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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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spreche), konnte aber kaum in der Jugend schön gewesen sein. --
Dem Könige lass' ich mich nicht vorstellen; er liest wenig und hat
nur einige Offiziere bei sich. Eine Herzogin ... ich weiß nicht welche
auf dem Lande -- will mich durch Matthison sehen und kann machen,
daß ich Hosen anziehe, die ich seit drei Jahre[n] vergeblich im Koffer5
herum fahre. -- Seit gestern und heute (und fast immer) genießen
wir liebliches Regenwetter und ich wäre das glücklichste Wesen von
der Welt, wenn ich eine Krautpflanze wäre oder ein Gerstenfeld. --
Sage dem Eisenhut, daß er sich in der 1ten Woche des Julius
bereit hält für mich, aber durchaus seinen Sohn muß ich haben,10
nicht einmal den Vater. -- Lasse jetzo an 50 Maß Bier abziehen
und gieße in das Weinfaß eine Flasche guten Wein nach. -- Vergiß
ja nicht bei Schwabacher die Wechselsache. -- Otto möge doch
Krausen sagen, daß ich, wenn ich da gewesen wäre, gern mit Jacob
zu ihm gegangen wäre. Wahrlich bei meiner Verarmung an ge-15
lehrter Gesellschaft in Baireut muß ich Gott für jeden Ersatz danken.
-- Hätt' ich den Festtag meiner geliebten Odilie, die [ich] wenigstens
in der Abendmalkleidung sehen muß, abwarten wollen: so hätt'
ich deiner Einpacknoth wegen durchaus erst am Mittwoch abreisen
können; und da hätt' es geregnet und ich wäre -- zu Hause geblieben,20
was freilich das Gescheidtere gewesen wäre. -- Wie könnt' ich an
die Schweiz denken? Um mir nur weiß zu machen, eine Nebellinie
von ihr am Horizonte zu sehen, müßt ich wenigstens einen Tag lang
reisen. -- Mein Briefchen an Breul hast du doch übergeben? --
Meinen guten Kinderlein kann ich jetzo nicht antworten, nur danken;25
und das Gutsein des Max ist mir zugleich erwartet und erfreulich. --
Schreibe mir etwas, was dich -- und folglich mich -- erfreuet. --
Und so will ich denn meine hiesigen Wochen weiter hinduseln, und
dann die Baireuter, bis die ganze Narrheit vorbei ist.

Es gehe dir wol, liebe Karoline!30

R.

Grüße meine beiden Freunde und die herrliche Welden.

Was schreibt dein Vater? -- Ich bin schon 3 Abende zu Hause
geblieben, ob mich gleich die Huber gestern zu Tautphaeus nehmen
wollte; auch bei Paulus bin ich seit dem ersten Besuche nicht wieder35
gewesen.

Ist der Vogel oder ein Frosch verhungert oder gar niemand?

18 Jean Paul Briefe. VII.

ſpreche), konnte aber kaum in der Jugend ſchön geweſen ſein. —
Dem Könige laſſ’ ich mich nicht vorſtellen; er lieſt wenig und hat
nur einige Offiziere bei ſich. Eine Herzogin ... ich weiß nicht welche
auf dem Lande — will mich durch Matthiſon ſehen und kann machen,
daß ich Hoſen anziehe, die ich ſeit drei Jahre[n] vergeblich im Koffer5
herum fahre. — Seit geſtern und heute (und faſt immer) genießen
wir liebliches Regenwetter und ich wäre das glücklichſte Weſen von
der Welt, wenn ich eine Krautpflanze wäre oder ein Gerſtenfeld. —
Sage dem Eisenhut, daß er ſich in der 1ten Woche des Julius
bereit hält für mich, aber durchaus ſeinen Sohn muß ich haben,10
nicht einmal den Vater. — Laſſe jetzo an 50 Maß Bier abziehen
und gieße in das Weinfaß eine Flaſche guten Wein nach. — Vergiß
ja nicht bei Schwabacher die Wechſelſache. — Otto möge doch
Krausen ſagen, daß ich, wenn ich da geweſen wäre, gern mit Jacob
zu ihm gegangen wäre. Wahrlich bei meiner Verarmung an ge-15
lehrter Geſellſchaft in Baireut muß ich Gott für jeden Erſatz danken.
— Hätt’ ich den Feſttag meiner geliebten Odilie, die [ich] wenigſtens
in der Abendmalkleidung ſehen muß, abwarten wollen: ſo hätt’
ich deiner Einpacknoth wegen durchaus erſt am Mittwoch abreiſen
können; und da hätt’ es geregnet und ich wäre — zu Hauſe geblieben,20
was freilich das Geſcheidtere geweſen wäre. — Wie könnt’ ich an
die Schweiz denken? Um mir nur weiß zu machen, eine Nebellinie
von ihr am Horizonte zu ſehen, müßt ich wenigſtens einen Tag lang
reiſen. — Mein Briefchen an Breul haſt du doch übergeben? —
Meinen guten Kinderlein kann ich jetzo nicht antworten, nur danken;25
und das Gutſein des Max iſt mir zugleich erwartet und erfreulich. —
Schreibe mir etwas, was dich — und folglich mich — erfreuet. —
Und ſo will ich denn meine hieſigen Wochen weiter hinduſeln, und
dann die Baireuter, bis die ganze Narrheit vorbei iſt.

