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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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Guten Morgen, Gute, am hellen Sonntage auf dem Berge unter
dem Glockengeläute.

Gestern gaben die Professoren und andere im Hecht ein Essen,
wozu mich der Prorektor abholte; über 60 Männer, worunter auch5
der herrliche General Dörenberg war. -- Man treibts wirklich so
närrisch, daß mir Thibaut lachend erzählte, es seien unter der Hand
einige Haare nach Manheim geschickt worden von meinem -- Hunde,
(der sich überhaupt keines ähnlichen Lebens erinnert; und den viele
für den Spizius Hofmann im Hesperus halten, in welchem Irrthum10
er sie auch läßt); an meine wagt man sich nicht, ausgenommen der
treffliche Ditmar für seine Mutter in Liefland. -- Vorgestern suchte
mich Sternberg mit seinen 2 sehr schönen Kindern in der Harmonie
auf und bat mich ins Ohr zu Gevatter für das Kind, auf welches
Rosalie in 8 oder 14 Tagen aufsieht; denn in der Harmonie stand15
sie -- noch selber dabei. Ihr Ansehen ist kräftig, aber die feinern
Blüten sind verwelkt unter der Hand der Harms, die ihren eignen
Mann zum epileptischen halb wahnsinnigen Greise gemacht.
Sternberg ist ein schöner, blühender, feingebildeter, freundlicher und
liebevoller Mann von Zartheit und Achtung für seine Gattin.20


Mein Hiersein kostet mich fast weniger als das Leben zu Hause;
nur aber das Arbeiten und das Sehnen nach euch allen und nach
meinen Häuslichkeiten treiben mich früher fort. Das Laden zu Thee
und Essen läßt nicht nach. -- Meine Kinder werden einmal außerhalb25
Baireut nach meinem Tode durch meinen Namen zumal bei ihrem
Werthe eine hülfreichere Welt finden als ihr Vater; -- auch wird
dieser Name sie wie ein zweites Gewissen begleiten bewachen und
reiner bewahren. --30


Da der August ein heimtückischer Monat ist: so wär' es wol
möglich, daß ich nur nach Manheim ginge und den Rheinbeschau auf
ein anderes Jahr verschöbe. Auch sehn' ich mich zu sehr, sogar end-
lich nach dem alten Leiblichen. Denn die angenehme Zubereitung
und Wahl und den Wechsel aller meiner Hausspeisen muß ich in35


Guten Morgen, Gute, am hellen Sonntage auf dem Berge unter
dem Glockengeläute.

Geſtern gaben die Profeſſoren und andere im Hecht ein Eſſen,
wozu mich der Prorektor abholte; über 60 Männer, worunter auch5
der herrliche General Dörenberg war. — Man treibts wirklich ſo
närriſch, daß mir Thibaut lachend erzählte, es ſeien unter der Hand
einige Haare nach Manheim geſchickt worden von meinem — Hunde,
(der ſich überhaupt keines ähnlichen Lebens erinnert; und den viele
für den Spizius Hofmann im Hesperus halten, in welchem Irrthum10
er ſie auch läßt); an meine wagt man ſich nicht, ausgenommen der
treffliche Ditmar für ſeine Mutter in Liefland. — Vorgeſtern ſuchte
mich Sternberg mit ſeinen 2 ſehr ſchönen Kindern in der Harmonie
auf und bat mich ins Ohr zu Gevatter für das Kind, auf welches
Rosalie in 8 oder 14 Tagen aufſieht; denn in der Harmonie ſtand15
ſie — noch ſelber dabei. Ihr Anſehen iſt kräftig, aber die feinern
Blüten ſind verwelkt unter der Hand der Harms, die ihren eignen
Mann zum epileptiſchen halb wahnſinnigen Greiſe gemacht.
Sternberg iſt ein ſchöner, blühender, feingebildeter, freundlicher und
liebevoller Mann von Zartheit und Achtung für ſeine Gattin.20


Mein Hierſein koſtet mich faſt weniger als das Leben zu Hauſe;
nur aber das Arbeiten und das Sehnen nach euch allen und nach
meinen Häuslichkeiten treiben mich früher fort. Das Laden zu Thee
und Eſſen läßt nicht nach. — Meine Kinder werden einmal außerhalb25
Baireut nach meinem Tode durch meinen Namen zumal bei ihrem
Werthe eine hülfreichere Welt finden als ihr Vater; — auch wird
dieſer Name ſie wie ein zweites Gewiſſen begleiten 〈bewachen〉 und
reiner bewahren. —30


Da der Auguſt ein heimtückiſcher Monat iſt: ſo wär’ es wol
möglich, daß ich nur nach Manheim ginge und den Rheinbeſchau auf
ein anderes Jahr verſchöbe. Auch ſehn’ ich mich zu ſehr, ſogar end-
lich nach dem alten Leiblichen. Denn die angenehme Zubereitung
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[133/0140] d. 3ten Guten Morgen, Gute, am hellen Sonntage auf dem Berge unter dem Glockengeläute. Geſtern gaben die Profeſſoren und andere im Hecht ein Eſſen, wozu mich der Prorektor abholte; über 60 Männer, worunter auch 5 der herrliche General Dörenberg war. — Man treibts wirklich ſo närriſch, daß mir Thibaut lachend erzählte, es ſeien unter der Hand einige Haare nach Manheim geſchickt worden von meinem — Hunde, (der ſich überhaupt keines ähnlichen Lebens erinnert; und den viele für den Spizius Hofmann im Hesperus halten, in welchem Irrthum 10 er ſie auch läßt); an meine wagt man ſich nicht, ausgenommen der treffliche Ditmar für ſeine Mutter in Liefland. — Vorgeſtern ſuchte mich Sternberg mit ſeinen 2 ſehr ſchönen Kindern in der Harmonie auf und bat mich ins Ohr zu Gevatter für das Kind, auf welches Rosalie in 8 oder 14 Tagen aufſieht; denn in der Harmonie ſtand 15 ſie — noch ſelber dabei. Ihr Anſehen iſt kräftig, aber die feinern Blüten ſind verwelkt unter der Hand der Harms, die ihren eignen Mann zum epileptiſchen halb wahnſinnigen Greiſe gemacht. Sternberg iſt ein ſchöner, blühender, feingebildeter, freundlicher und liebevoller Mann von Zartheit und Achtung für ſeine Gattin. 20 d. 4ten Mein Hierſein koſtet mich faſt weniger als das Leben zu Hauſe; nur aber das Arbeiten und das Sehnen nach euch allen und nach meinen Häuslichkeiten treiben mich früher fort. Das Laden zu Thee und Eſſen läßt nicht nach. — Meine Kinder werden einmal außerhalb 25 Baireut nach meinem Tode durch meinen Namen zumal bei ihrem Werthe eine hülfreichere Welt finden als ihr Vater; — auch wird dieſer Name ſie wie ein zweites Gewiſſen begleiten 〈bewachen〉 und reiner bewahren. — 30 d. 5ten Da der Auguſt ein heimtückiſcher Monat iſt: ſo wär’ es wol möglich, daß ich nur nach Manheim ginge und den Rheinbeſchau auf ein anderes Jahr verſchöbe. Auch ſehn’ ich mich zu ſehr, ſogar end- lich nach dem alten Leiblichen. Denn die angenehme Zubereitung und Wahl und den Wechſel aller meiner Hausſpeiſen muß ich in 35

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/140>, abgerufen am 02.05.2024.