Gedichte blüht und wärmt. Es wäre närrisch, wenn man nahe an der Ewigkeit veralten wollte, die ja keine Zeit und kein Alter kennt. -- Einen herzlichen guten Morgen, Mittag und Abend für Sie und Ihre Gattin!
Ihr alter Freund5 Jean Paul Fr. Richter
*877. An Joh. David Mumenthaler in Langenthal.
Baireuth d. 18 Mai 1814
Beichte: ich habe Ihre beiden Briefe erhalten, und doch ge- schwiegen bis heute.10
Besserung: eben schreib' ich.
Absoluzion: Sie antworten.
Aber deutlicher, -- lieber, alter, guter Herzensfreund! -- Ihr Paquet vom 26ten August 1813 kam nahe vor der großen Entwicke- lung des Kriegs, der die Posten sperrte. Dadurch kam ich ins lange15 Schweigen, und aus dem langen kommt man spät heraus, z. B. den 18ten Mai. Ihr Brief mit Ihrem herzlichen Zutrauen zu mir erquickte mich, und daher haben alle Ihre Bitten und Äußerungen keine Rechtfertigung nöthig, da sie die schönste in sich selber führen.
Ein Miniatürbild von mir könnt' ich Ihnen in Baireuth nicht20 anders verschaffen als daß Sie neben mir auf dem Kanapee säßen, weil mein Bild dann in Ihrem Auge gut getroffen hinge, so lange Sie dieses nicht schlößen; -- bei der Gelegenheit wäre eben wieder mein Auge ein guter Miniatürmaler von Ihnen; -- sonst übrigens kenn' ich niemand hier, der malen kann, auch nur erträglich. -- Alle25 größere Bilder und Kupferstiche von mir -- besonders die Pfen- ningers -- sind Zerrbilder meines armen Gesichts. Nur Ein gutes getroffenes Oelgemälde hat Meyer in Dresden mit Kunst und Liebe von mir geliefert.
Ihren Vorschlag eines genialen Thermometers kann ich -- die30 Rangordnung meiner nicht einmal gerechnet -- schon darum nicht gut heißen, weil der Siedpunkt eben so wol als Tadel gelten könnte, und überhaupt Dichter nicht nach Graden blos der Wärme zu ordnen sind. Auch wäre eine Wärme- oder Temperaturskala etwas zu Kleinliches unter den Höhen der Schweiz.35
Gedichte blüht und wärmt. Es wäre närriſch, wenn man nahe an der Ewigkeit veralten wollte, die ja keine Zeit und kein Alter kennt. — Einen herzlichen guten Morgen, Mittag und Abend für Sie und Ihre Gattin!
Ihr alter Freund5 Jean Paul Fr. Richter
*877. An Joh. David Mumenthaler in Langenthal.
Baireuth d. 18 Mai 1814
Beichte: ich habe Ihre beiden Briefe erhalten, und doch ge- ſchwiegen bis heute.10
Beſſerung: eben ſchreib’ ich.
Abſoluzion: Sie antworten.
Aber deutlicher, — lieber, alter, guter Herzensfreund! — Ihr Paquet vom 26ten Auguſt 1813 kam nahe vor der großen Entwicke- lung des Kriegs, der die Poſten ſperrte. Dadurch kam ich ins lange15 Schweigen, und aus dem langen kommt man ſpät heraus, z. B. den 18ten Mai. Ihr Brief mit Ihrem herzlichen Zutrauen zu mir erquickte mich, und daher haben alle Ihre Bitten und Äußerungen keine Rechtfertigung nöthig, da ſie die ſchönſte in ſich ſelber führen.
Ein Miniatürbild von mir könnt’ ich Ihnen in Baireuth nicht20 anders verſchaffen als daß Sie neben mir auf dem Kanapee ſäßen, weil mein Bild dann in Ihrem Auge gut getroffen hinge, ſo lange Sie dieſes nicht ſchlößen; — bei der Gelegenheit wäre eben wieder mein Auge ein guter Miniatürmaler von Ihnen; — ſonſt übrigens kenn’ ich niemand hier, der malen kann, auch nur erträglich. — Alle25 größere Bilder und Kupferſtiche von mir — beſonders die Pfen- ningers — ſind Zerrbilder meines armen Geſichts. Nur Ein gutes getroffenes Oelgemälde hat Meyer in Dresden mit Kunſt und Liebe von mir geliefert.
