Ich wollte, ich hätte Ihren verjüngenden Brief -- denn jedermann braucht jetzt Verjüngung, er sei so jung als er wolle -- am Tage be- kommen, wo er wie ich geboren wurde. Schöner konnte meine vorige5 Nachbarschaft nicht palingenesiert werden. Warlich würd' ich frankiert wie Briefe eines Parlamentsgliedes oder eines R[eichs] Hofraths: längst wär' ich bei Ihnen, wenn nicht abgestiegen, doch eingetreten. Es ist erbärmlich, daß die 100 Lb, die man etwa wiegt, so viel Porto kosten -- im Falle man sie nicht selber trägt -- wenn man10 sie zu andern 100 Lb (ich meine Sie) spedieren will zu einem guten geo-, helio-, selenognostischen Diskurse. Lieber 100pfünder, um noch lange in d[ie] Welt zu feuern -- wenn andere feiern --, müssen Sie durchaus abends wenigstens Suppe essen; und ferner weit mehr Wein Mittags trinken als Sie etwa verschenken, wenigstens15 2 Gläser. Dieses Oel muß jährlich häufiger in Ihr Feuer gegossen werden. Ich wollte, Sie folgten hierin einem Mann, der sich nie krank werden ließ.
Vorschule Unterschied von der neuesten hohen Schule und ihren Pereats. -- Allerdings fehlen der Meininger Davids Harfe die20 Thiere gar nicht, woraus Saiten für und auf sie zu ziehen sind und welche David früher weidete. -- Warlich ohne Bibliotheken wäre das Erdenleben gar zu dünn und matt, z. B. in Bayreuth -- Er Feuerländer im schönsten Sinn.
94. An Henriette Schwendler in Meiningen.25
[Bayreuth, 9. April 1805?]
Dieses Blättchen sei nur ein längerer Guter Morgen, den ich Ihnen sage, um Sie zu erinnern, daß ich mich erinnere. Wie sehn' ich mich, jetzt wo Ihren Park bald die Nachtigallen und die Blüten füllen, eine Stunde darin mit Ihnen zu gehen! -- Indeß hab' ich30 Hoffnung, wenigstens in diesem Sommer meine Meininger Freunde zu sehen. Ich grüße in schöner Erinnerung die vortreffliche Frau Lochner, die um 2 Jahre früher hätte in Meiningen sein sollen. An alle Ihrigen meinen Gruß!
Richter35
3*
93. An Konſiſtorialpräſident Heim in Meiningen.
[Kopie]
[Bayreuth, 9. April 1805]
Ich wollte, ich hätte Ihren verjüngenden Brief — denn jedermann braucht jetzt Verjüngung, er ſei ſo jung als er wolle — am Tage be- kommen, wo er wie ich geboren wurde. Schöner konnte meine vorige5 Nachbarſchaft nicht palingeneſiert werden. Warlich würd’ ich frankiert wie Briefe eines Parlamentsgliedes oder eines R[eichs] Hofraths: längſt wär’ ich bei Ihnen, wenn nicht abgeſtiegen, doch eingetreten. Es iſt erbärmlich, daß die 100 ℔, die man etwa wiegt, ſo viel Porto koſten — im Falle man ſie nicht ſelber trägt — wenn man10 ſie zu andern 100 ℔ (ich meine Sie) ſpedieren will zu einem guten geo-, helio-, ſelenognoſtiſchen Diſkurſe. Lieber 100pfünder, um noch lange in d[ie] Welt zu feuern — wenn andere feiern —, müſſen Sie durchaus abends wenigſtens Suppe eſſen; und ferner weit mehr Wein Mittags trinken als Sie etwa verſchenken, wenigſtens15 2 Gläſer. Dieſes Oel muß jährlich häufiger in Ihr Feuer gegoſſen werden. Ich wollte, Sie folgten hierin einem Mann, der ſich nie krank werden ließ.
