Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

Bild:
<< vorherige Seite

Und diese gütige, diese mächtige Hand wird ihm sein Landes Vater
reichen. Mit tiefster Ehrfurcht

Eurer Königlichen Majestät
allerunterthänigst-treugehorsamer
Jean Paul Fr. Richter
5
84. An Graf Montgelas.
[Kopie]

Ew. Ex[zellenz] bitt' ich um die Gnade, unter der Menge so vieler
wichtigen Angelegenheiten, welche Ihren Blick erwarten, auch einen
flüchtigen auf eine kleine zu werfen. Möcht' ich meine Bittschrift10
so kurz machen als eine Antwort auf eine ist!

Im Jahre 1808 wurde mir vom Fürsten-Primas eine jährliche
Pension von 1000 fl. rh. aus der Zivilliste bewilligt, um den arm-
gebornen Schriftsteller nach 25 Jahren schriftstellerischer Arbeiten
in armmachenden Zeiten zu unterstützen.15

Nach der Abdankung des Großherzogs von Frankfurt wurde mir
die Pension von dem provisorischen Gouvernement blos bis Ende
J. 1813 ausgezahlt; und ich mußte seitdem die Lasten der Zeit,
besonders des Kriegs allein und ohne andere Hülfe als die geringe
tragen, welche der gesunkene Buchhandel geben konnte.20

Nach anderthalb Jahren Verlust darf ich mir vielleicht aus fol-
genden Gründen die kühne Hoffnung und Bitte der wiederkehrenden
Unterstützung durch meinen Landes Vater erlauben.

Ich bin ein gebornes Landes Kind Seiner königlichen M[ajestät]
aus Wonsiedel gebürtig. Nie hab' ich, nachdem ich 30 Jahre lang25
für Religion, Dichtkunst und Philosophie mit einiger Zufriedenheit
Deutschlands gearbeitet, von meinem Vaterlande eine Unter-
stützung erhalten, sondern blos in ihm die auswärtige und meinen
schriftstellerischen Erwerb verwandt.

Da nun jetzo das Fürstenthum, dessen Fürst mir die erste und ein-30
zige gegönnt, auch ein Theil meines Vaterlandes geworden: so hab'
ich vor E[uer] Ex[zellenz], die Sie das Licht- und Sonnensystem der
Wissenschaften von den Akademien an bis zu den Landschulen herab
gleichsam als eine geistige Milchstraße heruntergeführt und mit
unermüdeter Kraft fest erhalten, vielleicht meine Hoffnungen mehr35
vorzutragen als zu entschuldigen nöthig.

Und dieſe gütige, dieſe mächtige Hand wird ihm ſein Landes Vater
reichen. Mit tiefſter Ehrfurcht

Eurer Königlichen Majeſtät
allerunterthänigſt-treugehorſamer
Jean Paul Fr. Richter
5
84. An Graf Montgelas.
[Kopie]

Ew. Ex[zellenz] bitt’ ich um die Gnade, unter der Menge ſo vieler
wichtigen Angelegenheiten, welche Ihren Blick erwarten, auch einen
flüchtigen auf eine kleine zu werfen. Möcht’ ich meine Bittſchrift10
ſo kurz machen als eine Antwort auf eine iſt!

Im Jahre 1808 wurde mir vom Fürſten-Primas eine jährliche
Penſion von 1000 fl. rh. aus der Zivilliſte bewilligt, um den arm-
gebornen Schriftſteller nach 25 Jahren ſchriftſtelleriſcher Arbeiten
in armmachenden Zeiten zu unterſtützen.15

Nach der Abdankung des Großherzogs von Frankfurt wurde mir
die Penſion von dem proviſoriſchen Gouvernement blos bis Ende
J. 1813 ausgezahlt; und ich mußte ſeitdem die Laſten der Zeit,
beſonders des Kriegs allein und ohne andere Hülfe als die geringe
tragen, welche der geſunkene Buchhandel geben konnte.20

Nach anderthalb Jahren Verluſt darf ich mir vielleicht aus fol-
genden Gründen die kühne Hoffnung und Bitte der wiederkehrenden
Unterſtützung durch meinen Landes Vater erlauben.

