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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

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463. An Emanuel.

Guten Morgen! Hier schick' ich Ihnen etwas, das ich beinahe
auswendig kann; ich halte H. für einen der feinsten und schärfsten
Selbst-Satiriker im Schreiben, wiewol er schon im gemeinen Leben5
dieses Talent verräth, sich ins schönste komische Licht zu setzen.

N. S. So weit hatt' ich am Morgen vorausgeschrieben. Ihr
Brief an V. ist schmerzlich, obwol so schön und kräftig. Glauben Sie,
Lieber, -- so sehr glaub' ich mich von Ihnen geliebt -- ich habe die
traurige Zwei weit näher gesucht. -- An Renate schreib' ich ge-10
wis.

464. An Renate Otto in Hof.

Gute Renata! Ich will auch ein Wort zu Ihnen sagen, nicht des
Trostes sondern der Theilnahme. Der beste Trost ist, man weint,15
so lange man kann. Man läßt die frohen Stunden der geliebten
Seele noch einmal vorüberziehen, zumal wenn man sie selber ge-
geben hat -- und man zählt die Wolken der Zukunft. Sie dürfen
sagen, daß Sie Ihre Mutter beglückt haben durch Ihre Liebe und
selber durch Ihr Schicksal. Man hat nur zwei Ursachen oder zwei20
Zeiten, das Leben zu wünschen. Die erste ist die poetische unersetzliche
Jugend-Zeit, wo man seine schönen Träume genießt -- die zweite
ist die Zeit, wo man wirken will. Auch diese letzte Zeit hatte Ihre
gute Mutter überlebt; sie hatte ihren Wirkungskreis schön ge-
schlossen und durfte nun ausruhen. Dieß kann man aber in unsern25
Zeiten über der Erde so leicht nicht. Wir hingegen müssen ein-
greifen in die Zukunft für unsere Kinder und rüstig handeln, so
lang es geht. Je schlimmer die Zeiten, desto besser müssen die Eltern
sein. -- Ich werde, wenn ich einmal nach Hof komme, mit nassen
Augen das ausgeleerte Haus ansehen, das ich nicht mehr betreten30
mag. Gott, Ihr Mann und Ihre Kinder trösten Sie!

Ich grüße Euch alle herzlich.

J. P. F. Richter

Auch dank' ich Ihrem Manne innig für seine übergütige Er-
füllung meiner Bitte.

35
463. An Emanuel.

Guten Morgen! Hier ſchick’ ich Ihnen etwas, das ich beinahe
auswendig kann; ich halte H. für einen der feinſten und ſchärfſten
Selbſt-Satiriker im Schreiben, wiewol er ſchon im gemeinen Leben5
dieſes Talent verräth, ſich ins ſchönſte komiſche Licht zu ſetzen.

N. S. So weit hatt’ ich am Morgen vorausgeſchrieben. Ihr
Brief an V. iſt ſchmerzlich, obwol ſo ſchön und kräftig. Glauben Sie,
Lieber, — ſo ſehr glaub’ ich mich von Ihnen geliebt — ich habe die
traurige Zwei weit näher geſucht. — An Renate ſchreib’ ich ge-10
wis.

464. An Renate Otto in Hof.

Gute Renata! Ich will auch ein Wort zu Ihnen ſagen, nicht des
Troſtes ſondern der Theilnahme. Der beſte Troſt iſt, man weint,15
ſo lange man kann. Man läßt die frohen Stunden der geliebten
Seele noch einmal vorüberziehen, zumal wenn man ſie ſelber ge-
geben hat — und man zählt die Wolken der Zukunft. Sie dürfen
ſagen, daß Sie Ihre Mutter beglückt haben durch Ihre Liebe und
ſelber durch Ihr Schickſal. Man hat nur zwei Urſachen oder zwei20
Zeiten, das Leben zu wünſchen. Die erſte iſt die poetiſche unerſetzliche
Jugend-Zeit, wo man ſeine ſchönen Träume genießt — die zweite
iſt die Zeit, wo man wirken will. Auch dieſe letzte Zeit hatte Ihre
gute Mutter überlebt; ſie hatte ihren Wirkungskreis ſchön ge-
ſchloſſen und durfte nun ausruhen. Dieß kann man aber in unſern25
Zeiten über der Erde ſo leicht nicht. Wir hingegen müſſen ein-
greifen in die Zukunft für unſere Kinder und rüſtig handeln, ſo
lang es geht. Je ſchlimmer die Zeiten, deſto beſſer müſſen die Eltern
ſein. — Ich werde, wenn ich einmal nach Hof komme, mit naſſen
Augen das ausgeleerte Haus anſehen, das ich nicht mehr betreten30
mag. Gott, Ihr Mann und Ihre Kinder tröſten Sie!

Ich grüße Euch alle herzlich.

J. P. F. Richter

Auch dank’ ich Ihrem Manne innig für ſeine übergütige Er-
füllung meiner Bitte.

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[192/0207] 463. An Emanuel. [Bayreuth, 17. Jan. 1808] Guten Morgen! Hier ſchick’ ich Ihnen etwas, das ich beinahe auswendig kann; ich halte H. für einen der feinſten und ſchärfſten Selbſt-Satiriker im Schreiben, wiewol er ſchon im gemeinen Leben 5 dieſes Talent verräth, ſich ins ſchönſte komiſche Licht zu ſetzen. N. S. So weit hatt’ ich am Morgen vorausgeſchrieben. Ihr Brief an V. iſt ſchmerzlich, obwol ſo ſchön und kräftig. Glauben Sie, Lieber, — ſo ſehr glaub’ ich mich von Ihnen geliebt — ich habe die traurige Zwei weit näher geſucht. — An Renate ſchreib’ ich ge- 10 wis. 464. An Renate Otto in Hof. Bayreuth d. 18 Jenn. 1808 Gute Renata! Ich will auch ein Wort zu Ihnen ſagen, nicht des Troſtes ſondern der Theilnahme. Der beſte Troſt iſt, man weint, 15 ſo lange man kann. Man läßt die frohen Stunden der geliebten Seele noch einmal vorüberziehen, zumal wenn man ſie ſelber ge- geben hat — und man zählt die Wolken der Zukunft. Sie dürfen ſagen, daß Sie Ihre Mutter beglückt haben durch Ihre Liebe und ſelber durch Ihr Schickſal. Man hat nur zwei Urſachen oder zwei 20 Zeiten, das Leben zu wünſchen. Die erſte iſt die poetiſche unerſetzliche Jugend-Zeit, wo man ſeine ſchönen Träume genießt — die zweite iſt die Zeit, wo man wirken will. Auch dieſe letzte Zeit hatte Ihre gute Mutter überlebt; ſie hatte ihren Wirkungskreis ſchön ge- ſchloſſen und durfte nun ausruhen. Dieß kann man aber in unſern 25 Zeiten über der Erde ſo leicht nicht. Wir hingegen müſſen ein- greifen in die Zukunft für unſere Kinder und rüſtig handeln, ſo lang es geht. Je ſchlimmer die Zeiten, deſto beſſer müſſen die Eltern ſein. — Ich werde, wenn ich einmal nach Hof komme, mit naſſen Augen das ausgeleerte Haus anſehen, das ich nicht mehr betreten 30 mag. Gott, Ihr Mann und Ihre Kinder tröſten Sie! Ich grüße Euch alle herzlich. J. P. F. Richter Auch dank’ ich Ihrem Manne innig für ſeine übergütige Er- füllung meiner Bitte. 35

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/207>, abgerufen am 25.11.2024.