Ihren Vorſchlag eines genialen Thermometers kann ich — die30 Rangordnung meiner nicht einmal gerechnet — ſchon darum nicht gut heißen, weil der Siedpunkt eben ſo wol als Tadel gelten könnte, und überhaupt Dichter nicht nach Graden blos der Wärme zu ordnen ſind. Auch wäre eine Wärme- oder Temperaturſkala etwas zu Kleinliches unter den Höhen der Schweiz.35
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0398"n="382"/>
Gedichte blüht und wärmt. Es wäre närriſch, wenn man nahe an<lb/>
der Ewigkeit veralten wollte, die ja keine Zeit und kein Alter kennt.<lb/>— Einen herzlichen guten Morgen, Mittag und Abend für Sie<lb/>
und Ihre Gattin!</p><lb/><closer><salute><hirendition="#right">Ihr alter Freund<lbn="5"/>
Jean Paul Fr. Richter</hi></salute></closer></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>*877. An <hirendition="#g">Joh. David Mumenthaler in Langenthal.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#aq">Baireuth</hi> d. 18 Mai 1814</hi></dateline><lb/><list><item><hirendition="#g">Beichte</hi>: ich habe Ihre beiden Briefe erhalten, und doch ge-<lb/>ſchwiegen bis heute.<lbn="10"/></item><item><hirendition="#g">Beſſerung</hi>: eben ſchreib’ ich.</item><lb/><item><hirendition="#g">Abſoluzion</hi>: Sie antworten.</item></list><lb/><p>Aber deutlicher, — lieber, alter, guter Herzensfreund! — Ihr<lb/>
Paquet vom 26<hirendition="#sup">ten</hi> Auguſt 1813 kam nahe vor der großen Entwicke-<lb/>
lung des Kriegs, der die Poſten ſperrte. Dadurch kam ich ins lange<lbn="15"/>
Schweigen, und aus dem langen kommt man ſpät heraus, z. B.<lb/>
den 18<hirendition="#sup">ten</hi> Mai. Ihr Brief mit Ihrem herzlichen Zutrauen zu mir<lb/>
erquickte mich, und daher haben alle Ihre Bitten und Äußerungen<lb/>
keine Rechtfertigung nöthig, da ſie die ſchönſte in ſich ſelber führen.</p><lb/><p>Ein Miniatürbild von mir könnt’ ich Ihnen in <hirendition="#aq">Baireuth</hi> nicht<lbn="20"/>
anders verſchaffen als daß Sie neben mir auf dem Kanapee ſäßen,<lb/>
weil mein Bild dann in Ihrem Auge gut getroffen hinge, ſo lange<lb/>
Sie dieſes nicht ſchlößen; — bei <hirendition="#g">der</hi> Gelegenheit wäre eben wieder<lb/>
mein Auge ein guter Miniatürmaler von Ihnen; —ſonſt übrigens<lb/>
kenn’ ich niemand hier, der malen kann, auch nur erträglich. — Alle<lbn="25"/>
größere Bilder und Kupferſtiche von mir — beſonders die Pfen-<lb/>
ningers —ſind Zerrbilder meines armen Geſichts. Nur Ein gutes<lb/>
getroffenes Oelgemälde hat Meyer in Dresden mit Kunſt und<lb/>
Liebe von mir geliefert.</p><lb/><p>Ihren Vorſchlag eines genialen Thermometers kann ich — die<lbn="30"/>
Rangordnung meiner nicht einmal gerechnet —ſchon darum nicht<lb/>
gut heißen, weil der Siedpunkt eben ſo wol als Tadel gelten<lb/>
könnte, und überhaupt Dichter nicht nach Graden blos der Wärme<lb/>
zu ordnen ſind. Auch wäre eine Wärme- oder Temperaturſkala<lb/>
etwas zu Kleinliches unter den Höhen der Schweiz.<lbn="35"/></p></div></body></text></TEI>
[382/0398]
Gedichte blüht und wärmt. Es wäre närriſch, wenn man nahe an
der Ewigkeit veralten wollte, die ja keine Zeit und kein Alter kennt.
— Einen herzlichen guten Morgen, Mittag und Abend für Sie
und Ihre Gattin!
Ihr alter Freund 5
Jean Paul Fr. Richter
*877. An Joh. David Mumenthaler in Langenthal.
Baireuth d. 18 Mai 1814
Beichte: ich habe Ihre beiden Briefe erhalten, und doch ge-
ſchwiegen bis heute. 10
Beſſerung: eben ſchreib’ ich.
Abſoluzion: Sie antworten.
Aber deutlicher, — lieber, alter, guter Herzensfreund! — Ihr
Paquet vom 26ten Auguſt 1813 kam nahe vor der großen Entwicke-
lung des Kriegs, der die Poſten ſperrte. Dadurch kam ich ins lange 15
Schweigen, und aus dem langen kommt man ſpät heraus, z. B.
den 18ten Mai. Ihr Brief mit Ihrem herzlichen Zutrauen zu mir
erquickte mich, und daher haben alle Ihre Bitten und Äußerungen
keine Rechtfertigung nöthig, da ſie die ſchönſte in ſich ſelber führen.
Ein Miniatürbild von mir könnt’ ich Ihnen in Baireuth nicht 20
anders verſchaffen als daß Sie neben mir auf dem Kanapee ſäßen,
weil mein Bild dann in Ihrem Auge gut getroffen hinge, ſo lange
Sie dieſes nicht ſchlößen; — bei der Gelegenheit wäre eben wieder
mein Auge ein guter Miniatürmaler von Ihnen; — ſonſt übrigens
kenn’ ich niemand hier, der malen kann, auch nur erträglich. — Alle 25
größere Bilder und Kupferſtiche von mir — beſonders die Pfen-
ningers — ſind Zerrbilder meines armen Geſichts. Nur Ein gutes
getroffenes Oelgemälde hat Meyer in Dresden mit Kunſt und
Liebe von mir geliefert.
Ihren Vorſchlag eines genialen Thermometers kann ich — die 30
Rangordnung meiner nicht einmal gerechnet — ſchon darum nicht
gut heißen, weil der Siedpunkt eben ſo wol als Tadel gelten
könnte, und überhaupt Dichter nicht nach Graden blos der Wärme
zu ordnen ſind. Auch wäre eine Wärme- oder Temperaturſkala
etwas zu Kleinliches unter den Höhen der Schweiz. 35
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/398>, abgerufen am 07.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.