Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

Bild:
<< vorherige Seite

forstrath Gatterer und für Donnerstags die Singakademie von
Thibaut und Essen.

Wie soll ich die Liebe und Achtung malen, womit ich hier bis zur
Übertreibung gesucht werde? Der Hund allein könnt' es, weil der
nie so gut gefüttert wurde von schönen Händen als hier.5

Heute brachten mir der Professor Hegel und der Hofrath Kreuzer
mit den Pedellen hinter sich im Namen der Universität das perga-
mentene Doktordiplom in einer langen rothen Kapsel. Max soll
dir das papierne übersetzen. Du kannst es dann überall herumgeben.
-- Du mußt aus diesem Briefe an dich vorlesen und ihn Emanuel10
und Otto geben und*) den an Emanuel nachlesen; denn es ist mir
schlechterdings unmöglich, so manches zweimal, ja kaum einmal zu
schreiben.

Ich habe hier Stunden erlebt, wie ich sie nie unter dem schönsten
Himmel meines Lebens gefunden, besonders die Wasserfahrt, das15
Studentenvivat und die gestrigen Gesänge aus der altital[ienischen]
Musik; aber ich danke auch dem Allgütigen so viel ich kann, durch
Milde, Stille, Bescheidenheit, Liebe und Rechtsein gegen jeder-
mann.

Apropos! Der Dachdecker soll hieher auf der Post nach den [!]20
D. von Ditmar zwei Büsten von mir, jede aber besonders gepackt
-- weil die eine noch weiter geht -- und an den Kirchenrath
Schwarz eine senden. Findet man sie hier ähnlich: kann er viel
absetzen.

Mit Menschen verweb' ich mich, von welchen ich früher Ent-25
fernen gefürchtet, z. B. mit Paulus, mit seiner Frau -- welche gar
nichts von dem Jenaischen Rufe einer vordringlichen Literatur-
koketten hat, sondern eine klare tiefe Hausfrau ist -- und mit seiner
schönen Tochter Sophie, die fast nur mich und die Bibel lieset, auch
das Schwerste versteht oder sich erklären läßt und die ich nach dem30
Wunsche der Mutter zum Heirathen bereden soll, weil sie alle
Männer ausschlägt, um nicht in der Ehe ihre Mutter weniger zu
lieben.

Der gesellige Ton hier ist Leichtigkeit, Anstand und Freude; vier
ausgetrunkne Punschbowlen bei Voß und 100 ausgetrunkne Wein-35

*) Auch den von der Ende gib ihnen.

forſtrath Gatterer und für Donnerſtags die Singakademie von
Thibaut und Eſſen.

Wie ſoll ich die Liebe und Achtung malen, womit ich hier bis zur
Übertreibung geſucht werde? Der Hund allein könnt’ es, weil der
nie ſo gut gefüttert wurde von ſchönen Händen als hier.5

Heute brachten mir der Profeſſor Hegel und der Hofrath Kreuzer
mit den Pedellen hinter ſich im Namen der Univerſität das perga-
mentene Doktordiplom in einer langen rothen Kapſel. Max ſoll
dir das papierne überſetzen. Du kannſt es dann überall herumgeben.
— Du mußt aus dieſem Briefe an dich vorleſen und ihn Emanuel10
und Otto geben und*) den an Emanuel nachleſen; denn es iſt mir
ſchlechterdings unmöglich, ſo manches zweimal, ja kaum einmal zu
ſchreiben.

Ich habe hier Stunden erlebt, wie ich ſie nie unter dem ſchönſten
Himmel meines Lebens gefunden, beſonders die Waſſerfahrt, das15
Studentenvivat und die geſtrigen Geſänge aus der altital[ieniſchen]
Muſik; aber ich danke auch dem Allgütigen ſo viel ich kann, durch
Milde, Stille, Beſcheidenheit, Liebe und Rechtſein gegen jeder-
mann.

Apropos! Der Dachdecker ſoll hieher auf der Poſt nach den [!]20
D. von Ditmar zwei Büſten von mir, jede aber beſonders gepackt
— weil die eine noch weiter geht — und an den Kirchenrath
Schwarz eine ſenden. Findet man ſie hier ähnlich: kann er viel
abſetzen.

