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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954.

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N. S. Rückerts Gedicht an den König hat den rechten besten
Herzenton; einige Länge und einige Nachläßigkeiten abgerechnet.
Keiner sollte sich gehen lassen, der gut gehen kann und fliegen dazu.

263. An Charlotte Schütz in Jena.
[Kopie]5

-- daß Ihnen ein Buch schwerer anzubringen als hervorzubringen
wird und daß es leichter aus dem Kopfe als in die Köpfe kommt.
Es ist dieses aber leider das Schicksal jeder geistigen Erstgeburt, die
wie bei den Juden eine körperliche, immer geopfert wird. -- Ihren
Vierbogenbrief entziehen Sie mir ja nicht, wenn er auch für mich10
mehr ein Steck- als Adelbrief sein sollte. Ich lese oft genug, daß
ich nicht genützt; aber nie recht, wo und wie ich geschadet, wenn
gleich mit dem frömmsten Willen. Indeß ohne Wehthun an ein-
zelnen ist kein Wolthun an vielen möglich. Leben Sie hoffend!
Der einzige rechte Wunsch für Sterbliche.15

264. An Emanuel.

Guten Morgen, Alter! Der neueste Verbrennprozeß wundert
mich am wenigsten, da C. allerlei frohe Träume, wenigstens früher,
in ihrem Bette gehabt haben mag. Das Herrlichste ist, daß Sie20
doch Ihre herrlichen Briefe aufbewahret haben, für deren Veran-
lassen allen Korrespondentinnen zu danken ist. -- Hätt' ich einem
Fürsten in einem Romane eine Rede anzudichten: eine bessere als
die des Würt[embergischen] Königs fiele mir nicht ein. -- Hier ist
mein Freiexemplar des Morgenblattes, das Sie nun zugleich25
bequem und unzertheilt lesen können -- und das Sie schon heuer
noch hindurchbringen.

265. An Emanuel.

Ach mein lieber Emanuel, den ich jedes Jahr mehr lieben muß,30
zumal da die Jahre dazu auf der Erde immer knapper werden, die
Menschen machen aus mir armen Sterblichen zu viel und Sie am
meisten. Dank Ihnen und Ihrer Flora; sie belohne Sie für das

N. S. Rückerts Gedicht an den König hat den rechten beſten
Herzenton; einige Länge und einige Nachläßigkeiten abgerechnet.
Keiner ſollte ſich gehen laſſen, der gut gehen kann und fliegen dazu.

263. An Charlotte Schütz in Jena.
[Kopie]5

— daß Ihnen ein Buch ſchwerer anzubringen als hervorzubringen
wird und daß es leichter aus dem Kopfe als in die Köpfe kommt.
Es iſt dieſes aber leider das Schickſal jeder geiſtigen Erſtgeburt, die
wie bei den Juden eine körperliche, immer geopfert wird. — Ihren
Vierbogenbrief entziehen Sie mir ja nicht, wenn er auch für mich10
mehr ein Steck- als Adelbrief ſein ſollte. Ich leſe oft genug, daß
ich nicht genützt; aber nie recht, wo und wie ich geſchadet, wenn
gleich mit dem frömmſten Willen. Indeß ohne Wehthun an ein-
zelnen iſt kein Wolthun an vielen möglich. Leben Sie hoffend!
Der einzige rechte Wunſch für Sterbliche.15

264. An Emanuel.

Guten Morgen, Alter! Der neueſte Verbrennprozeß wundert
mich am wenigſten, da C. allerlei frohe Träume, wenigſtens früher,
in ihrem Bette gehabt haben mag. Das Herrlichſte iſt, daß Sie20
doch Ihre herrlichen Briefe aufbewahret haben, für deren Veran-
laſſen allen Korreſpondentinnen zu danken iſt. — Hätt’ ich einem
Fürſten in einem Romane eine Rede anzudichten: eine beſſere als
die des Würt[embergiſchen] Königs fiele mir nicht ein. — Hier iſt
mein Freiexemplar des Morgenblattes, das Sie nun zugleich25
bequem und unzertheilt leſen können — und das Sie ſchon heuer
noch hindurchbringen.

265. An Emanuel.

Ach mein lieber Emanuel, den ich jedes Jahr mehr lieben muß,30
zumal da die Jahre dazu auf der Erde immer knapper werden, die
Menſchen machen aus mir armen Sterblichen zu viel und Sie am
meiſten. Dank Ihnen und Ihrer Flora; ſie belohne Sie für das

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[104/0109] N. S. Rückerts Gedicht an den König hat den rechten beſten Herzenton; einige Länge und einige Nachläßigkeiten abgerechnet. Keiner ſollte ſich gehen laſſen, der gut gehen kann und fliegen dazu. 263. An Charlotte Schütz in Jena. [Bayreuth, 9. März 1817] 5 — daß Ihnen ein Buch ſchwerer anzubringen als hervorzubringen wird und daß es leichter aus dem Kopfe als in die Köpfe kommt. Es iſt dieſes aber leider das Schickſal jeder geiſtigen Erſtgeburt, die wie bei den Juden eine körperliche, immer geopfert wird. — Ihren Vierbogenbrief entziehen Sie mir ja nicht, wenn er auch für mich 10 mehr ein Steck- als Adelbrief ſein ſollte. Ich leſe oft genug, daß ich nicht genützt; aber nie recht, wo und wie ich geſchadet, wenn gleich mit dem frömmſten Willen. Indeß ohne Wehthun an ein- zelnen iſt kein Wolthun an vielen möglich. Leben Sie hoffend! Der einzige rechte Wunſch für Sterbliche. 15 264. An Emanuel. [Bayreuth, 10. März 1817] Guten Morgen, Alter! Der neueſte Verbrennprozeß wundert mich am wenigſten, da C. allerlei frohe Träume, wenigſtens früher, in ihrem Bette gehabt haben mag. Das Herrlichſte iſt, daß Sie 20 doch Ihre herrlichen Briefe aufbewahret haben, für deren Veran- laſſen allen Korreſpondentinnen zu danken iſt. — Hätt’ ich einem Fürſten in einem Romane eine Rede anzudichten: eine beſſere als die des Würt[embergiſchen] Königs fiele mir nicht ein. — Hier iſt mein Freiexemplar des Morgenblattes, das Sie nun zugleich 25 bequem und unzertheilt leſen können — und das Sie ſchon heuer noch hindurchbringen. 265. An Emanuel. [Bayreuth, 21. März 1817] Ach mein lieber Emanuel, den ich jedes Jahr mehr lieben muß, 30 zumal da die Jahre dazu auf der Erde immer knapper werden, die Menſchen machen aus mir armen Sterblichen zu viel und Sie am meiſten. Dank Ihnen und Ihrer Flora; ſie belohne Sie für das

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:19:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:19:52Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 7. Berlin, 1954, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe07_1954/109>, abgerufen am 02.05.2024.