All erdurchlauchtigster, Großmächtigster Kaiser und Selbstherrscher, Allergnädigster Kaiser und Herr!
Mitten in der erhabnen Zeit, da Euere Kaiserliche Majestät der Schiedsrichter Europas sind, wie vorher der Befreier desselben, und5 Sie aus dem Schutzgeiste des Siegs der Schutzgott des Friedens werden, tritt eine kleine Angelegenheit vor Ihren Thron.
Doch wie dem Geiste nichts zu groß ist, so ist der Güte nichts zu klein.
Über fünf und zwanzig Jahre lange hatt' ich als Schriftsteller für10 die Musen und die Philosophie gearbeitet, als mir ein einziger deut- scher Fürst, der vormalige Großherzog von Frankfurt, im Jahr 1808 eine jährliche Pension von 1000 fl. bewilligte, um den Arm- gebornen zu unterstützen, dessen Körper blos von seinem Geiste lebte.15
Nach der segenreichen Besetzung des Großherzogthums wurde mir von 1814 an die Fortsetzung der Pension vom Generalgouvernement verweigert bis auf höhere Entscheidung.
Werden die hohen Verbündeten, welche für deutsche Freiheit und deutsche Wissenschaft zugleich gekämpft, die fürstliche Unterstützung20 eines Schriftstellers zurück zu nehmen gebieten, welcher zu einer Zeit für europäische Freiheit geschrieben, wo er seine eigne einem Davoust bloßstellte?
Ich wende mich hier an das HerzAlexanders, da die wolwollende Vorsehung gerade im Jahrhunderte des Egoismus die Menschen-25 liebe auf den höchsten Thron Europas gesetzt.
Ich wende mich hier an Seinen Geist, der Geister beschützt und welcher, da er kein anderes großes Reich mehr zu vergrößern hat, als das größte gränzenlose, das der Wissenschaften, dem Norden auch geistig-längste Tage zu den geographischen geben will.30
Möge der Herrscher, dessen Zepter dem Magnete ähnlich ist, welcher zugleich liebend anzieht und lehrend die Gegenden des Him- mels zeigt, die Kühnheit der Hoffnungen verzeihen, zu welchen Er Individuen wie Länder erhebt!
Genießen Euere Majestät lange die einzige dauerhafte Universal-35 monarchie, die durch Liebe -- nachdem Sie die hassende und gehaßte
25. An Kaiſer Alexander von Rußland in Wien.
All erdurchlauchtigſter, Großmächtigſter Kaiſer und Selbſtherrſcher, Allergnädigſter Kaiſer und Herr!
Mitten in der erhabnen Zeit, da Euere Kaiſerliche Majeſtät der Schiedsrichter Europas ſind, wie vorher der Befreier deſſelben, und5 Sie aus dem Schutzgeiſte des Siegs der Schutzgott des Friedens werden, tritt eine kleine Angelegenheit vor Ihren Thron.
Doch wie dem Geiſte nichts zu groß iſt, ſo iſt der Güte nichts zu klein.
Über fünf und zwanzig Jahre lange hatt’ ich als Schriftſteller für10 die Muſen und die Philoſophie gearbeitet, als mir ein einziger deut- ſcher Fürſt, der vormalige Großherzog von Frankfurt, im Jahr 1808 eine jährliche Penſion von 1000 fl. bewilligte, um den Arm- gebornen zu unterſtützen, deſſen Körper blos von ſeinem Geiſte lebte.15
Nach der ſegenreichen Beſetzung des Großherzogthums wurde mir von 1814 an die Fortſetzung der Penſion vom Generalgouvernement verweigert bis auf höhere Entſcheidung.
Werden die hohen Verbündeten, welche für deutſche Freiheit und deutſche Wiſſenſchaft zugleich gekämpft, die fürſtliche Unterſtützung20 eines Schriftſtellers zurück zu nehmen gebieten, welcher zu einer Zeit für europäiſche Freiheit geſchrieben, wo er ſeine eigne einem Davoust bloßſtellte?
Ich wende mich hier an das HerzAlexanders, da die wolwollende Vorſehung gerade im Jahrhunderte des Egoiſmus die Menſchen-25 liebe auf den höchſten Thron Europas geſetzt.
Ich wende mich hier an Seinen Geiſt, der Geiſter beſchützt und welcher, da er kein anderes großes Reich mehr zu vergrößern hat, als das größte gränzenloſe, das der Wiſſenſchaften, dem Norden auch geiſtig-längſte Tage zu den geographiſchen geben will.30
Möge der Herrſcher, deſſen Zepter dem Magnete ähnlich iſt, welcher zugleich liebend anzieht und lehrend die Gegenden des Him- mels zeigt, die Kühnheit der Hoffnungen verzeihen, zu welchen Er Individuen wie Länder erhebt!
Genießen Euere Majeſtät lange die einzige dauerhafte Univerſal-35 monarchie, die durch Liebe — nachdem Sie die haſſende und gehaßte
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25. An Kaiſer Alexander von Rußland in Wien.
All erdurchlauchtigſter, Großmächtigſter Kaiſer und Selbſtherrſcher,
Allergnädigſter Kaiſer und Herr!
Mitten in der erhabnen Zeit, da Euere Kaiſerliche Majeſtät der
Schiedsrichter Europas ſind, wie vorher der Befreier deſſelben, und 5
Sie aus dem Schutzgeiſte des Siegs der Schutzgott des Friedens
werden, tritt eine kleine Angelegenheit vor Ihren Thron.
Doch wie dem Geiſte nichts zu groß iſt, ſo iſt der Güte nichts zu
klein.
Über fünf und zwanzig Jahre lange hatt’ ich als Schriftſteller für 10
die Muſen und die Philoſophie gearbeitet, als mir ein einziger deut-
ſcher Fürſt, der vormalige Großherzog von Frankfurt, im Jahr
1808 eine jährliche Penſion von 1000 fl. bewilligte, um den Arm-
gebornen zu unterſtützen, deſſen Körper blos von ſeinem Geiſte
lebte. 15
Nach der ſegenreichen Beſetzung des Großherzogthums wurde mir
von 1814 an die Fortſetzung der Penſion vom Generalgouvernement
verweigert bis auf höhere Entſcheidung.
Werden die hohen Verbündeten, welche für deutſche Freiheit und
deutſche Wiſſenſchaft zugleich gekämpft, die fürſtliche Unterſtützung 20
eines Schriftſtellers zurück zu nehmen gebieten, welcher zu einer Zeit
für europäiſche Freiheit geſchrieben, wo er ſeine eigne einem
Davoust bloßſtellte?
Ich wende mich hier an das Herz Alexanders, da die wolwollende
Vorſehung gerade im Jahrhunderte des Egoiſmus die Menſchen- 25
liebe auf den höchſten Thron Europas geſetzt.
Ich wende mich hier an Seinen Geiſt, der Geiſter beſchützt und
welcher, da er kein anderes großes Reich mehr zu vergrößern hat,
als das größte gränzenloſe, das der Wiſſenſchaften, dem Norden
auch geiſtig-längſte Tage zu den geographiſchen geben will. 30
Möge der Herrſcher, deſſen Zepter dem Magnete ähnlich iſt,
welcher zugleich liebend anzieht und lehrend die Gegenden des Him-
mels zeigt, die Kühnheit der Hoffnungen verzeihen, zu welchen Er
Individuen wie Länder erhebt!
Genießen Euere Majeſtät lange die einzige dauerhafte Univerſal- 35
monarchie, die durch Liebe — nachdem Sie die haſſende und gehaßte
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:19:52Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/13>, abgerufen am 16.02.2025.
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