Mit Menſchen verweb’ ich mich, von welchen ich früher Ent-25
fernen gefürchtet, z. B. mit Paulus, mit ſeiner Frau — welche gar
nichts von dem Jenaischen Rufe einer vordringlichen Literatur-
koketten hat, ſondern eine klare tiefe Hausfrau iſt — und mit ſeiner
ſchönen Tochter Sophie, die faſt nur mich und die Bibel lieſet, auch
das Schwerſte verſteht oder ſich erklären läßt und die ich nach dem30
Wunſche der Mutter zum Heirathen bereden ſoll, weil ſie alle
Männer ausſchlägt, um nicht in der Ehe ihre Mutter weniger zu
lieben.

Der geſellige Ton hier iſt Leichtigkeit, Anſtand und Freude; vier
ausgetrunkne Punſchbowlen bei Voß und 100 ausgetrunkne Wein-35

*) Auch den von der Ende gib ihnen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="122"/>
for&#x017F;trath <hi rendition="#aq">Gatterer</hi> und für Donner&#x017F;tags die Singakademie von<lb/><hi rendition="#aq">Thibaut</hi> und E&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Wie &#x017F;oll ich die Liebe und Achtung malen, womit ich hier bis zur<lb/>
Übertreibung ge&#x017F;ucht werde? Der Hund allein könnt&#x2019; es, weil der<lb/>
nie &#x017F;o gut gefüttert wurde von &#x017F;chönen Händen als hier.<lb n="5"/>
</p>
        <p>Heute brachten mir der Profe&#x017F;&#x017F;or <hi rendition="#aq">Hegel</hi> und der Hofrath <hi rendition="#aq">Kreuzer</hi><lb/>
mit den Pedellen hinter &#x017F;ich im Namen der Univer&#x017F;ität das perga-<lb/>
mentene Doktordiplom in einer langen rothen Kap&#x017F;el. Max &#x017F;oll<lb/>
dir das papierne über&#x017F;etzen. Du kann&#x017F;t es dann überall herumgeben.<lb/>
&#x2014; Du mußt aus die&#x017F;em Briefe an dich vorle&#x017F;en und ihn <hi rendition="#aq">Emanuel</hi><lb n="10"/>
und <hi rendition="#aq">Otto</hi> geben und<note place="foot" n="*)">Auch den von der <hi rendition="#aq">Ende</hi> gib ihnen.</note> den an <hi rendition="#aq">Emanuel</hi> nachle&#x017F;en; denn es i&#x017F;t mir<lb/>
&#x017F;chlechterdings unmöglich, &#x017F;o manches zweimal, ja kaum einmal zu<lb/>
&#x017F;chreiben.</p><lb/>
        <p>Ich habe hier Stunden erlebt, wie ich &#x017F;ie nie unter dem &#x017F;chön&#x017F;ten<lb/>
Himmel meines Lebens gefunden, be&#x017F;onders die Wa&#x017F;&#x017F;erfahrt, das<lb n="15"/>
Studentenvivat und die ge&#x017F;trigen Ge&#x017F;änge aus der altital[ieni&#x017F;chen]<lb/>
Mu&#x017F;ik; aber ich danke auch dem Allgütigen &#x017F;o viel ich kann, durch<lb/>
Milde, Stille, Be&#x017F;cheidenheit, Liebe und Recht&#x017F;ein gegen jeder-<lb/>
mann.</p><lb/>
        <p>Apropos! Der Dachdecker &#x017F;oll hieher auf der Po&#x017F;t nach den [!]<lb n="20"/> <hi rendition="#aq">D. von Ditmar</hi> <hi rendition="#g">zwei</hi>&#x017F;ten von mir, jede aber be&#x017F;onders gepackt<lb/>
&#x2014; weil die eine noch weiter geht &#x2014; und an den Kirchenrath<lb/><hi rendition="#aq">Schwarz</hi> <hi rendition="#g">eine</hi> &#x017F;enden. Findet man &#x017F;ie hier ähnlich: kann er viel<lb/>
ab&#x017F;etzen.</p><lb/>
        <p>Mit Men&#x017F;chen verweb&#x2019; ich mich, von welchen ich früher Ent-<lb n="25"/>