Ich bin ein gebornes Landes Kind Seiner königlichen M[ajeſtät]
aus Wonſiedel gebürtig. Nie hab’ ich, nachdem ich 30 Jahre lang25
für Religion, Dichtkunſt und Philoſophie mit einiger Zufriedenheit
Deutſchlands gearbeitet, von meinem Vaterlande eine Unter-
ſtützung erhalten, ſondern blos in ihm die auswärtige und meinen
ſchriftſtelleriſchen Erwerb verwandt.

Da nun jetzo das Fürſtenthum, deſſen Fürſt mir die erſte und ein-30
zige gegönnt, auch ein Theil meines Vaterlandes geworden: ſo hab’
ich vor E[uer] Ex[zellenz], die Sie das Licht- und Sonnenſyſtem der
Wiſſenſchaften von den Akademien an bis zu den Landſchulen herab
gleichſam als eine geiſtige Milchſtraße heruntergeführt und mit
unermüdeter Kraft feſt erhalten, vielleicht meine Hoffnungen mehr35
vorzutragen als zu entſchuldigen nöthig.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <pb facs="#f0037" n="32"/>
        <p>Und die&#x017F;e gütige, die&#x017F;e mächtige Hand wird ihm &#x017F;ein Landes Vater<lb/>
reichen. Mit tief&#x017F;ter Ehrfurcht</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Eurer Königlichen Maje&#x017F;tät<lb/>
allerunterthänig&#x017F;t-treugehor&#x017F;amer<lb/>
Jean Paul Fr. Richter</hi> </salute>
          <lb n="5"/>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>84. An <hi rendition="#g">Graf Montgelas.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 8. Sept. 1815]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Ew. Ex[zellenz] bitt&#x2019; ich um die Gnade, unter der Menge &#x017F;o vieler<lb/>
wichtigen Angelegenheiten, welche Ihren Blick erwarten, auch einen<lb/>
flüchtigen auf eine kleine zu werfen. Möcht&#x2019; ich meine Bitt&#x017F;chrift<lb n="10"/>
&#x017F;o kurz machen als eine Antwort auf eine i&#x017F;t!</p><lb/>
        <p>Im Jahre 1808 wurde mir vom Für&#x017F;ten-Primas eine jährliche<lb/>
Pen&#x017F;ion von 1000 fl. rh. aus der Zivilli&#x017F;te bewilligt, um den arm-<lb/>
gebornen Schrift&#x017F;teller nach 25 Jahren &#x017F;chrift&#x017F;telleri&#x017F;cher Arbeiten<lb/>
in armmachenden Zeiten zu unter&#x017F;tützen.<lb n="15"/>
</p>
        <p>Nach der Abdankung des Großherzogs von Frankfurt wurde mir<lb/>
die Pen&#x017F;ion von dem provi&#x017F;ori&#x017F;chen Gouvernement blos bis Ende<lb/>
J. 1813 ausgezahlt; und ich mußte &#x017F;eitdem die La&#x017F;ten der Zeit,<lb/>
be&#x017F;onders des Kriegs allein und ohne andere Hülfe als die geringe<lb/>
tragen, welche der ge&#x017F;unkene Buchhandel geben konnte.<lb n="20"/>
</p>
        <p>Nach anderthalb Jahren Verlu&#x017F;t darf ich mir vielleicht aus fol-<lb/>
genden Gründen die kühne Hoffnung und Bitte der wiederkehrenden<lb/>
Unter&#x017F;tützung durch meinen Landes Vater erlauben.</p><lb/>
        <p>Ich bin ein gebornes Landes Kind Seiner königlichen M[aje&#x017F;tät]<lb/>
aus Won&#x017F;iedel gebürtig. Nie hab&#x2019; ich, nachdem ich 30 Jahre lang<lb n="25"/>
für Religion, Dichtkun&#x017F;t und Philo&#x017F;ophie mit einiger Zufriedenheit<lb/>
Deut&#x017F;chlands gearbeitet, von meinem Vaterlande eine Unter-<lb/>
