die schwarze Finsternis nur immer an der Hälfte des Horizonts und in der Mitte nichts außer die schwache von meiner Hunds-Dinte!
Richter
*50. An Ernst Wagner in Meiningen.
Bayreuth d. 5 Jenn. 18055
Hier, Lieber, meine Doppelantwort! Hätt' ich mehr Zeit, so würd' ich mir gerne Ihre Briefe durch Fragen und Antworten zu verdienen suchen, so sehr erfreuen sie mich.
Im Januar ist ein Entschluß für den Februar ein Wagstück, sogar um den Preis einer Schöpfung. Den Nachtigallen in Ihrem Park10 reis' ich doch lieber nach -- weil es hier gar keine gibt -- als den menschlichen im Orchester.
Von meiner Aesthetik ruht die Hälfte noch unter meiner Gehirn- schale. Eine neue Auflage wird die zweite, oder den Zwilling bringen.
Eben hab' ich J. P.s Freiheits-Büchlein, eine Broschüre von15 9 Bogen, fortgeschickt, durch die Jenaische Fakultät veranlaßt, welche meine sonderbare Dedikazion an den Herzog von Gotha nicht drucken ließ. Jetzt erscheint sie gedruckt, sammt sechs Briefen von ihm und mir, und einer Abhandlung über die Preßfreiheit. Alles Philosophieren aber entwöhnt durch seine Leichtigkeit von der An-20 spannung des dichterischen Darstellens.
Emma sitzt auf meinem Schooß während ich dieß Blättchen voll- kritzle, und sagt immer: schreib Vater! Der zweite Geburtstag Maxens war der erste von Odilia, meines zweiten Mädchens, d. h. vor 8 Wochen. Leicht kam meine Frau vom Kindbett auf, das sonst25 der Teufel mit Geier- und Rabenfedern füllt. Ich und meine Frau sehnen uns herzlich nach den Herzlichen in Meiningen, um in einigen Tagen Jahre zu wiederholen und zu antizipieren.
Ihren jetzigen Spiel- und Schreibraum bereitete Ihnen ein sehr guter Genius, der wahrscheinlich an Ihrem Stile Freude hat. Es30 geh Ihnen immer besser!
51. An Frau von Lochner in Meiningen.
[Kopie]
[Bayreuth, 5. Jan. 1805]
-- Was ist eine erste Liebe, wenn sie die letzte Freude wäre oder würde.35
die ſchwarze Finſternis nur immer an der Hälfte des Horizonts und in der Mitte nichts außer die ſchwache von meiner Hunds-Dinte!
Richter
*50. An Ernſt Wagner in Meiningen.
Bayreuth d. 5 Jenn. 18055
Hier, Lieber, meine Doppelantwort! Hätt’ ich mehr Zeit, ſo würd’ ich mir gerne Ihre Briefe durch Fragen und Antworten zu verdienen ſuchen, ſo ſehr erfreuen ſie mich.
Im Januar iſt ein Entſchluß für den Februar ein Wagſtück, ſogar um den Preis einer Schöpfung. Den Nachtigallen in Ihrem Park10 reiſ’ ich doch lieber nach — weil es hier gar keine gibt — als den menſchlichen im Orcheſter.
Von meiner Aeſthetik ruht die Hälfte noch unter meiner Gehirn- ſchale. Eine neue Auflage wird die zweite, oder den Zwilling bringen.
Eben hab’ ich J. P.s Freiheits-Büchlein, eine Broſchüre von15 9 Bogen, fortgeſchickt, durch die Jenaiſche Fakultät veranlaßt, welche meine ſonderbare Dedikazion an den Herzog von Gotha nicht drucken ließ. Jetzt erſcheint ſie gedruckt, ſammt ſechs Briefen von ihm und mir, und einer Abhandlung über die Preßfreiheit. Alles Philoſophieren aber entwöhnt durch ſeine Leichtigkeit von der An-20 ſpannung des dichteriſchen Darſtellens.
Emma ſitzt auf meinem Schooß während ich dieß Blättchen voll- kritzle, und ſagt immer: ſchreib Vater! Der zweite Geburtstag Maxens war der erſte von Odilia, meines zweiten Mädchens, d. h. vor 8 Wochen. Leicht kam meine Frau vom Kindbett auf, das ſonſt25 der Teufel mit Geier- und Rabenfedern füllt. Ich und meine Frau ſehnen uns herzlich nach den Herzlichen in Meiningen, um in einigen Tagen Jahre zu wiederholen und zu antizipieren.
Ihren jetzigen Spiel- und Schreibraum bereitete Ihnen ein ſehr guter Genius, der wahrſcheinlich an Ihrem Stile Freude hat. Es30 geh Ihnen immer beſſer!
51. An Frau von Lochner in Meiningen.
[Kopie]
[Bayreuth, 5. Jan. 1805]
— Was iſt eine erſte Liebe, wenn ſie die letzte Freude wäre oder würde.35
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die ſchwarze Finſternis nur immer an der Hälfte des Horizonts und
in der Mitte nichts außer die ſchwache von meiner Hunds-Dinte!
Richter
*50. An Ernſt Wagner in Meiningen.
Bayreuth d. 5 Jenn. 1805 5
Hier, Lieber, meine Doppelantwort! Hätt’ ich mehr Zeit, ſo würd’
ich mir gerne Ihre Briefe durch Fragen und Antworten zu verdienen
ſuchen, ſo ſehr erfreuen ſie mich.
Im Januar iſt ein Entſchluß für den Februar ein Wagſtück, ſogar
um den Preis einer Schöpfung. Den Nachtigallen in Ihrem Park 10
reiſ’ ich doch lieber nach — weil es hier gar keine gibt — als den
menſchlichen im Orcheſter.
Von meiner Aeſthetik ruht die Hälfte noch unter meiner Gehirn-
ſchale. Eine neue Auflage wird die zweite, oder den Zwilling bringen.
Eben hab’ ich J. P.s Freiheits-Büchlein, eine Broſchüre von 15
9 Bogen, fortgeſchickt, durch die Jenaiſche Fakultät veranlaßt,
welche meine ſonderbare Dedikazion an den Herzog von Gotha nicht
drucken ließ. Jetzt erſcheint ſie gedruckt, ſammt ſechs Briefen von
ihm und mir, und einer Abhandlung über die Preßfreiheit. Alles
Philoſophieren aber entwöhnt durch ſeine Leichtigkeit von der An- 20
ſpannung des dichteriſchen Darſtellens.
Emma ſitzt auf meinem Schooß während ich dieß Blättchen voll-
kritzle, und ſagt immer: ſchreib Vater! Der zweite Geburtstag
Maxens war der erſte von Odilia, meines zweiten Mädchens, d. h.
vor 8 Wochen. Leicht kam meine Frau vom Kindbett auf, das ſonſt 25
der Teufel mit Geier- und Rabenfedern füllt. Ich und meine Frau
ſehnen uns herzlich nach den Herzlichen in Meiningen, um in einigen
Tagen Jahre zu wiederholen und zu antizipieren.
Ihren jetzigen Spiel- und Schreibraum bereitete Ihnen ein ſehr
guter Genius, der wahrſcheinlich an Ihrem Stile Freude hat. Es 30
geh Ihnen immer beſſer!
51. An Frau von Lochner in Meiningen.
[Kopie][Bayreuth, 5. Jan. 1805]
— Was iſt eine erſte Liebe, wenn ſie die letzte Freude wäre oder
würde. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/30>, abgerufen am 27.07.2024.
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