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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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das Daspeisen zusage. Für die kleinste Sache um mich her ist gesorgt.
Im Heidelberger Gasthofe muß ich das Glück dieses Familienlebens
vermissen. Bis jetzo hab ich nur Matronen gesprochen und verehrt,
zwei alte Jungfern, die reichen Serviere ausgenommen, wovon die
humoristische (Göthens frühere Liebschaft) mich heute auf Morgen5
zu Brentano und seiner Frau (eine reichste Birkenstock aus Wien)
zum Essen eingeladen. Alles ist gestrige Bekanntschaft. Die bishe-
rigen Essereien und Thees erlasse mir ja, bitt ich dich. -- Der köstliche
Wangenheim ist mein hiesiger Heinrich Voß und hilft mir überall
zurecht. -- Ohne den Bundes Tag mögt' ich das Handels Frankfurt10
nicht gesehen haben. Desto ergiebiger an vielgewandten Gesprä-
chen ist das Zusammensein und Zusammenreden mit so vielen Gebil-
deten aus allen Reichs Ecken. -- Unterwegs fehlte mir nichts als
Mangel an Katzenjammer und an Durchfall und an Nervenbeben;
aber hier ist alles hergestellt und mein Hunger unendlich. -- Den15
himmlischen Himmel und Erdboden genießt man aber doch nicht
recht, da ich keinen Garten außerhalb der breiten Stadt besuchen
kann. Dumm ists, daß der Mensch sich nach dem Widersprechenden
sehnt, nach dem Hauswesen, das ohne die Reise weniger glänzte,
und doch wieder nach dem Glanzwesen. Euch Geliebten selber hab20
ich doch wenigstens in der Seele bei mir. Ich muß mir immer fort
vorhalten, Baireut behältst du lange genug; und Frankfurt, das
dich auf dem Wege daher so viel kostet, nur kurze Zeit. Du solltest
mir also wol eine längere gönnen und mir nicht die Verkürzung
anrathen. Ich komme ohnehin nie mehr wieder hieher. Und doch25
wünsch' ich mich schon der Arbeiten wegen ins stille Zimmerchen
zurück. Hier ist wenig zu thun. So froh am Morgen, so verdrüßlich
in der Nacht bin ich, weil ich vor 12 Uhr nicht ins Bett komme;
und mir grauset, wenn ich auf die lange Reihe von Thees in Heidel-
berg
hinblicke. Einmal abends wenigstens muß ich in Heidelberg30
trinken bei 1) Voß 2) Paulus 3) Daub 4) Thibaut 5) Schelver
6) Hegel 7) Panatoli [!] 8) Dapping 9) Schwarz 10) Fries
11) Kreuzer 12) Thielemann 13) Tiedeman 14) Munke 15) Boiße-
ree 16) Heinse -- Zweimal ist ohnehin unmöglich. Dann rechne, daß
ich ankommend 16 mal laufen muß aus Höflichkeit und abgehend35
auch 16 mal. Beim Henker, ich habe zu viel zu thun und mögte
gern ein Bischen ruhen. So lächerlich dir es klingen mag, mich

das Daſpeiſen zuſage. Für die kleinſte Sache um mich her iſt geſorgt.
Im Heidelberger Gaſthofe muß ich das Glück dieſes Familienlebens
vermiſſen. Bis jetzo hab ich nur Matronen geſprochen und verehrt,
zwei alte Jungfern, die reichen Servière ausgenommen, wovon die
humoriſtiſche (Göthens frühere Liebſchaft) mich heute auf Morgen5
zu Brentano und ſeiner Frau (eine reichſte Birkenstock aus Wien)
zum Eſſen eingeladen. Alles iſt geſtrige Bekanntſchaft. Die bishe-
rigen Eſſereien und Thées erlaſſe mir ja, bitt ich dich. — Der köſtliche
Wangenheim iſt mein hieſiger Heinrich Voß und hilft mir überall
zurecht. — Ohne den Bundes Tag mögt’ ich das Handels Frankfurt10
nicht geſehen haben. Deſto ergiebiger an vielgewandten Geſprä-
chen iſt das Zuſammenſein und Zuſammenreden mit ſo vielen Gebil-
deten aus allen Reichs Ecken. — Unterwegs fehlte mir nichts als
Mangel an Katzenjammer und an Durchfall und an Nervenbeben;
aber hier iſt alles hergeſtellt und mein Hunger unendlich. — Den15
himmliſchen Himmel und Erdboden genießt man aber doch nicht
recht, da ich keinen Garten außerhalb der breiten Stadt beſuchen
kann. Dumm iſts, daß der Menſch ſich nach dem Widerſprechenden
ſehnt, nach dem Hausweſen, das ohne die Reiſe weniger glänzte,
und doch wieder nach dem Glanzweſen. Euch Geliebten ſelber hab20
ich doch wenigſtens in der Seele bei mir. Ich muß mir immer fort
vorhalten, Baireut behältſt du lange genug; und Frankfurt, das
dich auf dem Wege daher ſo viel koſtet, nur kurze Zeit. Du ſollteſt
mir alſo wol eine längere gönnen und mir nicht die Verkürzung
anrathen. Ich komme ohnehin nie mehr wieder hieher. Und doch25
wünſch’ ich mich ſchon der Arbeiten wegen ins ſtille Zimmerchen
zurück. Hier iſt wenig zu thun. So froh am Morgen, ſo verdrüßlich
in der Nacht bin ich, weil ich vor 12 Uhr nicht ins Bett komme;
und mir grauſet, wenn ich auf die lange Reihe von Thées in Heidel-
berg
hinblicke. Einmal abends wenigſtens muß ich in Heidelberg30
trinken bei 1) Voß 2) Paulus 3) Daub 4) Thibaut 5) Schelver
6) Hegel 7) Panatoli [!] 8) Dapping 9) Schwarz 10) Fries
11) Kreuzer 12) Thielemann 13) Tiedeman 14) Munke 15) Boiße-
rée 16) Heinſe — Zweimal iſt ohnehin unmöglich. Dann rechne, daß
ich ankommend 16 mal laufen muß aus Höflichkeit und abgehend35
auch 16 mal. Beim Henker, ich habe zu viel zu thun und mögte
gern ein Bischen ruhen. So lächerlich dir es klingen mag, mich

