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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

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und sonst, mit dir zusammen zu kommen glauben kann, oder mit seinem
ihm fremden leeren Nachsprechen über Religion und Liebe, dieß
erklär' ich mir -- leicht, weil er niemand lieset und versteht als sich
und dieß nur halb. Was du längst in deinem Hume für den Idealis-
mus gesagt, und so hundert andere Antiken, bringt er als seine5
Novitäten vor uns. Er mag nachsinnen und nachsprechen so viel er
will, er zeigt doch, daß niemand über sein Gemüth hinaus, philo-
sophieren kann. Daß ihn Schelling (und die L[iteratur]Zeitung)
recht zwickt und kneipt, gefällt mir sehr; nur daß jener wieder sein
duo auch nach einem Singularis dekliniert und unus, una, unum10
nach einem Plural; und wie alle die Frage für die Antwort hält.
Aus Platons Parmenides konnt' er sich Stützen und Einwürfe
holen. Übrigens gefällt mir an Fichte der energische Karakter und
die edle Prosa.

In deinem Anti-Koerte ist mir und deinen a[ndern] Freunden die15
treffliche Stelle über Freundschaft blos darum nicht so sehr auf-
gefallen -- bei der Kenntnis deines Systems und Herzens --,
weswegen in einer Demantgrube der Grubenherr derselben mit einem
Solitaire im Ringe nicht so viel Aufsehen erregen würde als etwa
damit am Traualtar.20

Lieber Heinrich, spare ja deine Antwort nicht lange auf; ich habe
Erquickung in diesem abmattenden Bayreuth und noch mehr das
Wiederanschauen deiner Liebe nöthig. Von meiner Reise nach
München werd' ich -- jetzt ausgenommen -- nicht mehr und nicht
eher sprechen als ein Paar Mai-Tage vorher, oder auch Junius-25
Tage. Denn der July wird so schlecht als die beiden Vormonate
schön. Ich wollte, ich hätte dir meine Wetter-Augurien, die ich
am Oktober auf ein 1/2 Jahr andern gegeben, schriftlich geschenkt,
da mit du wüßtest, wie wenig ich lüge und betrüge.

Lebe wol, mein theuerer Heinrich. Gott gebe, daß dein Schweigen30
nur in mir die böse Ursache hatte. Ich grüsse deine Schwester-Dio-
skuren, die dich, an jedem Arme eine, sanft durch das Leben führen.

J. P. F. Richter

N. S. Wenn ich jemand z. B. Eschenmaier nach dem ersten
Eindrucke zu stark lobe (besonders Schelling): so mein' ich und fühl'35
ich nur den Geist, der sich ausspricht, nicht die einzelnen Sätze. Bei

und ſonſt, mit dir zuſammen zu kommen glauben kann, oder mit ſeinem
ihm fremden leeren Nachſprechen über Religion und Liebe, dieß
erklär’ ich mir — leicht, weil er niemand lieſet und verſteht als ſich
und dieß nur halb. Was du längſt in deinem Hume für den Idealiſ-
mus geſagt, und ſo hundert andere Antiken, bringt er als ſeine5
Novitäten vor uns. Er mag nachſinnen und nachſprechen ſo viel er
will, er zeigt doch, daß niemand über ſein Gemüth hinaus, philo-
ſophieren kann. Daß ihn Schelling (und die L[iteratur]Zeitung)
recht zwickt und kneipt, gefällt mir ſehr; nur daß jener wieder ſein
duo auch nach einem Singularis dekliniert und unus, una, unum10
nach einem Plural; und wie alle die Frage für die Antwort hält.
Aus Platons Parmenides konnt’ er ſich Stützen und Einwürfe
holen. Übrigens gefällt mir an Fichte der energiſche Karakter und
die edle Proſa.

