und ich verdurste überall. -- Da bei einem Gewitter alle Metalle Zuleiter sind: so wird Kr[etschmann] mit dem seinigen eher gehen als die wiener Wetter-Wolke über seinen Schreibtisch zieht. Kr. sündigt nur für Ideen, nicht für Neigungen.
82. An Mahlmann in Leipzig.5
[Kopie]
[Bayreuth, 14. März 1805]
-- über Ernestine. Dein erster Schmerz, der kein letzter ist -- weil jedes Wort doch das wenige Grün wegreißet, das über das schönste Herz der Erde etwan wachsen kann -- Pest- oder Kleider- schrank des Schmerzes -- Deine Apotheke kan[n] nur in der Arbeits-10 stube liegen --
83. An Minna Spazier in Leipzig.
[Kopie]
[Bayreuth, 14. März 1805]
Unter allen grausenden Aussichten ist mir zwar keine es so sehr -- wenn ich das schon überstandne Grausen ausnehme, daß Merkel15 etc. neben mir saß -- als die, daß ich etwas für ein Taschenbuch zu schreiben habe, nicht bloß weil sich der gedachte wieder neben mir (nur später) einsetzt sondern (ernstlich) weil ich leichter ein Buch als einen Bogen mache -- weil ich keine andere Begränzung unver- wundet ertrage als die innere -- und weil es noch mehr Gründe20 gibt als diese Seite fäßt; aber weil Sie so wollen, so sei es so. -- Kleine Historiolen stehen außer meiner Gewalt, wie ich denn hier sie schon falsch, nämlich mit einem Pleonasmus benenne. -- den (Spazier) das Schicksal sonderbar mit Abhängigkeit und Freiheit, nämlich mit dem Wechselschein von beiden neckte -- Sie sind glück-25 licher als Mahlmann, Sie haben Kinder, er nur Kleider; eine Wittwe mit Kindern ist eben nie eine ganze. C[aroline] kan[n] über E[rnestine] keinen andern Schmerz haben als einen unsterblichen. Aber er wohnt nur in ihrer Seele und nicht in ihrem Körper, den der Wetterschlag zum Glück verschonte. [Daß Caroline, von der Sie30 etwas für den Vossischen Toilettenalmanach wünschen, ihre Feder, die zum kühnsten Fluge Kraft besitzt, rühren möge, war tausendmal auch mein Wunsch.] Aber der Wunsch eines Ehemanns hilft bei einer Frau sogar auch dan[n] nicht, wenn er ihr schmeichelhaft ist. Lieber ist C. eine Dichterin im Leben und wider das Leben als auf dem35
und ich verdurſte überall. — Da bei einem Gewitter alle Metalle Zuleiter ſind: ſo wird Kr[etschmann] mit dem ſeinigen eher gehen als die wiener Wetter-Wolke über ſeinen Schreibtiſch zieht. Kr. ſündigt nur für Ideen, nicht für Neigungen.
82. An Mahlmann in Leipzig.5
[Kopie]
[Bayreuth, 14. März 1805]
— über Ernestine. Dein erſter Schmerz, der kein letzter iſt — weil jedes Wort doch das wenige Grün wegreißet, das über das ſchönſte Herz der Erde etwan wachſen kann — Peſt- oder Kleider- ſchrank des Schmerzes — Deine Apotheke kan[n] nur in der Arbeits-10 ſtube liegen —
