größere Schwierigkeit wären die Schlafstellen. Die Reisekosten würden sich verdoppeln, welche so groß sind, daß ich in Anspach für ein elendes Abendessen 2 fl. 12 kr. zahlen müssen. Das Mittagessen kostet gewöhnlich 1 fl. Lasse mir das Bißchen Bequemlichkeit, da ich ohnehin so gar froh nicht bin, schon wegen des dummen Wetters.5 Emma ist noch jung genug, um 1000 mal besser die Welt zu genießen als ihr armgeborner Vater. Auch wär' es mir gar nicht lieb, wenn deine Einsamkeit gar verdreifacht würde. -- Gott gebe, daß dir niemand aus wolwollender Einfalt zuredet!
Hier wird man aus den Thees gewöhnlich ohne Abendbrod heim-10 geschickt, das ich dann für einige Groschen im Gasthofe suchen muß. Gott! wie hungert mich nach einem Stückchen bair[euter] Bäcker- brod. Das hiesige -- blos aus Dinkel gebacken und ungesalzen -- schmeckt ungefähr wie getrockneter Kleister oder papier mache; und doch würgte ich es einige Abende -- aus Sparsamkeit -- mit15 einem Stückchen Wurst hinein. Die hiesigen Milchbrödchen schmecken wie euere Semmeln. Ich könnte mir wol abends hier kochen lassen, aber der gute Mohr ißt schon um 6 Uhr; also kann ich ihm diesen Feueraufwand nicht zumuthen. Mein guter Kaffee kostet mit allem mir bei ihm 12 kr. Das gefälligste dienstfertigste20 Ehepaar, so wie die 17jährige Magd, von der alle Baireuter Mägde Ordnung und Eile lernen könnten. Sogar lieber als im Wenner- schen Hause ist mir dieses häusliche Still- und Kleinleben. -- Ich habe gar zu viel zu erzählen und so wenig Zeit. Der Tisch liegt voll Bücher aus der Bibliothek und von der Huber etc.etc. -- Das Besuchen25 am Morgen hört nicht auf und ich bin zuweilen von 2 bis 10 außer Haus -- Arbeiten will ich auch ein wenig -- Nehme doch ja O[tto] und E[manuel] mein Schweigen nicht übel, zumal da ich in den Briefen an dich manches für sie schreibe. -- Gestern als ich auf der Silberburg (ein öffentlicher Lustberg mit Gärten, wo jeden Sonn-30 abend Konzert ist) arbeitete, kamen 3 Deputierte der Tübingischen Studenten an, um mich zur Feier des 18ten dahin einzuladen mittelst eines sehr schönen Schreibens; ich schlug es natürlich mit vieler Artig- keit und Wendung ab. -- Bekannt und geliebt bin ich hier hinlänglich und in jeder Gassen-Ecke seh' ich den Rücken eines Verehrers stehen.35 Nur müßt' es am Ende auch dem eitelsten Narren lästig fallen, daß er an einem öffentlichen Orte (z. B. im Gartenkonzerte) nicht herum
größere Schwierigkeit wären die Schlafſtellen. Die Reiſekoſten würden ſich verdoppeln, welche ſo groß ſind, daß ich in Anſpach für ein elendes Abendeſſen 2 fl. 12 kr. zahlen müſſen. Das Mittageſſen koſtet gewöhnlich 1 fl. Laſſe mir das Bißchen Bequemlichkeit, da ich ohnehin ſo gar froh nicht bin, ſchon wegen des dummen Wetters.5 Emma iſt noch jung genug, um 1000 mal beſſer die Welt zu genießen als ihr armgeborner Vater. Auch wär’ es mir gar nicht lieb, wenn deine Einſamkeit gar verdreifacht würde. — Gott gebe, daß dir niemand aus wolwollender Einfalt zuredet!