&#x017F;tützung erhalten, &#x017F;ondern blos in ihm die auswärtige und meinen<lb/>
&#x017F;chrift&#x017F;telleri&#x017F;chen Erwerb verwandt.</p><lb/>
        <p>Da nun jetzo das Für&#x017F;tenthum, de&#x017F;&#x017F;en Für&#x017F;t mir die er&#x017F;te und ein-<lb n="30"/>
zige gegönnt, auch ein Theil meines Vaterlandes geworden: &#x017F;o hab&#x2019;<lb/>
ich vor E[uer] Ex[zellenz], die Sie das Licht- und Sonnen&#x017F;y&#x017F;tem der<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften von den Akademien an bis zu den Land&#x017F;chulen herab<lb/>
gleich&#x017F;am als eine gei&#x017F;tige Milch&#x017F;traße heruntergeführt und mit<lb/>
unermüdeter Kraft fe&#x017F;t erhalten, vielleicht meine Hoffnungen mehr<lb n="35"/>
vorzutragen als zu ent&#x017F;chuldigen nöthig.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0037] Und dieſe gütige, dieſe mächtige Hand wird ihm ſein Landes Vater reichen. Mit tiefſter Ehrfurcht Eurer Königlichen Majeſtät allerunterthänigſt-treugehorſamer Jean Paul Fr. Richter 5 84. An Graf Montgelas. [Bayreuth, 8. Sept. 1815] Ew. Ex[zellenz] bitt’ ich um die Gnade, unter der Menge ſo vieler wichtigen Angelegenheiten, welche Ihren Blick erwarten, auch einen flüchtigen auf eine kleine zu werfen. Möcht’ ich meine Bittſchrift 10 ſo kurz machen als eine Antwort auf eine iſt! Im Jahre 1808 wurde mir vom Fürſten-Primas eine jährliche Penſion von 1000 fl. rh. aus der Zivilliſte bewilligt, um den arm- gebornen Schriftſteller nach 25 Jahren ſchriftſtelleriſcher Arbeiten in armmachenden Zeiten zu unterſtützen. 15 Nach der Abdankung des Großherzogs von Frankfurt wurde mir die Penſion von dem proviſoriſchen Gouvernement blos bis Ende J. 1813 ausgezahlt; und ich mußte ſeitdem die Laſten der Zeit, beſonders des Kriegs allein und ohne andere Hülfe als die geringe tragen, welche der geſunkene Buchhandel geben konnte. 20 Nach anderthalb Jahren Verluſt darf ich mir vielleicht aus fol- genden Gründen die kühne Hoffnung und Bitte der wiederkehrenden Unterſtützung durch meinen Landes Vater erlauben. Ich bin ein gebornes Landes Kind Seiner königlichen M[ajeſtät] aus Wonſiedel gebürtig. Nie hab’ ich, nachdem ich 30 Jahre lang 25 für Religion, Dichtkunſt und Philoſophie mit einiger Zufriedenheit Deutſchlands gearbeitet, von meinem Vaterlande eine Unter- ſtützung erhalten, ſondern blos in ihm die auswärtige und meinen ſchriftſtelleriſchen Erwerb verwandt. Da nun jetzo das Fürſtenthum, deſſen Fürſt mir die erſte und ein- 30 zige gegönnt, auch ein Theil meines Vaterlandes geworden: ſo hab’ ich vor E[uer] Ex[zellenz], die Sie das Licht- und Sonnenſyſtem der Wiſſenſchaften von den Akademien an bis zu den Landſchulen herab gleichſam als eine geiſtige Milchſtraße heruntergeführt und mit unermüdeter Kraft feſt erhalten, vielleicht meine Hoffnungen mehr 35 vorzutragen als zu entſchuldigen nöthig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/37
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/37>, abgerufen am 20.04.2024.