bessern Mittel, bis später die Vernunft sogar den herbeigeführten Sturm beschwören lernt.
N. S. Ottos Antwort hat er auf Ihre Treppe gelegt.
Ich bitte Sie, meinen Max so lange als das Scharlachfieber bei Weidm[anns] herrscht, nicht zu Otto zu schicken.5
*213. An Ernst Wagner in Meiningen.
Bayreuth d. 26 Dec. 1809
Mein lieber Wagner! Sie geben zugleich viel Schmerz und viel Freude; aber diese mehrt jenen. Wär' ich nur bekannter mit Ihrer Krankheitsgeschichte, so wollt' ich Ihre -- höchst wahrschein-10 lich nur hysterischen -- Besorgnisse umwerfen. Beim Teufel! er soll Sie noch nicht holen, und Gott eben so wenig. --
Auch ich hatte so einen Krankheits-Besuch den Sommer hin- durch (das Wechselfieber), der erste seit 40 Jahren; indeß heilt' ich mich selber ohne Bett und Arzt.15
Ich habe gar nichts dagegen, daß Sie mein Gesicht als Ihre Maske aufsetzen. Leider schickten Sie mir nur so wenige Register- Buchstaben. Es ist eine schöne Individualität in diesem Register, das wie ein Roman anzieht und fortführt. Erfreulich waren für mich -- der ich nie daran dachte -- solche Kombinazionen des Zufalls20 und Ihres Witzes wie bei Kuhschnappel und besonders bei Hornrichter.
Meine Kinder sind so wenig krank als die Sterne; können aber auch kaum ihren Namen schreiben. Vid. infra!
Rufen Sie meinen jüngsten Gruß aus Ihrem Fenster dem Alt- Jüngling in seines hinüber, meinem theuern Heim, den ich eben so25 erfreuet lachen als dozieren hörte. Ja ich glaube, er könnte mich schelten, und ich fände noch Reize.
Hier nur einige unbedeutende Sprachanmerkungen über Ihre trefflichen Hefte .... etc.
Leben Sie wol! -- Nein! sondern: leben Sie, guter Wagner,30 damit ich Sie wieder sehe.
Ihr J. P. F. Richter
[Darunter die selbstgekritzelten Namen der Kinder und einige Zeilen von Karoline.]35
6 Jean Paul Briefe. VI.
beſſern Mittel, bis ſpäter die Vernunft ſogar den herbeigeführten Sturm beſchwören lernt.
N. S. Ottos Antwort hat er auf Ihre Treppe gelegt.
Ich bitte Sie, meinen Max ſo lange als das Scharlachfieber bei Weidm[anns] herrſcht, nicht zu Otto zu ſchicken.5
*213. An Ernſt Wagner in Meiningen.
Bayreuth d. 26 Dec. 1809
Mein lieber Wagner! Sie geben zugleich viel Schmerz und viel Freude; aber dieſe mehrt jenen. Wär’ ich nur bekannter mit Ihrer Krankheitsgeſchichte, ſo wollt’ ich Ihre — höchſt wahrſchein-10 lich nur hyſteriſchen — Beſorgniſſe umwerfen. Beim Teufel! er ſoll Sie noch nicht holen, und Gott eben ſo wenig. —
Auch ich hatte ſo einen Krankheits-Beſuch den Sommer hin- durch (das Wechſelfieber), der erſte ſeit 40 Jahren; indeß heilt’ ich mich ſelber ohne Bett und Arzt.15
Ich habe gar nichts dagegen, daß Sie mein Geſicht als Ihre Maſke aufſetzen. Leider ſchickten Sie mir nur ſo wenige Regiſter- Buchſtaben. Es iſt eine ſchöne Individualität in dieſem Regiſter, das wie ein Roman anzieht und fortführt. Erfreulich waren für mich — der ich nie daran dachte — ſolche Kombinazionen des Zufalls20 und Ihres Witzes wie bei Kuhſchnappel und beſonders bei Hornrichter.
Meine Kinder ſind ſo wenig krank als die Sterne; können aber auch kaum ihren Namen ſchreiben. Vid. infra!
Rufen Sie meinen jüngſten Gruß aus Ihrem Fenſter dem Alt- Jüngling in ſeines hinüber, meinem theuern Heim, den ich eben ſo25 erfreuet lachen als dozieren hörte. Ja ich glaube, er könnte mich ſchelten, und ich fände noch Reize.
Hier nur einige unbedeutende Sprachanmerkungen über Ihre trefflichen Hefte .... ꝛc.
Leben Sie wol! — Nein! ſondern: leben Sie, guter Wagner,30 damit ich Sie wieder ſehe.
Ihr J. P. F. Richter
[Darunter die selbstgekritzelten Namen der Kinder und einige Zeilen von Karoline.]35
6 Jean Paul Briefe. VI.
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N. S. Ottos Antwort hat er auf Ihre Treppe gelegt.
Ich bitte Sie, meinen Max ſo lange als das Scharlachfieber
bei Weidm[anns] herrſcht, nicht zu Otto zu ſchicken. 5
*213. An Ernſt Wagner in Meiningen.
Bayreuth d. 26 Dec. 1809
Mein lieber Wagner! Sie geben zugleich viel Schmerz und
viel Freude; aber dieſe mehrt jenen. Wär’ ich nur bekannter mit
Ihrer Krankheitsgeſchichte, ſo wollt’ ich Ihre — höchſt wahrſchein- 10
lich nur hyſteriſchen — Beſorgniſſe umwerfen. Beim Teufel! er
ſoll Sie noch nicht holen, und Gott eben ſo wenig. —
Auch ich hatte ſo einen Krankheits-Beſuch den Sommer hin-
durch (das Wechſelfieber), der erſte ſeit 40 Jahren; indeß heilt’ ich
mich ſelber ohne Bett und Arzt. 15
Ich habe gar nichts dagegen, daß Sie mein Geſicht als Ihre
Maſke aufſetzen. Leider ſchickten Sie mir nur ſo wenige Regiſter-
Buchſtaben. Es iſt eine ſchöne Individualität in dieſem Regiſter,
das wie ein Roman anzieht und fortführt. Erfreulich waren für
mich — der ich nie daran dachte — ſolche Kombinazionen des Zufalls 20
und Ihres Witzes wie bei Kuhſchnappel und beſonders bei Hornrichter.
Meine Kinder ſind ſo wenig krank als die Sterne; können aber
auch kaum ihren Namen ſchreiben. Vid. infra!
Rufen Sie meinen jüngſten Gruß aus Ihrem Fenſter dem Alt-
Jüngling in ſeines hinüber, meinem theuern Heim, den ich eben ſo 25
erfreuet lachen als dozieren hörte. Ja ich glaube, er könnte mich
ſchelten, und ich fände noch Reize.
Hier nur einige unbedeutende Sprachanmerkungen über Ihre
trefflichen Hefte .... ꝛc.
Leben Sie wol! — Nein! ſondern: leben Sie, guter Wagner, 30
damit ich Sie wieder ſehe.
Ihr
J. P. F. Richter
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6 Jean Paul Briefe. VI.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/94>, abgerufen am 29.07.2024.
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