. 41) beſchrieben und behauptete, daß ohne Ge-
genmittel Ein Schlagfluß — kein wiederholter — meinen Ekel an der
leeren Oberfläche Baireuts durch deſſen vollere Unterfläche leicht auf
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(2016-11-22T15:22:18Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:22:18Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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