83. An Minna Spazier in Leipzig.
[Kopie]
[Bayreuth, 14. März 1805]
Unter allen grauſenden Ausſichten iſt mir zwar keine es ſo ſehr — wenn ich das ſchon überſtandne Grauſen ausnehme, daß Merkel15 ꝛc. neben mir ſaß — als die, daß ich etwas für ein Taſchenbuch zu ſchreiben habe, nicht bloß weil ſich der gedachte wieder neben mir (nur ſpäter) einſetzt ſondern (ernſtlich) weil ich leichter ein Buch als einen Bogen mache — weil ich keine andere Begränzung unver- wundet ertrage als die innere — und weil es noch mehr Gründe20 gibt als dieſe Seite fäßt; aber weil Sie ſo wollen, ſo ſei es ſo. — Kleine Hiſtoriolen ſtehen außer meiner Gewalt, wie ich denn hier ſie ſchon falſch, nämlich mit einem Pleonaſmus benenne. — den (Spazier) das Schickſal ſonderbar mit Abhängigkeit und Freiheit, nämlich mit dem Wechſelſchein von beiden neckte — Sie ſind glück-25 licher als Mahlmann, Sie haben Kinder, er nur Kleider; eine Wittwe mit Kindern iſt eben nie eine ganze. C[aroline] kan[n] über E[rnestine] keinen andern Schmerz haben als einen unſterblichen. Aber er wohnt nur in ihrer Seele und nicht in ihrem Körper, den der Wetterſchlag zum Glück verſchonte. [Daß Caroline, von der Sie30 etwas für den Voſſiſchen Toilettenalmanach wünſchen, ihre Feder, die zum kühnſten Fluge Kraft beſitzt, rühren möge, war tauſendmal auch mein Wunſch.] Aber der Wunſch eines Ehemanns hilft bei einer Frau ſogar auch dan[n] nicht, wenn er ihr ſchmeichelhaft iſt. Lieber iſt C. eine Dichterin im Leben und wider das Leben als auf dem35
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><p><pbfacs="#f0041"n="29"/>
und ich verdurſte überall. — Da bei einem Gewitter alle Metalle<lb/>
Zuleiter ſind: ſo wird <hirendition="#aq">Kr[etschmann]</hi> mit dem ſeinigen eher gehen<lb/>
als die wiener Wetter-Wolke über ſeinen Schreibtiſch zieht.<lb/><hirendition="#aq">Kr.</hi>ſündigt nur für Ideen, nicht für Neigungen.</p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>82. An <hirendition="#g">Mahlmann in Leipzig.</hi><lbn="5"/></head><byline>[Kopie]</byline><dateline><hirendition="#right">[Bayreuth, 14. März 1805]</hi></dateline><lb/><p>— über <hirendition="#aq">Ernestine.</hi> Dein erſter Schmerz, der kein letzter iſt —<lb/>
weil jedes Wort doch das wenige Grün wegreißet, das über das<lb/>ſchönſte Herz der Erde etwan wachſen kann — Peſt- oder Kleider-<lb/>ſchrank des Schmerzes — Deine Apotheke kan[n] nur in der Arbeits-<lbn="10"/>ſtube liegen —</p></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>83. An <hirendition="#g">Minna Spazier in Leipzig.</hi></head><lb/><byline>[Kopie]</byline><dateline><hirendition="#right">[Bayreuth, 14. März 1805]</hi></dateline><lb/><p>Unter allen grauſenden Ausſichten iſt mir zwar keine es ſo ſehr —<lb/>
wenn ich das ſchon überſtandne Grauſen ausnehme, daß Merkel<lbn="15"/>ꝛc. neben mir ſaß — als die, daß ich etwas für ein Taſchenbuch zu<lb/>ſchreiben habe, nicht bloß weil ſich der gedachte wieder neben mir<lb/>
(nur ſpäter) einſetzt ſondern (ernſtlich) weil ich leichter ein Buch als<lb/>
einen Bogen mache — weil ich keine andere Begränzung unver-<lb/>
wundet ertrage als die innere — und weil es noch mehr Gründe<lbn="20"/>
gibt als dieſe Seite fäßt; aber weil Sie ſo wollen, ſo ſei es ſo. —<lb/>
Kleine Hiſtoriolen ſtehen außer meiner Gewalt, wie ich denn hier<lb/>ſie ſchon falſch, nämlich mit einem Pleonaſmus benenne. — den<lb/>
