durch den harmlosen, unbefangenen des Reisenden, mit dessen Rock und Magen man so viel mitleidet unterwegs.
Ihre Bestechung zur Kollaboratur am Taschenbuche wirkt sehr stark gegen meine Abneigung vor Arbeiten solcher Art, welche mich ermatten, weil sie mich einschränken. Um indeß mein Wort be-5 quemer zu halten, geb' ich lieber keines. Sie und ich haben ja noch Zeit genug.
Leben Sie wol! Werde Ihnen in Weimar die Muse nicht zur Hausfrau, sondern bleibe die Braut!
Jean Paul Fr. Richter10
170. An Cotta.
Bayreuth d. 21. Okt. 09
Ich danke Ihnen für das Taschenbuch, das ich schon längst --, und für Herders Werke, -- die ich -- obwol vom 8. Sept. ab- gesandt -- erst vorige Woche empfangen. Desto mehr wünscht' ich15 oder eigentlich meine Freunde die Dämmerungen zu sehen, welche Ihr Brief und der Meßkatalog versprachen. Deren Abdruck in Jena ist mir lieb; weil ich dadurch der engbrüstigen und eng- köpfigen Zensur entgehe, welche mir aus meinem letzten Aufsatze für das Morgenblatt gerade die beiden besten Artikel wegköpfte.20
Wahrscheinlich ist Fromman an der verzögerten Abschickung schuld. In jedem Falle bitt' ich sehr um die schnellere.
Der Oberförster Wolf wünscht, daß ich ihm einen derben Stoß vor den Hintern gäbe, um ihn hinauf zu stoßen. Dazu ist mein Fuß zu gut; denn es ist zu unverschämt, sich blos auf den Gebrauch25 des Namens J. Paul berufen zu wollen, da er hinten mich ja Richter etc. nennt. Doch auch ohne dieß darf niemand einen an- genommenen Namen eines Autors wieder annehmen, weil sonst 10 Spitzbuben in jeder Messe sich J.P.'s, Novalis etc. nennen und so die Titel-Verwirrung ins Unendliche fortpflanzen könnten. Ja30 sogar nach der bloßen Jurisprudenz wäre ihm erlaubt, Geschlechts- namen anzunehmen; und ein neuer Herder brächte dann Zuwürfe zum alten -- -- wo hörte am Ende der Wirrwarr auf?
Leben Sie wol!
Ihr alter35 Jean Paul Fr. Richter
durch den harmloſen, unbefangenen des Reiſenden, mit deſſen Rock und Magen man ſo viel mitleidet unterwegs.
Ihre Beſtechung zur Kollaboratur am Taſchenbuche wirkt ſehr ſtark gegen meine Abneigung vor Arbeiten ſolcher Art, welche mich ermatten, weil ſie mich einſchränken. Um indeß mein Wort be-5 quemer zu halten, geb’ ich lieber keines. Sie und ich haben ja noch Zeit genug.
Leben Sie wol! Werde Ihnen in Weimar die Muſe nicht zur Hausfrau, ſondern bleibe die Braut!
Jean Paul Fr. Richter10
170. An Cotta.
Bayreuth d. 21. Okt. 09
Ich danke Ihnen für das Taſchenbuch, das ich ſchon längſt —, und für Herders Werke, — die ich — obwol vom 8. Sept. ab- geſandt — erſt vorige Woche empfangen. Deſto mehr wünſcht’ ich15 oder eigentlich meine Freunde die Dämmerungen zu ſehen, welche Ihr Brief und der Meßkatalog verſprachen. Deren Abdruck in Jena iſt mir lieb; weil ich dadurch der engbrüſtigen und eng- köpfigen Zenſur entgehe, welche mir aus meinem letzten Aufſatze für das Morgenblatt gerade die beiden beſten Artikel wegköpfte.20
Wahrſcheinlich iſt Fromman an der verzögerten Abſchickung ſchuld. In jedem Falle bitt’ ich ſehr um die ſchnellere.
Der Oberförſter Wolf wünſcht, daß ich ihm einen derben Stoß vor den Hintern gäbe, um ihn hinauf zu ſtoßen. Dazu iſt mein Fuß zu gut; denn es iſt zu unverſchämt, ſich blos auf den Gebrauch25 des Namens J. Paul berufen zu wollen, da er hinten mich ja Richter etc. nennt. Doch auch ohne dieß darf niemand einen an- genommenen Namen eines Autors wieder annehmen, weil ſonſt 10 Spitzbuben in jeder Meſſe ſich J.P.’s, Novalis ꝛc. nennen und ſo die Titel-Verwirrung ins Unendliche fortpflanzen könnten. Ja30 ſogar nach der bloßen Jurisprudenz wäre ihm erlaubt, Geſchlechts- namen anzunehmen; und ein neuer Herder brächte dann Zuwürfe zum alten — — wo hörte am Ende der Wirrwarr auf?
Leben Sie wol!
Ihr alter35 Jean Paul Fr. Richter
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[62/0071]
durch den harmloſen, unbefangenen des Reiſenden, mit deſſen Rock
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Ihre Beſtechung zur Kollaboratur am Taſchenbuche wirkt ſehr
ſtark gegen meine Abneigung vor Arbeiten ſolcher Art, welche mich
ermatten, weil ſie mich einſchränken. Um indeß mein Wort be- 5
quemer zu halten, geb’ ich lieber keines. Sie und ich haben ja
noch Zeit genug.
Leben Sie wol! Werde Ihnen in Weimar die Muſe nicht
zur Hausfrau, ſondern bleibe die Braut!
Jean Paul Fr. Richter 10
170. An Cotta.
Bayreuth d. 21. Okt. 09
Ich danke Ihnen für das Taſchenbuch, das ich ſchon längſt —,
und für Herders Werke, — die ich — obwol vom 8. Sept. ab-
geſandt — erſt vorige Woche empfangen. Deſto mehr wünſcht’ ich 15
oder eigentlich meine Freunde die Dämmerungen zu ſehen, welche
Ihr Brief und der Meßkatalog verſprachen. Deren Abdruck in
Jena iſt mir lieb; weil ich dadurch der engbrüſtigen und eng-
köpfigen Zenſur entgehe, welche mir aus meinem letzten Aufſatze
für das Morgenblatt gerade die beiden beſten Artikel wegköpfte. 20
Wahrſcheinlich iſt Fromman an der verzögerten Abſchickung
ſchuld. In jedem Falle bitt’ ich ſehr um die ſchnellere.
Der Oberförſter Wolf wünſcht, daß ich ihm einen derben Stoß
vor den Hintern gäbe, um ihn hinauf zu ſtoßen. Dazu iſt mein
Fuß zu gut; denn es iſt zu unverſchämt, ſich blos auf den Gebrauch 25
des Namens J. Paul berufen zu wollen, da er hinten mich ja
Richter etc. nennt. Doch auch ohne dieß darf niemand einen an-
genommenen Namen eines Autors wieder annehmen, weil ſonſt
10 Spitzbuben in jeder Meſſe ſich J.P.’s, Novalis ꝛc. nennen und
ſo die Titel-Verwirrung ins Unendliche fortpflanzen könnten. Ja 30
ſogar nach der bloßen Jurisprudenz wäre ihm erlaubt, Geſchlechts-
namen anzunehmen; und ein neuer Herder brächte dann Zuwürfe
zum alten — — wo hörte am Ende der Wirrwarr auf?
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Ihr alter 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/71>, abgerufen am 29.07.2024.
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