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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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für (nicht über) die Unsterblichkeit zu haben als im Kampaner Thal.
Freilich wie das All zu Gott, so verhält sich immer dieses Leben --
mit seinem unbegreiflichen entzweieten Zwielicht -- zum künftigen
-- -- aber dich will ich darüber hören, wenn auch nur auf 1 Brief-
seite. -- Nach dem Kampaner Thal wollt' ich etwas Aehnliches5
über das "Dasein Gottes" (vergib dieses Pinselwort der Mensch-
lein) schreiben; hielt mich aber noch nicht für fromm d. h. würdig
genug dazu. Jetzt könnt' ich etwas viel besseres darüber sagen;
aber leider! das alte Hindernis ist noch da.

2. N. S. Die alte Herder ist auch todt.10

161. An Friedrich Schlichtegroll in München.
[Kopie]

-- Ich konnte die Schläge des Kriegsgewitters nicht von fernen
hören, ohne an das deinige zu denken, das [?] auch darunter stand.
Jetzt kommt meines vielleicht auch unter diese Wolke.15

162. An Otto.

Willst du, Lieber, so gut sein und mir die Theodizee schicken
und von den beiden -- Jakobi und Müller -- welchen du eben
nicht brauchst? -- Die Daemmerungen stehen im Meßkatalog.20
-- Langermann sage, daß ich die verlangten Sachen schon gefunden
habe. -- Aus meinem Morgen-Übelbefinden Maifrösteln sah ich,
welches größere ich mir bei Dob[eneck] hätte ertrinken können.
Jenes verlängerte sich, weil ich dachte, ich könne nicht arbeiten,
und also keinen Wein trank. Endlich fing ich um 101/2 Uhr meine25
alte Lebensweise an -- siehe da, alles war vorbei und Mittags aß
ich zum ersten male in dieser Woche mit Hunger -- und kommt das
Gefühl der Gesundheit mit Flügeln herbei. Ich muß wirklich nur
mir folgen. Langermann, der gestern einen Magen, der mich
40 Jahre lange gesund gelassen, zu einem eben so alten Schwäch-30
ling machen wollte, war wirklich Sophist und inkonsequent und
widersprach sich und einem frühern Abend bei ihm. Sag' ihm
meinen Abendgruß und drücke das Obige so aus: er habe ganze
Jahre lange Recht gehabt, nur nicht den 4 Oktober Nachts.

für (nicht über) die Unſterblichkeit zu haben als im Kampaner Thal.
Freilich wie das All zu Gott, ſo verhält ſich immer dieſes Leben —
mit ſeinem unbegreiflichen entzweieten Zwielicht — zum künftigen
— — aber dich will ich darüber hören, wenn auch nur auf 1 Brief-
ſeite. — Nach dem Kampaner Thal wollt’ ich etwas Aehnliches5
über das „Daſein Gottes“ (vergib dieſes Pinſelwort der Menſch-
lein) ſchreiben; hielt mich aber noch nicht für fromm d. h. würdig
genug dazu. Jetzt könnt’ ich etwas viel beſſeres darüber ſagen;
aber leider! das alte Hindernis iſt noch da.

2. N. S. Die alte Herder iſt auch todt.10

161. An Friedrich Schlichtegroll in München.
[Kopie]

— Ich konnte die Schläge des Kriegsgewitters nicht von fernen
hören, ohne an das deinige zu denken, das [?] auch darunter ſtand.
Jetzt kommt meines vielleicht auch unter dieſe Wolke.15

162. An Otto.

Willſt du, Lieber, ſo gut ſein und mir die Theodizee ſchicken
und von den beiden — Jakobi und Müller — welchen du eben
nicht brauchſt? — Die Daemmerungen ſtehen im Meßkatalog.20
Langermann ſage, daß ich die verlangten Sachen ſchon gefunden
habe. — Aus meinem Morgen-Übelbefinden 〈Maifröſteln〉 ſah ich,
welches größere ich mir bei Dob[eneck] hätte ertrinken können.
Jenes verlängerte ſich, weil ich dachte, ich könne nicht arbeiten,
und alſo keinen Wein trank. Endlich fing ich um 10½ Uhr meine25
alte Lebensweiſe an — ſiehe da, alles war vorbei und Mittags aß
ich zum erſten male in dieſer Woche mit Hunger — und kommt das
Gefühl der Geſundheit mit Flügeln herbei. Ich muß wirklich nur
mir folgen. Langermann, der geſtern einen Magen, der mich
40 Jahre lange geſund gelaſſen, zu einem eben ſo alten Schwäch-30
ling machen wollte, war wirklich Sophiſt und inkonſequent und
widerſprach ſich und einem frühern Abend bei ihm. Sag’ ihm
meinen Abendgruß und drücke das Obige ſo aus: er habe ganze
Jahre lange Recht gehabt, nur nicht den 4 Oktober Nachts.

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[58/0067] für (nicht über) die Unſterblichkeit zu haben als im Kampaner Thal. Freilich wie das All zu Gott, ſo verhält ſich immer dieſes Leben — mit ſeinem unbegreiflichen entzweieten Zwielicht — zum künftigen — — aber dich will ich darüber hören, wenn auch nur auf 1 Brief- ſeite. — Nach dem Kampaner Thal wollt’ ich etwas Aehnliches 5 über das „Daſein Gottes“ (vergib dieſes Pinſelwort der Menſch- lein) ſchreiben; hielt mich aber noch nicht für fromm d. h. würdig genug dazu. Jetzt könnt’ ich etwas viel beſſeres darüber ſagen; aber leider! das alte Hindernis iſt noch da. 2. N. S. Die alte Herder iſt auch todt. 10 161. An Friedrich Schlichtegroll in München. [Bayreuth, 4. Okt. 1809] — Ich konnte die Schläge des Kriegsgewitters nicht von fernen hören, ohne an das deinige zu denken, das [?] auch darunter ſtand. Jetzt kommt meines vielleicht auch unter dieſe Wolke. 15 162. An Otto. [Bayreuth, 4. Okt. 1809] Willſt du, Lieber, ſo gut ſein und mir die Theodizee ſchicken und von den beiden — Jakobi und Müller — welchen du eben nicht brauchſt? — Die Daemmerungen ſtehen im Meßkatalog. 20 — Langermann ſage, daß ich die verlangten Sachen ſchon gefunden habe. — Aus meinem Morgen-Übelbefinden 〈Maifröſteln〉 ſah ich, welches größere ich mir bei Dob[eneck] hätte ertrinken können. Jenes verlängerte ſich, weil ich dachte, ich könne nicht arbeiten, und alſo keinen Wein trank. Endlich fing ich um 10½ Uhr meine 25 alte Lebensweiſe an — ſiehe da, alles war vorbei und Mittags aß ich zum erſten male in dieſer Woche mit Hunger — und kommt das Gefühl der Geſundheit mit Flügeln herbei. Ich muß wirklich nur mir folgen. Langermann, der geſtern einen Magen, der mich 40 Jahre lange geſund gelaſſen, zu einem eben ſo alten Schwäch- 30 ling machen wollte, war wirklich Sophiſt und inkonſequent und widerſprach ſich und einem frühern Abend bei ihm. Sag’ ihm meinen Abendgruß und drücke das Obige ſo aus: er habe ganze Jahre lange Recht gehabt, nur nicht den 4 Oktober Nachts.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/67>, abgerufen am 06.05.2024.