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[196/0203] das Daſpeiſen zuſage. Für die kleinſte Sache um mich her iſt geſorgt. Im Heidelberger Gaſthofe muß ich das Glück dieſes Familienlebens vermiſſen. Bis jetzo hab ich nur Matronen geſprochen und verehrt, zwei alte Jungfern, die reichen Servière ausgenommen, wovon die humoriſtiſche (Göthens frühere Liebſchaft) mich heute auf Morgen 5 zu Brentano und ſeiner Frau (eine reichſte Birkenstock aus Wien) zum Eſſen eingeladen. Alles iſt geſtrige Bekanntſchaft. Die bishe- rigen Eſſereien und Thées erlaſſe mir ja, bitt ich dich. — Der köſtliche Wangenheim iſt mein hieſiger Heinrich Voß und hilft mir überall zurecht. — Ohne den Bundes Tag mögt’ ich das Handels Frankfurt 10 nicht geſehen haben. Deſto ergiebiger an vielgewandten Geſprä- chen iſt das Zuſammenſein und Zuſammenreden mit ſo vielen Gebil- deten aus allen Reichs Ecken. — Unterwegs fehlte mir nichts als Mangel an Katzenjammer und an Durchfall und an Nervenbeben; aber hier iſt alles hergeſtellt und mein Hunger unendlich. — Den 15 himmliſchen Himmel und Erdboden genießt man aber doch nicht recht, da ich keinen Garten außerhalb der breiten Stadt beſuchen kann. Dumm iſts, daß der Menſch ſich nach dem Widerſprechenden ſehnt, nach dem Hausweſen, das ohne die Reiſe weniger glänzte, und doch wieder nach dem Glanzweſen. Euch Geliebten ſelber hab 20 ich doch wenigſtens in der Seele bei mir. Ich muß mir immer fort vorhalten, Baireut behältſt du lange genug; und Frankfurt, das dich auf dem Wege daher ſo viel koſtet, nur kurze Zeit. Du ſollteſt mir alſo wol eine längere gönnen und mir nicht die Verkürzung anrathen. Ich komme ohnehin nie mehr wieder hieher. Und doch 25 wünſch’ ich mich ſchon der Arbeiten wegen ins ſtille Zimmerchen zurück. Hier iſt wenig zu thun. So froh am Morgen, ſo verdrüßlich in der Nacht bin ich, weil ich vor 12 Uhr nicht ins Bett komme; und mir grauſet, wenn ich auf die lange Reihe von Thées in Heidel- berg hinblicke. Einmal abends wenigſtens muß ich in Heidelberg 30 trinken bei 1) Voß 2) Paulus 3) Daub 4) Thibaut 5) Schelver 6) Hegel 7) Panatoli [!] 8) Dapping 9) Schwarz 10) Fries 11) Kreuzer 12) Thielemann 13) Tiedeman 14) Munke 15) Boiße- rée 16) Heinſe — Zweimal iſt ohnehin unmöglich. Dann rechne, daß ich ankommend 16 mal laufen muß aus Höflichkeit und abgehend 35 auch 16 mal. Beim Henker, ich habe zu viel zu thun und mögte gern ein Bischen ruhen. So lächerlich dir es klingen mag, mich

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/203>, abgerufen am 22.11.2024.