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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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von seinem Schaffen nicht ausruht, sondern noch segnender fortfährt.
Nehmen Sie hier gütig meinen Dank, meine Liebe und meine Ver-
ehrung auf.

Ihr
Jean Paul Fr. Richter
5


293. An Karoline Richter.

Das erste was ich hier nach dem Stuhle genommen, ist eine Feder,
um dir zu schreiben, daß freilich mein Regensburger Kutscher sehr
gut war, aber mein jetziger und sein Gaul zehnmal besser. Gegen10
5 Uhr reisete ich von Baireut d.h. von dir ab und kam um 81/4 in
Holfeld an -- ein sechs Stunden-Weg -- und um 111/4 in Würg-
gau,
von wo aus noch zwei Flugstunden nach Bamberg sind. Extra-
post ist Schneckenpost dagegen. Mein Kutscher, der wie der vorige
in preußischen und französischen Diensten gewesen, übertrifft diesen.15
Das Wetter sinnt ordentlich darauf, seinen Schönmaler und Sil-
houetteur in etwas zu belohnen. Schon morgen werd' ich in Würz-
burg
ankommen, um nicht doppelte Wirthshäuser zu bezahlen. In
Holfeld ließ der edle Kutscher weder sich noch seinem Pferde geben,
aber ich gab beiden zu essen und zu fressen und der Bach und mein20
Krug zu saufen.

Und doch neckte mich wieder das Morgen-Schicksal, daß mein
Kutscher durch meine Mixturen von Wein und Likör zwar vernünftig
blieb, bis er in Würgau vom Bocke stieg; aber nachher erkrankte
und zuletzt neben mir im Wagen sitzen mußte. Jetzo haben wir uns25
beide etwas Gescheiteres vorgesetzt; und eben schläft er.


Schon heute um 61/2 Uhr langt' ich hier an, ob ich gleich um
5 Uhr ausgefahren. Denn der Gaul macht 4 Poststunden stets in 2,
ja zuweilen in 1 2/3 . Das Wetter ist kühl, hell und göttlich. Aber hier30
neckte mich wieder das Schicksal so gar arg und unerwartet -- und doch
bleib ich bei meiner alten Hoffnung auf ganz besondere Freuden --
daß ich morgen Nachmittag abfliege, also schon Sonnabends in
Heidelberg absteige. Erstlich durch eine falsche Empfehlung unter-
wegs gerieth ich in einen schlechten Gasthof (zum Adler), der gleich-35

von ſeinem Schaffen nicht ausruht, ſondern noch ſegnender fortfährt.
Nehmen Sie hier gütig meinen Dank, meine Liebe und meine Ver-
ehrung auf.

Ihr
Jean Paul Fr. Richter
5


293. An Karoline Richter.

Das erſte was ich hier nach dem Stuhle genommen, iſt eine Feder,
um dir zu ſchreiben, daß freilich mein Regensburger Kutſcher ſehr
gut war, aber mein jetziger und ſein Gaul zehnmal beſſer. Gegen10
5 Uhr reiſete ich von Baireut d.h. von dir ab und kam um 8¼ in
Holfeld an — ein ſechs Stunden-Weg — und um 11¼ in Würg-
gau,
von wo aus noch zwei Flugſtunden nach Bamberg ſind. Extra-
poſt iſt Schneckenpoſt dagegen. Mein Kutſcher, der wie der vorige
in preußiſchen und franzöſiſchen Dienſten geweſen, übertrifft dieſen.15
Das Wetter ſinnt ordentlich darauf, ſeinen Schönmaler und Sil-
houetteur in etwas zu belohnen. Schon morgen werd’ ich in Würz-
burg
ankommen, um nicht doppelte Wirthshäuſer zu bezahlen. In
Holfeld ließ der edle Kutſcher weder ſich noch ſeinem Pferde geben,
aber ich gab beiden zu eſſen und zu freſſen und der Bach und mein20
Krug zu ſaufen.