Es gehe dir wol, liebe Karoline!30

R.

Grüße meine beiden Freunde und die herrliche Welden.

Was ſchreibt dein Vater? — Ich bin ſchon 3 Abende zu Hauſe
geblieben, ob mich gleich die Huber geſtern zu Tautphaeus nehmen
wollte; auch bei Paulus bin ich ſeit dem erſten Beſuche nicht wieder35
geweſen.

Iſt der Vogel oder ein Froſch verhungert oder gar niemand?

18 Jean Paul Briefe. VII.
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[273/0281] ſpreche), konnte aber kaum in der Jugend ſchön geweſen ſein. — Dem Könige laſſ’ ich mich nicht vorſtellen; er lieſt wenig und hat nur einige Offiziere bei ſich. Eine Herzogin ... ich weiß nicht welche auf dem Lande — will mich durch Matthiſon ſehen und kann machen, daß ich Hoſen anziehe, die ich ſeit drei Jahre[n] vergeblich im Koffer 5 herum fahre. — Seit geſtern und heute (und faſt immer) genießen wir liebliches Regenwetter und ich wäre das glücklichſte Weſen von der Welt, wenn ich eine Krautpflanze wäre oder ein Gerſtenfeld. — Sage dem Eisenhut, daß er ſich in der 1ten Woche des Julius bereit hält für mich, aber durchaus ſeinen Sohn muß ich haben, 10 nicht einmal den Vater. — Laſſe jetzo an 50 Maß Bier abziehen und gieße in das Weinfaß eine Flaſche guten Wein nach. — Vergiß ja nicht bei Schwabacher die Wechſelſache. — Otto möge doch Krausen ſagen, daß ich, wenn ich da geweſen wäre, gern mit Jacob zu ihm gegangen wäre. Wahrlich bei meiner Verarmung an ge- 15 lehrter Geſellſchaft in Baireut muß ich Gott für jeden Erſatz danken. — Hätt’ ich den Feſttag meiner geliebten Odilie, die [ich] wenigſtens in der Abendmalkleidung ſehen muß, abwarten wollen: ſo hätt’ ich deiner Einpacknoth wegen durchaus erſt am Mittwoch abreiſen können; und da hätt’ es geregnet und ich wäre — zu Hauſe geblieben, 20 was freilich das Geſcheidtere geweſen wäre. — Wie könnt’ ich an die Schweiz denken? Um mir nur weiß zu machen, eine Nebellinie von ihr am Horizonte zu ſehen, müßt ich wenigſtens einen Tag lang reiſen. — Mein Briefchen an Breul haſt du doch übergeben? — Meinen guten Kinderlein kann ich jetzo nicht antworten, nur danken; 25 und das Gutſein des Max iſt mir zugleich erwartet und erfreulich. — Schreibe mir etwas, was dich — und folglich mich — erfreuet. — Und ſo will ich denn meine hieſigen Wochen weiter hinduſeln, und dann die Baireuter, bis die ganze Narrheit vorbei iſt. Es gehe dir wol, liebe Karoline! 30 R. Grüße meine beiden Freunde und die herrliche Welden. Was ſchreibt dein Vater? — Ich bin ſchon 3 Abende zu Hauſe geblieben, ob mich gleich die Huber geſtern zu Tautphaeus nehmen wollte; auch bei Paulus bin ich ſeit dem erſten Beſuche nicht wieder 35 geweſen. Iſt der Vogel oder ein Froſch verhungert oder gar niemand? 18 Jean Paul Briefe. VII.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/281>, abgerufen am 12.05.2024.