Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

Bild:
<< vorherige Seite

wahre unschickliche Anmaßung, ja Beleidigung scheinen müßte, oder
eine grobe Predigt, die die bewußte Person erst an ihre Pflichten
erinnern wollte. Heb' ich denn durch meine Worte die Gründe auf,
die sie zu ihrem Zögern bestimmen?

Wäre vollends Ihr Verdacht über die Ursachen der Zögerung5
gegründet -- wiewol ich andere muthmaße --: so hälfe kein Brief
und kein Zudringen und Zureden, geschadet aber könnte damit
werden.

Ich bitte Sie daher überhaupt nicht eifrig anzudringen, sondern
lieber -- um am Ende nicht das Ganze zu verlieren -- Zeit aufzu-10
opfern, zumal da die Zeit am leichtesten den bewußten Verdacht zer-
stören kann. Erstürmen läßt sich hierin nichts.

Bedenken Sie noch das Schwanken der jetzigen großen Welt-
verhältnisse, welches entschiedene Entschlüsse erschwert und verschiebt.

Durch Wenigthun werden Sie vielleicht am meisten thun, be-15
sonders gegen die von Ihnen vermuthete Besorgnis.

Ich und m[eine] Fr[au] grüßen Sie und alle Ihrige, besonders
die Fr. Gr[äfin] und H. G[eheim] R[ath] v. M[ann]. Leben Sie
wol und suchen Sie das Erdenglück nicht in Einem Ereignis oder in
Einem Menschen.20

Ihr etc.

Der Sicherheit der Ankunft wegen hab' ich nicht frankiert.

52. An Emanuel.

Guten Abend, Alter! Wenn Sie meinen Verloosungs Spaß lesen25
wollen: so brauch' ich ihn erst Montags Vormittags wieder.

Sie waren vorhin nicht zu Hause. Eben hab' ich den Brief an
die L-- vollendet, der mitkommt.

53. An Emanuel.
30

Guten Morgen, Emanuel! Ich hätte gestern, da der Lochneri-
sche
Brief ankam, meinen auf die Post geschickten wieder abholen
lassen können; aber ihr sollte ihr Recht geschehen und mir meines.
-- Im Kalender gefällt mir das Wort Nisan sehr; es sollte in jedem
Monate stehen.35

wahre unſchickliche Anmaßung, ja Beleidigung ſcheinen müßte, oder
eine grobe Predigt, die die bewußte Perſon erſt an ihre Pflichten
erinnern wollte. Heb’ ich denn durch meine Worte die Gründe auf,
die ſie zu ihrem Zögern beſtimmen?

Wäre vollends Ihr Verdacht über die Urſachen der Zögerung5
gegründet — wiewol ich andere muthmaße —: ſo hälfe kein Brief
und kein Zudringen und Zureden, geſchadet aber könnte damit
werden.

Ich bitte Sie daher überhaupt nicht eifrig anzudringen, ſondern
lieber — um am Ende nicht das Ganze zu verlieren — Zeit aufzu-10
opfern, zumal da die Zeit am leichteſten den bewußten Verdacht zer-
ſtören kann. Erſtürmen läßt ſich hierin nichts.

Bedenken Sie noch das Schwanken der jetzigen großen Welt-
verhältniſſe, welches entſchiedene Entſchlüſſe erſchwert und verſchiebt.

Durch Wenigthun werden Sie vielleicht am meiſten thun, be-15
ſonders gegen die von Ihnen vermuthete Beſorgnis.

Ich und m[eine] Fr[au] grüßen Sie und alle Ihrige, beſonders
die Fr. Gr[äfin] und H. G[eheim] R[ath] v. M[ann]. Leben Sie
wol und ſuchen Sie das Erdenglück nicht in Einem Ereignis oder in
Einem Menſchen.20

Ihr ꝛc.

Der Sicherheit der Ankunft wegen hab’ ich nicht frankiert.

52. An Emanuel.

Guten Abend, Alter! Wenn Sie meinen Verlooſungs Spaß leſen25
wollen: ſo brauch’ ich ihn erſt Montags Vormittags wieder.

Sie waren vorhin nicht zu Hauſe. Eben hab’ ich den Brief an
die L— vollendet, der mitkommt.

53. An Emanuel.
30

Guten Morgen, Emanuel! Ich hätte geſtern, da der Lochneri-
sche
Brief ankam, meinen auf die Poſt geſchickten wieder abholen
laſſen können; aber ihr ſollte ihr Recht geſchehen und mir meines.
— Im Kalender gefällt mir das Wort Niſan ſehr; es ſollte in jedem
Monate ſtehen.35