fernen gefürchtet, z. B. mit <hi rendition="#aq">Paulus,</hi> mit &#x017F;einer Frau &#x2014; welche gar<lb/>
nichts von dem <hi rendition="#aq">Jenaischen</hi> Rufe einer vordringlichen Literatur-<lb/>
koketten hat, &#x017F;ondern eine klare tiefe Hausfrau i&#x017F;t &#x2014; und mit &#x017F;einer<lb/>
&#x017F;chönen Tochter <hi rendition="#aq">Sophie,</hi> die fa&#x017F;t nur mich und die Bibel lie&#x017F;et, auch<lb/>
das Schwer&#x017F;te ver&#x017F;teht oder &#x017F;ich erklären läßt und die ich nach dem<lb n="30"/>
Wun&#x017F;che der Mutter zum Heirathen bereden &#x017F;oll, weil &#x017F;ie alle<lb/>
Männer aus&#x017F;chlägt, um nicht in der Ehe ihre Mutter weniger zu<lb/>
lieben.</p><lb/>
        <p>Der ge&#x017F;ellige Ton hier i&#x017F;t Leichtigkeit, An&#x017F;tand und Freude; vier<lb/>
ausgetrunkne Pun&#x017F;chbowlen bei Voß und 100 ausgetrunkne Wein-<lb n="35"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0129] forſtrath Gatterer und für Donnerſtags die Singakademie von Thibaut und Eſſen. Wie ſoll ich die Liebe und Achtung malen, womit ich hier bis zur Übertreibung geſucht werde? Der Hund allein könnt’ es, weil der nie ſo gut gefüttert wurde von ſchönen Händen als hier. 5 Heute brachten mir der Profeſſor Hegel und der Hofrath Kreuzer mit den Pedellen hinter ſich im Namen der Univerſität das perga- mentene Doktordiplom in einer langen rothen Kapſel. Max ſoll dir das papierne überſetzen. Du kannſt es dann überall herumgeben. — Du mußt aus dieſem Briefe an dich vorleſen und ihn Emanuel 10 und Otto geben und *) den an Emanuel nachleſen; denn es iſt mir ſchlechterdings unmöglich, ſo manches zweimal, ja kaum einmal zu ſchreiben. Ich habe hier Stunden erlebt, wie ich ſie nie unter dem ſchönſten Himmel meines Lebens gefunden, beſonders die Waſſerfahrt, das 15 Studentenvivat und die geſtrigen Geſänge aus der altital[ieniſchen] Muſik; aber ich danke auch dem Allgütigen ſo viel ich kann, durch Milde, Stille, Beſcheidenheit, Liebe und Rechtſein gegen jeder- mann. Apropos! Der Dachdecker ſoll hieher auf der Poſt nach den [!] 20 D. von Ditmar zwei Büſten von mir, jede aber beſonders gepackt — weil die eine noch weiter geht — und an den Kirchenrath Schwarz eine ſenden. Findet man ſie hier ähnlich: kann er viel abſetzen. Mit Menſchen verweb’ ich mich, von welchen ich früher Ent- 25 fernen gefürchtet, z. B. mit Paulus, mit ſeiner Frau — welche gar nichts von dem Jenaischen Rufe einer vordringlichen Literatur- koketten hat, ſondern eine klare tiefe Hausfrau iſt — und mit ſeiner ſchönen Tochter Sophie, die faſt nur mich und die Bibel lieſet, auch das Schwerſte verſteht oder ſich erklären läßt und die ich nach dem 30 Wunſche der Mutter zum Heirathen bereden ſoll, weil ſie alle Männer ausſchlägt, um nicht in der Ehe ihre Mutter weniger zu lieben. Der geſellige Ton hier iſt Leichtigkeit, Anſtand und Freude; vier ausgetrunkne Punſchbowlen bei Voß und 100 ausgetrunkne Wein- 35 *) Auch den von der Ende gib ihnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/129
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/129>, abgerufen am 02.05.2024.