Vorſchule Unterſchied von der neueſten hohen Schule und ihren Pereats. — Allerdings fehlen der Meininger Davids Harfe die20 Thiere gar nicht, woraus Saiten für und auf ſie zu ziehen ſind und welche David früher weidete. — Warlich ohne Bibliotheken wäre das Erdenleben gar zu dünn und matt, z. B. in Bayreuth — Er Feuerländer im ſchönſten Sinn.
94. An Henriette Schwendler in Meiningen.25
[Bayreuth, 9. April 1805?]
Dieſes Blättchen ſei nur ein längerer Guter Morgen, den ich Ihnen ſage, um Sie zu erinnern, daß ich mich erinnere. Wie ſehn’ ich mich, jetzt wo Ihren Park bald die Nachtigallen und die Blüten füllen, eine Stunde darin mit Ihnen zu gehen! — Indeß hab’ ich30 Hoffnung, wenigſtens in dieſem Sommer meine Meininger Freunde zu ſehen. Ich grüße in ſchöner Erinnerung die vortreffliche Frau Lochner, die um 2 Jahre früher hätte in Meiningen ſein ſollen. An alle Ihrigen meinen Gruß!
Richter35
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93. An Konſiſtorialpräſident Heim in Meiningen.
[Kopie][Bayreuth, 9. April 1805]
Ich wollte, ich hätte Ihren verjüngenden Brief — denn jedermann
braucht jetzt Verjüngung, er ſei ſo jung als er wolle — am Tage be-
kommen, wo er wie ich geboren wurde. Schöner konnte meine vorige 5
Nachbarſchaft nicht palingeneſiert werden. Warlich würd’ ich
frankiert wie Briefe eines Parlamentsgliedes oder eines R[eichs]
Hofraths: längſt wär’ ich bei Ihnen, wenn nicht abgeſtiegen, doch
eingetreten. Es iſt erbärmlich, daß die 100 ℔, die man etwa wiegt, ſo
viel Porto koſten — im Falle man ſie nicht ſelber trägt — wenn man 10
ſie zu andern 100 ℔ (ich meine Sie) ſpedieren will zu einem guten
geo-, helio-, ſelenognoſtiſchen Diſkurſe. Lieber 100pfünder, um
noch lange in d[ie] Welt zu feuern — wenn andere feiern —,
müſſen Sie durchaus abends wenigſtens Suppe eſſen; und ferner weit
mehr Wein Mittags trinken als Sie etwa verſchenken, wenigſtens 15
2 Gläſer. Dieſes Oel muß jährlich häufiger in Ihr Feuer gegoſſen
werden. Ich wollte, Sie folgten hierin einem Mann, der ſich nie
krank werden ließ.
Vorſchule Unterſchied von der neueſten hohen Schule und ihren
Pereats. — Allerdings fehlen der Meininger Davids Harfe die 20
Thiere gar nicht, woraus Saiten für und auf ſie zu ziehen ſind und
welche David früher weidete. — Warlich ohne Bibliotheken wäre
das Erdenleben gar zu dünn und matt, z. B. in Bayreuth — Er
Feuerländer im ſchönſten Sinn.
94. An Henriette Schwendler in Meiningen. 25
[Bayreuth, 9. April 1805?]
Dieſes Blättchen ſei nur ein längerer Guter Morgen, den ich
Ihnen ſage, um Sie zu erinnern, daß ich mich erinnere. Wie ſehn’
ich mich, jetzt wo Ihren Park bald die Nachtigallen und die Blüten
füllen, eine Stunde darin mit Ihnen zu gehen! — Indeß hab’ ich 30
Hoffnung, wenigſtens in dieſem Sommer meine Meininger Freunde
zu ſehen. Ich grüße in ſchöner Erinnerung die vortreffliche Frau
Lochner, die um 2 Jahre früher hätte in Meiningen ſein ſollen. An
alle Ihrigen meinen Gruß!
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/48>, abgerufen am 16.02.2025.
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