Und doch neckte mich wieder das Morgen-Schickſal, daß mein
Kutſcher durch meine Mixturen von Wein und Likör zwar vernünftig
blieb, bis er in Würgau vom Bocke ſtieg; aber nachher erkrankte
und zuletzt neben mir im Wagen ſitzen mußte. Jetzo haben wir uns25
beide etwas Geſcheiteres vorgeſetzt; und eben ſchläft er.


Schon heute um 6½ Uhr langt’ ich hier an, ob ich gleich um
5 Uhr ausgefahren. Denn der Gaul macht 4 Poſtſtunden ſtets in 2,
ja zuweilen in 1⅔. Das Wetter iſt kühl, hell und göttlich. Aber hier30
neckte mich wieder das Schickſal ſo gar arg und unerwartet — und doch
bleib ich bei meiner alten Hoffnung auf ganz beſondere Freuden —
daß ich morgen Nachmittag abfliege, alſo ſchon Sonnabends in
Heidelberg abſteige. Erſtlich durch eine falſche Empfehlung unter-
wegs gerieth ich in einen ſchlechten Gaſthof (zum Adler), der gleich-35

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[117/0123] von ſeinem Schaffen nicht ausruht, ſondern noch ſegnender fortfährt. Nehmen Sie hier gütig meinen Dank, meine Liebe und meine Ver- ehrung auf. Ihr Jean Paul Fr. Richter 5 293. An Karoline Richter. Bamberg am Mittwoch [2. Juli] 1817 Das erſte was ich hier nach dem Stuhle genommen, iſt eine Feder, um dir zu ſchreiben, daß freilich mein Regensburger Kutſcher ſehr gut war, aber mein jetziger und ſein Gaul zehnmal beſſer. Gegen 10 5 Uhr reiſete ich von Baireut d.h. von dir ab und kam um 8¼ in Holfeld an — ein ſechs Stunden-Weg — und um 11¼ in Würg- gau, von wo aus noch zwei Flugſtunden nach Bamberg ſind. Extra- poſt iſt Schneckenpoſt dagegen. Mein Kutſcher, der wie der vorige in preußiſchen und franzöſiſchen Dienſten geweſen, übertrifft dieſen. 15 Das Wetter ſinnt ordentlich darauf, ſeinen Schönmaler und Sil- houetteur in etwas zu belohnen. Schon morgen werd’ ich in Würz- burg ankommen, um nicht doppelte Wirthshäuſer zu bezahlen. In Holfeld ließ der edle Kutſcher weder ſich noch ſeinem Pferde geben, aber ich gab beiden zu eſſen und zu freſſen und der Bach und mein 20 Krug zu ſaufen. Und doch neckte mich wieder das Morgen-Schickſal, daß mein Kutſcher durch meine Mixturen von Wein und Likör zwar vernünftig blieb, bis er in Würgau vom Bocke ſtieg; aber nachher erkrankte und zuletzt neben mir im Wagen ſitzen mußte. Jetzo haben wir uns 25 beide etwas Geſcheiteres vorgeſetzt; und eben ſchläft er. Würzburg am Donnerstag Schon heute um 6½ Uhr langt’ ich hier an, ob ich gleich um 5 Uhr ausgefahren. Denn der Gaul macht 4 Poſtſtunden ſtets in 2, ja zuweilen in 1⅔. Das Wetter iſt kühl, hell und göttlich. Aber hier 30 neckte mich wieder das Schickſal ſo gar arg und unerwartet — und doch bleib ich bei meiner alten Hoffnung auf ganz beſondere Freuden — daß ich morgen Nachmittag abfliege, alſo ſchon Sonnabends in Heidelberg abſteige. Erſtlich durch eine falſche Empfehlung unter- wegs gerieth ich in einen ſchlechten Gaſthof (zum Adler), der gleich- 35

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/123>, abgerufen am 02.05.2024.