Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

Bild:
<< vorherige Seite

Denke die Spiele des Geschicks: den 22. März 1768 starb mein
größter komischer Lehrer Sterne. --

Herzlich freue ich mich, guter Otto, dich abends bei der Schubert
zu finden. Es gehe dir wol!

R.
163. An Emanuel.5

Mein geliebtester Emanuel! Wie schön leben und bleiben wir
beisammen! Vor vielen Jahren hätt' ich an jenem dunkeln Abend
am Krankenbette nicht eine solche Welt von Freuden und Liebe
in der Knospe zu finden gehofft. Dank, altes Herz und schlage immer10
froher; und -- wie ich sehe -- erfüllt auch Gott unserer aller Wünsche
für dieses Herz.

R.
164. An Emanuel.

Guten Morgen, mein freundlichster Emanuel! Unter allen an-15
kommenden Briefen sind die Ihrer Seelenschwester mir die schön-
sten, hellsten, reinsten, ächtesten und wärmsten. Ich sehne mich
ordentlich nach ihrem Auge und Tone. Kann sie keinen Stiefbruder
gebrauchen? Sie könnte mich haben. -- Und gerade so wie Sie,
lieber Alter, mit der unbefangnen Ergießung, die an nichts denkt20
als an das Herz, in das sie fließt, muß man an sie schreiben. Gott
hebt Ihnen einen reichen Frühling auf. -- Die arme Renata!
Solche Mutterschmerzen hat sie nicht verdient.

165. An C. Fr. Kunz in Bamberg.
25

Im zurückgeschickten Kästchen war freilich nicht viel neues, wenn
ich den schönen Dachziegel ausnehme. Viele Stillingiana sind
Dachziegel-Surrogate. Indeß brauchen wir vielleicht den Stein
gar nicht, da das Kästchen schon mit 16 Pfunden -- ich hätte beinahe
16 Ahnen geschrieben -- fuhrwagenfähig wird. Auf der einen Seite30
begreif ich es leicht, daß Sie mir gar nichts Neues geschickt, weil
ich es für den schnellen Umtrieb allerdings immer viel zu lange be-
halte; und ich werde am Ende meinen alten Vorsatz ausführen,

Denke die Spiele des Geſchicks: den 22. März 1768 ſtarb mein
größter komiſcher Lehrer Sterne.

Herzlich freue ich mich, guter Otto, dich abends bei der Schubert
zu finden. Es gehe dir wol!

R.
163. An Emanuel.5

Mein geliebteſter Emanuel! Wie ſchön leben und bleiben wir
beiſammen! Vor vielen Jahren hätt’ ich an jenem dunkeln Abend
am Krankenbette nicht eine ſolche Welt von Freuden und Liebe
in der Knoſpe zu finden gehofft. Dank, altes Herz und ſchlage immer10
froher; und — wie ich ſehe — erfüllt auch Gott unſerer aller Wünſche
für dieſes Herz.

R.
164. An Emanuel.

Guten Morgen, mein freundlichſter Emanuel! Unter allen an-15
kommenden Briefen ſind die Ihrer Seelenſchweſter mir die ſchön-
ſten, hellſten, reinſten, ächteſten und wärmſten. Ich ſehne mich
ordentlich nach ihrem Auge und Tone. Kann ſie keinen Stiefbruder
gebrauchen? Sie könnte mich haben. — Und gerade ſo wie Sie,
lieber Alter, mit der unbefangnen Ergießung, die an nichts denkt20
als an das Herz, in das ſie fließt, muß man an ſie ſchreiben. Gott
hebt Ihnen einen reichen Frühling auf. — Die arme Renata!
Solche Mutterſchmerzen hat ſie nicht verdient.