(<hirendition="#aq">Spazier</hi>) das Schickſal ſonderbar mit Abhängigkeit und Freiheit,<lb/>
nämlich mit dem Wechſelſchein von beiden neckte — Sie ſind glück-<lbn="25"/>
licher als <hirendition="#aq">Mahlmann,</hi> Sie haben Kinder, er nur Kleider; eine<lb/>
Wittwe mit Kindern iſt eben nie eine ganze. <hirendition="#aq">C[aroline]</hi> kan[n] über<lb/><hirendition="#aq">E[rnestine]</hi> keinen andern Schmerz haben als einen unſterblichen.<lb/>
Aber er wohnt nur in ihrer Seele und nicht in ihrem Körper, den<lb/>
der Wetterſchlag zum Glück verſchonte. [Daß <hirendition="#aq">Caroline,</hi> von der Sie<lbn="30"/>
etwas für den Voſſiſchen Toilettenalmanach wünſchen, ihre Feder,<lb/>
die zum kühnſten Fluge Kraft beſitzt, rühren möge, war tauſendmal<lb/>
auch mein Wunſch.] Aber der Wunſch eines Ehemanns hilft bei<lb/>
einer Frau ſogar auch dan[n] nicht, wenn er ihr ſchmeichelhaft iſt.<lb/>
Lieber iſt <hirendition="#aq">C.</hi> eine Dichterin im Leben und wider das Leben als auf dem<lbn="35"/></p></div></body></text></TEI>
[29/0041]
und ich verdurſte überall. — Da bei einem Gewitter alle Metalle
Zuleiter ſind: ſo wird Kr[etschmann] mit dem ſeinigen eher gehen
als die wiener Wetter-Wolke über ſeinen Schreibtiſch zieht.
Kr. ſündigt nur für Ideen, nicht für Neigungen.
82. An Mahlmann in Leipzig. 5
[Kopie][Bayreuth, 14. März 1805]
— über Ernestine. Dein erſter Schmerz, der kein letzter iſt —
weil jedes Wort doch das wenige Grün wegreißet, das über das
ſchönſte Herz der Erde etwan wachſen kann — Peſt- oder Kleider-
ſchrank des Schmerzes — Deine Apotheke kan[n] nur in der Arbeits- 10
ſtube liegen —
83. An Minna Spazier in Leipzig.
[Kopie][Bayreuth, 14. März 1805]
Unter allen grauſenden Ausſichten iſt mir zwar keine es ſo ſehr —
wenn ich das ſchon überſtandne Grauſen ausnehme, daß Merkel 15
ꝛc. neben mir ſaß — als die, daß ich etwas für ein Taſchenbuch zu
ſchreiben habe, nicht bloß weil ſich der gedachte wieder neben mir
(nur ſpäter) einſetzt ſondern (ernſtlich) weil ich leichter ein Buch als
einen Bogen mache — weil ich keine andere Begränzung unver-
wundet ertrage als die innere — und weil es noch mehr Gründe 20
gibt als dieſe Seite fäßt; aber weil Sie ſo wollen, ſo ſei es ſo. —
Kleine Hiſtoriolen ſtehen außer meiner Gewalt, wie ich denn hier
ſie ſchon falſch, nämlich mit einem Pleonaſmus benenne. — den
(Spazier) das Schickſal ſonderbar mit Abhängigkeit und Freiheit,
nämlich mit dem Wechſelſchein von beiden neckte — Sie ſind glück- 25
licher als Mahlmann, Sie haben Kinder, er nur Kleider; eine
Wittwe mit Kindern iſt eben nie eine ganze. C[aroline] kan[n] über
E[rnestine] keinen andern Schmerz haben als einen unſterblichen.
Aber er wohnt nur in ihrer Seele und nicht in ihrem Körper, den
der Wetterſchlag zum Glück verſchonte. [Daß Caroline, von der Sie 30
etwas für den Voſſiſchen Toilettenalmanach wünſchen, ihre Feder,
die zum kühnſten Fluge Kraft beſitzt, rühren möge, war tauſendmal
auch mein Wunſch.] Aber der Wunſch eines Ehemanns hilft bei
einer Frau ſogar auch dan[n] nicht, wenn er ihr ſchmeichelhaft iſt.
Lieber iſt C. eine Dichterin im Leben und wider das Leben als auf dem 35
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/41>, abgerufen am 27.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.