Hier wird man aus den Thées gewöhnlich ohne Abendbrod heim-10 geſchickt, das ich dann für einige Groſchen im Gaſthofe ſuchen muß. Gott! wie hungert mich nach einem Stückchen bair[euter] Bäcker- brod. Das hieſige — blos aus Dinkel gebacken und ungeſalzen — ſchmeckt ungefähr wie getrockneter Kleiſter oder papier maché; und doch würgte ich es einige Abende — aus Sparſamkeit — mit15 einem Stückchen Wurſt hinein. Die hieſigen Milchbrödchen ſchmecken wie euere Semmeln. Ich könnte mir wol abends hier kochen laſſen, aber der gute Mohr ißt ſchon um 6 Uhr; alſo kann ich ihm dieſen Feueraufwand nicht zumuthen. Mein guter Kaffee koſtet mit allem mir bei ihm 12 kr. Das gefälligſte dienſtfertigſte20 Ehepaar, ſo wie die 17jährige Magd, von der alle Baireuter Mägde Ordnung und Eile lernen könnten. Sogar lieber als im Wenner- schen Hauſe iſt mir dieſes häusliche Still- und Kleinleben. — Ich habe gar zu viel zu erzählen und ſo wenig Zeit. Der Tiſch liegt voll Bücher aus der Bibliothek und von der Huber ꝛc.ꝛc. — Das Beſuchen25 am Morgen hört nicht auf und ich bin zuweilen von 2 bis 10 außer Haus — Arbeiten will ich auch ein wenig — Nehme doch ja O[tto] und E[manuel] mein Schweigen nicht übel, zumal da ich in den Briefen an dich manches für ſie ſchreibe. — Geſtern als ich auf der Silberburg (ein öffentlicher Luſtberg mit Gärten, wo jeden Sonn-30 abend Konzert iſt) arbeitete, kamen 3 Deputierte der Tübingiſchen Studenten an, um mich zur Feier des 18ten dahin einzuladen mittelſt eines ſehr ſchönen Schreibens; ich ſchlug es natürlich mit vieler Artig- keit und Wendung ab. — Bekannt und geliebt bin ich hier hinlänglich und in jeder Gaſſen-Ecke ſeh’ ich den Rücken eines Verehrers ſtehen.35 Nur müßt’ es am Ende auch dem eitelſten Narren läſtig fallen, daß er an einem öffentlichen Orte (z. B. im Gartenkonzerte) nicht herum
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koſtet gewöhnlich 1 fl. Laſſe mir das Bißchen Bequemlichkeit, da
ich ohnehin ſo gar froh nicht bin, ſchon wegen des dummen Wetters. 5
Emma iſt noch jung genug, um 1000 mal beſſer die Welt zu genießen
als ihr armgeborner Vater. Auch wär’ es mir gar nicht lieb, wenn
deine Einſamkeit gar verdreifacht würde. — Gott gebe, daß dir
niemand aus wolwollender Einfalt zuredet!
Hier wird man aus den Thées gewöhnlich ohne Abendbrod heim- 10
geſchickt, das ich dann für einige Groſchen im Gaſthofe ſuchen muß.
Gott! wie hungert mich nach einem Stückchen bair[euter] Bäcker-
brod. Das hieſige — blos aus Dinkel gebacken und ungeſalzen —
ſchmeckt ungefähr wie getrockneter Kleiſter oder papier maché;
und doch würgte ich es einige Abende — aus Sparſamkeit — mit 15
einem Stückchen Wurſt hinein. Die hieſigen Milchbrödchen
ſchmecken wie euere Semmeln. Ich könnte mir wol abends hier
kochen laſſen, aber der gute Mohr ißt ſchon um 6 Uhr; alſo kann
ich ihm dieſen Feueraufwand nicht zumuthen. Mein guter Kaffee
koſtet mit allem mir bei ihm 12 kr. Das gefälligſte dienſtfertigſte 20
Ehepaar, ſo wie die 17jährige Magd, von der alle Baireuter Mägde
Ordnung und Eile lernen könnten. Sogar lieber als im Wenner-
schen Hauſe iſt mir dieſes häusliche Still- und Kleinleben. — Ich
habe gar zu viel zu erzählen und ſo wenig Zeit. Der Tiſch liegt voll
Bücher aus der Bibliothek und von der Huber ꝛc.ꝛc. — Das Beſuchen 25
am Morgen hört nicht auf und ich bin zuweilen von 2 bis 10 außer
Haus — Arbeiten will ich auch ein wenig — Nehme doch ja O[tto]
und E[manuel] mein Schweigen nicht übel, zumal da ich in den
Briefen an dich manches für ſie ſchreibe. — Geſtern als ich auf der
Silberburg (ein öffentlicher Luſtberg mit Gärten, wo jeden Sonn- 30
abend Konzert iſt) arbeitete, kamen 3 Deputierte der Tübingiſchen
Studenten an, um mich zur Feier des 18ten dahin einzuladen mittelſt
eines ſehr ſchönen Schreibens; ich ſchlug es natürlich mit vieler Artig-
keit und Wendung ab. — Bekannt und geliebt bin ich hier hinlänglich
und in jeder Gaſſen-Ecke ſeh’ ich den Rücken eines Verehrers ſtehen. 35
Nur müßt’ es am Ende auch dem eitelſten Narren läſtig fallen, daß
er an einem öffentlichen Orte (z. B. im Gartenkonzerte) nicht herum
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/279>, abgerufen am 16.07.2024.
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