165. An C. Fr. Kunz in Bamberg.
25

Im zurückgeſchickten Käſtchen war freilich nicht viel neues, wenn
ich den ſchönen Dachziegel ausnehme. Viele Stillingiana ſind
Dachziegel-Surrogate. Indeß brauchen wir vielleicht den Stein
gar nicht, da das Käſtchen ſchon mit 16 Pfunden — ich hätte beinahe
16 Ahnen geſchrieben — fuhrwagenfähig wird. Auf der einen Seite30
begreif ich es leicht, daß Sie mir gar nichts Neues geſchickt, weil
ich es für den ſchnellen Umtrieb allerdings immer viel zu lange be-
halte; und ich werde am Ende meinen alten Vorſatz ausführen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="62"/>
Denke die Spiele des Ge&#x017F;chicks: den 22. März 1768 &#x017F;tarb mein<lb/>
größter komi&#x017F;cher Lehrer <hi rendition="#aq">Sterne.</hi> &#x2014;</p><lb/>
        <p>Herzlich freue ich mich, guter Otto, dich abends bei der <hi rendition="#aq">Schubert</hi><lb/>
zu finden. Es gehe dir wol!</p>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">R.</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>163. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi><lb n="5"/>
</head>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 21. März 1816]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Mein geliebte&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Emanuel!</hi> Wie &#x017F;chön leben und bleiben wir<lb/>
bei&#x017F;ammen! Vor vielen Jahren hätt&#x2019; ich an jenem dunkeln Abend<lb/>
am Krankenbette nicht eine &#x017F;olche Welt von Freuden und Liebe<lb/>
in der Kno&#x017F;pe zu finden gehofft. Dank, altes Herz und &#x017F;chlage immer<lb n="10"/>
froher; und &#x2014; wie ich &#x017F;ehe &#x2014; erfüllt auch Gott un&#x017F;erer aller Wün&#x017F;che<lb/>
für die&#x017F;es Herz.</p>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">R.</hi> </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>164. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 26. März 1816]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Guten Morgen, mein freundlich&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Emanuel!</hi> Unter allen an-<lb n="15"/>
kommenden Briefen &#x017F;ind die Ihrer Seelen&#x017F;chwe&#x017F;ter mir die &#x017F;chön-<lb/>
&#x017F;ten, hell&#x017F;ten, rein&#x017F;ten, ächte&#x017F;ten und wärm&#x017F;ten. Ich &#x017F;ehne mich<lb/>
ordentlich nach ihrem Auge und Tone. Kann &#x017F;ie keinen Stiefbruder<lb/>
gebrauchen? Sie könnte mich haben. &#x2014; Und gerade &#x017F;o wie Sie,<lb/>
lieber Alter, mit <hi rendition="#g">der</hi> unbefangnen Ergießung, die an nichts denkt<lb n="20"/>
als an das Herz, in das &#x017F;ie fließt, muß man an &#x017F;ie &#x017F;chreiben. Gott<lb/>
hebt Ihnen einen reichen Frühling auf. &#x2014; Die arme Renata!<lb/><hi rendition="#g">Solche</hi> Mutter&#x017F;chmerzen hat &#x017F;ie nicht verdient.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>165. An C. <hi rendition="#g">Fr. Kunz in Bamberg.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Baireuth</hi> d. 26 März 1816</hi> </dateline>
        <lb n="25"/>
        <p>Im zurückge&#x017F;chickten Kä&#x017F;tchen war freilich nicht viel neues, wenn<lb/>
ich den &#x017F;chönen Dachziegel ausnehme. <hi rendition="#g">Viele</hi> <hi rendition="#aq">Stillingiana</hi> &#x017F;ind<lb/>
Dachziegel-Surrogate. Indeß brauchen wir vielleicht den Stein<lb/>
gar nicht, da das Kä&#x017F;tchen &#x017F;chon mit 16 Pfunden &#x2014; ich hätte beinahe<lb/>
16 Ahnen ge&#x017F;chrieben &#x2014; fuhrwagenfähig wird. Auf der einen Seite<lb n="30"/>
begreif ich es leicht, daß Sie mir gar nichts Neues ge&#x017F;chickt, weil<lb/>
ich es für den &#x017F;chnellen Umtrieb allerdings immer viel zu lange be-<lb/>
halte; und ich werde am Ende meinen alten Vor&#x017F;atz ausführen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0067] Denke die Spiele des Geſchicks: den 22. März 1768 ſtarb mein größter komiſcher Lehrer Sterne. — Herzlich freue ich mich, guter Otto, dich abends bei der Schubert zu finden. Es gehe dir wol! R. 163. An Emanuel. 5 [Bayreuth, 21. März 1816] Mein geliebteſter Emanuel! Wie ſchön leben und bleiben wir beiſammen! Vor vielen Jahren hätt’ ich an jenem dunkeln Abend am Krankenbette nicht eine ſolche Welt von Freuden und Liebe in der Knoſpe zu finden gehofft. Dank, altes Herz und ſchlage immer 10 froher; und — wie ich ſehe — erfüllt auch Gott unſerer aller Wünſche für dieſes Herz. R. 164. An Emanuel. [Bayreuth, 26. März 1816] Guten Morgen, mein freundlichſter Emanuel! Unter allen an- 15 kommenden Briefen ſind die Ihrer Seelenſchweſter mir die ſchön- ſten, hellſten, reinſten, ächteſten und wärmſten. Ich ſehne mich ordentlich nach ihrem Auge und Tone. Kann ſie keinen Stiefbruder gebrauchen? Sie könnte mich haben. — Und gerade ſo wie Sie, lieber Alter, mit der unbefangnen Ergießung, die an nichts denkt 20 als an das Herz, in das ſie fließt, muß man an ſie ſchreiben. Gott hebt Ihnen einen reichen Frühling auf. — Die arme Renata! Solche Mutterſchmerzen hat ſie nicht verdient. 165. An C. Fr. Kunz in Bamberg. Baireuth d. 26 März 1816 25 Im zurückgeſchickten Käſtchen war freilich nicht viel neues, wenn ich den ſchönen Dachziegel ausnehme. Viele Stillingiana ſind Dachziegel-Surrogate. Indeß brauchen wir vielleicht den Stein gar nicht, da das Käſtchen ſchon mit 16 Pfunden — ich hätte beinahe 16 Ahnen geſchrieben — fuhrwagenfähig wird. Auf der einen Seite 30 begreif ich es leicht, daß Sie mir gar nichts Neues geſchickt, weil ich es für den ſchnellen Umtrieb allerdings immer viel zu lange be- halte; und ich werde am Ende meinen alten Vorſatz ausführen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/67
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/67>, abgerufen am 28.04.2024.