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="20"/>
wahre un&#x017F;chickliche Anmaßung, ja Beleidigung &#x017F;cheinen müßte, oder<lb/>
eine grobe Predigt, die die bewußte Per&#x017F;on er&#x017F;t an ihre Pflichten<lb/>
erinnern wollte. Heb&#x2019; ich denn durch meine Worte die Gründe auf,<lb/>
die &#x017F;ie zu ihrem Zögern be&#x017F;timmen?</p><lb/>
        <p>Wäre vollends Ihr Verdacht über die Ur&#x017F;achen der Zögerung<lb n="5"/>
gegründet &#x2014; wiewol ich andere muthmaße &#x2014;: &#x017F;o hälfe kein Brief<lb/>
und kein Zudringen und Zureden, ge&#x017F;chadet aber könnte damit<lb/>
werden.</p><lb/>
        <p>Ich bitte Sie daher überhaupt nicht eifrig anzudringen, &#x017F;ondern<lb/>
lieber &#x2014; um am Ende nicht das Ganze zu verlieren &#x2014; Zeit aufzu-<lb n="10"/>
opfern, zumal da die Zeit am leichte&#x017F;ten den bewußten Verdacht zer-<lb/>
&#x017F;tören kann. Er&#x017F;türmen läßt &#x017F;ich hierin nichts.</p><lb/>
        <p>Bedenken Sie noch das Schwanken der jetzigen großen Welt-<lb/>
verhältni&#x017F;&#x017F;e, welches ent&#x017F;chiedene Ent&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e er&#x017F;chwert und ver&#x017F;chiebt.</p><lb/>
        <p>Durch Wenigthun werden Sie vielleicht am mei&#x017F;ten thun, be-<lb n="15"/>
&#x017F;onders gegen die von Ihnen vermuthete Be&#x017F;orgnis.</p><lb/>
        <p>Ich und m[eine] Fr[au] grüßen Sie und alle Ihrige, be&#x017F;onders<lb/>
die Fr. Gr[äfin] und H. G[eheim] R[ath] v. M[ann]. Leben Sie<lb/>
wol und &#x017F;uchen Sie das Erdenglück nicht in Einem Ereignis oder in<lb/>
Einem Men&#x017F;chen.<lb n="20"/>
</p>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">Ihr &#xA75B;c.</hi> </salute>
        </closer><lb/>
        <postscript>
          <p>Der Sicherheit der Ankunft wegen hab&#x2019; ich nicht frankiert.</p>
        </postscript>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>52. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 29. April 1815. Sonnabend]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Guten Abend, Alter! Wenn Sie meinen Verloo&#x017F;ungs Spaß le&#x017F;en<lb n="25"/>
wollen: &#x017F;o brauch&#x2019; ich ihn er&#x017F;t Montags Vormittags wieder.</p><lb/>
        <p>Sie waren vorhin nicht zu Hau&#x017F;e. Eben hab&#x2019; ich den Brief an<lb/>
die <hi rendition="#aq">L</hi>&#x2014; vollendet, der mitkommt.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>53. An <hi rendition="#g">Emanuel.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 1. Mai 1815]</hi> </dateline>
        <lb n="30"/>
        <p>Guten Morgen, Emanuel! Ich hätte ge&#x017F;tern, da der <hi rendition="#aq">Lochneri-<lb/>
sche</hi> Brief ankam, meinen auf die Po&#x017F;t ge&#x017F;chickten wieder abholen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en können; aber ihr &#x017F;ollte ihr Recht ge&#x017F;chehen und mir meines.<lb/>
&#x2014; Im Kalender gefällt mir das Wort Ni&#x017F;an &#x017F;ehr; es &#x017F;ollte in jedem<lb/>
Monate &#x017F;tehen.<lb n="35"/>
</p>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0025] wahre unſchickliche Anmaßung, ja Beleidigung ſcheinen müßte, oder eine grobe Predigt, die die bewußte Perſon erſt an ihre Pflichten erinnern wollte. Heb’ ich denn durch meine Worte die Gründe auf, die ſie zu ihrem Zögern beſtimmen? Wäre vollends Ihr Verdacht über die Urſachen der Zögerung 5 gegründet — wiewol ich andere muthmaße —: ſo hälfe kein Brief und kein Zudringen und Zureden, geſchadet aber könnte damit werden. Ich bitte Sie daher überhaupt nicht eifrig anzudringen, ſondern lieber — um am Ende nicht das Ganze zu verlieren — Zeit aufzu- 10 opfern, zumal da die Zeit am leichteſten den bewußten Verdacht zer- ſtören kann. Erſtürmen läßt ſich hierin nichts. Bedenken Sie noch das Schwanken der jetzigen großen Welt- verhältniſſe, welches entſchiedene Entſchlüſſe erſchwert und verſchiebt. Durch Wenigthun werden Sie vielleicht am meiſten thun, be- 15 ſonders gegen die von Ihnen vermuthete Beſorgnis. Ich und m[eine] Fr[au] grüßen Sie und alle Ihrige, beſonders die Fr. Gr[äfin] und H. G[eheim] R[ath] v. M[ann]. Leben Sie wol und ſuchen Sie das Erdenglück nicht in Einem Ereignis oder in Einem Menſchen. 20 Ihr ꝛc. Der Sicherheit der Ankunft wegen hab’ ich nicht frankiert. 52. An Emanuel. [Bayreuth, 29. April 1815. Sonnabend] Guten Abend, Alter! Wenn Sie meinen Verlooſungs Spaß leſen 25 wollen: ſo brauch’ ich ihn erſt Montags Vormittags wieder. Sie waren vorhin nicht zu Hauſe. Eben hab’ ich den Brief an die L— vollendet, der mitkommt. 53. An Emanuel. [Bayreuth, 1. Mai 1815] 30 Guten Morgen, Emanuel! Ich hätte geſtern, da der Lochneri- sche Brief ankam, meinen auf die Poſt geſchickten wieder abholen laſſen können; aber ihr ſollte ihr Recht geſchehen und mir meines. — Im Kalender gefällt mir das Wort Niſan ſehr; es ſollte in jedem Monate ſtehen. 35

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/25
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/25>, abgerufen am 28.11.2024.