In deinem Anti-Koerte iſt mir und deinen a[ndern] Freunden die15
treffliche Stelle über Freundſchaft blos darum nicht ſo ſehr auf-
gefallen — bei der Kenntnis deines Syſtems und Herzens —,
weswegen in einer Demantgrube der Grubenherr derſelben mit einem
Solitaire im Ringe nicht ſo viel Aufſehen erregen würde als etwa
damit am Traualtar.20

Lieber Heinrich, ſpare ja deine Antwort nicht lange auf; ich habe
Erquickung in dieſem abmattenden Bayreuth und noch mehr das
Wiederanſchauen deiner Liebe nöthig. Von meiner Reiſe nach
München werd’ ich — jetzt ausgenommen — nicht mehr und nicht
eher ſprechen als ein Paar Mai-Tage vorher, oder auch Junius-25
Tage. Denn der July wird ſo ſchlecht als die beiden Vormonate
ſchön. Ich wollte, ich hätte dir meine Wetter-Augurien, die ich
am Oktober auf ein ½ Jahr andern gegeben, ſchriftlich geſchenkt,
da mit du wüßteſt, wie wenig ich lüge und betrüge.

Lebe wol, mein theuerer Heinrich. Gott gebe, daß dein Schweigen30
nur in mir die böſe Urſache hatte. Ich grüſſe deine Schweſter-Dio-
ſkuren, die dich, an jedem Arme eine, ſanft durch das Leben führen.

J. P. F. Richter

N. S. Wenn ich jemand z. B. Eschenmaier nach dem erſten
Eindrucke zu ſtark lobe (beſonders Schelling): ſo mein’ ich und fühl’35
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[140/0155] und ſonſt, mit dir zuſammen zu kommen glauben kann, oder mit ſeinem ihm fremden leeren Nachſprechen über Religion und Liebe, dieß erklär’ ich mir — leicht, weil er niemand lieſet und verſteht als ſich und dieß nur halb. Was du längſt in deinem Hume für den Idealiſ- mus geſagt, und ſo hundert andere Antiken, bringt er als ſeine 5 Novitäten vor uns. Er mag nachſinnen und nachſprechen ſo viel er will, er zeigt doch, daß niemand über ſein Gemüth hinaus, philo- ſophieren kann. Daß ihn Schelling (und die L[iteratur]Zeitung) recht zwickt und kneipt, gefällt mir ſehr; nur daß jener wieder ſein duo auch nach einem Singularis dekliniert und unus, una, unum 10 nach einem Plural; und wie alle die Frage für die Antwort hält. Aus Platons Parmenides konnt’ er ſich Stützen und Einwürfe holen. Übrigens gefällt mir an Fichte der energiſche Karakter und die edle Proſa. In deinem Anti-Koerte iſt mir und deinen a[ndern] Freunden die 15 treffliche Stelle über Freundſchaft blos darum nicht ſo ſehr auf- gefallen — bei der Kenntnis deines Syſtems und Herzens —, weswegen in einer Demantgrube der Grubenherr derſelben mit einem Solitaire im Ringe nicht ſo viel Aufſehen erregen würde als etwa damit am Traualtar. 20 Lieber Heinrich, ſpare ja deine Antwort nicht lange auf; ich habe Erquickung in dieſem abmattenden Bayreuth und noch mehr das Wiederanſchauen deiner Liebe nöthig. Von meiner Reiſe nach München werd’ ich — jetzt ausgenommen — nicht mehr und nicht eher ſprechen als ein Paar Mai-Tage vorher, oder auch Junius- 25 Tage. Denn der July wird ſo ſchlecht als die beiden Vormonate ſchön. Ich wollte, ich hätte dir meine Wetter-Augurien, die ich am Oktober auf ein ½ Jahr andern gegeben, ſchriftlich geſchenkt, da mit du wüßteſt, wie wenig ich lüge und betrüge. Lebe wol, mein theuerer Heinrich. Gott gebe, daß dein Schweigen 30 nur in mir die böſe Urſache hatte. Ich grüſſe deine Schweſter-Dio- ſkuren, die dich, an jedem Arme eine, ſanft durch das Leben führen. J. P. F. Richter N. S. Wenn ich jemand z. B. Eschenmaier nach dem erſten Eindrucke zu ſtark lobe (beſonders Schelling): ſo mein’ ich und fühl’ 35 ich nur den Geiſt, der ſich ausſpricht, nicht die einzelnen Sätze. Bei

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/155>, abgerufen am 23.11.2024.