so vielen tausend Minuten, die seit dem letzten Sehen verfloßen sind, wieder sehen.
Guten Morgen!
N. S. Thieriot hat diesen Morgen noch nichts Einfältiges be-gangen; und wir haben insgesammt Hoffnungen.5
15. An Johann Andreas Ortloff in Koburg.
[Kopie]
[Bayreuth, 26. Sept. 1804]
Coburg, von dessen Traum mir sogar das Bett, das alte Logis, verschwunden ist. Nur in Zeitungen versteinerten sich Stücke jenes Fiebertraums.10
16. An Christian Otto in Bayreuth.
[Kopie]
[Bayreuth, 27. Sept. 1804]
Ich schicke dem Rezensenten einen. Ihr müßt euch unter einander selber rezensieren, nicht den Rest.
*17. An Ernst Wagner in Meiningen.15
Bayreuth d. 27 Sept. 1804
Ihr Wachsthum fliegt, lieber Wagner! Mit zunehmender Er- götzung an Ihrer Fülle und an Ihren Kenntnissen -- zumal der Körper, Weiber, Gemälde und der Musik -- zu welchen nicht Ihre öde Umgebung, sondern nur Ihr reiches Innere Sie führen konnte,20 las ich Ihren zweiten Theil durch, der der erste sein sollte. Doch auch jener hat Anfangs einige ökonomische Magerheit. Dienstsachen, alle Zwecke des Bürgerlichen etc. können nicht schnell genug abgethan werden. [Folgen Einzelbemerkungen]
Alle Ihre Karaktere halten sich scharf. In der Mathilde haben Sie25 eine köstliche Jungfrau von neuer, romantischer Gestalt vom Himmel auf die Erde gelassen. Sie ist gar nicht leicht zu schaffen und zu halten; einige male geräth sie auch in mehr Sprache hinein, als ihr an- erzogen sein kann.
Sie haben Göthe's Meister rein und stark gefaßt und die rechte30 epische Ansicht des Romans gewonnen, ohne doch -- wie jetzt der Echo-Pöbel thut -- das stofflose Phantasieren mit der symbolischen
ſo vielen tauſend Minuten, die ſeit dem letzten Sehen verfloßen ſind, wieder ſehen.
Guten Morgen!
N. S. Thieriot hat dieſen Morgen noch nichts Einfältiges be-gangen; und wir haben insgeſammt Hoffnungen.5
15. An Johann Andreas Ortloff in Koburg.
[Kopie]
[Bayreuth, 26. Sept. 1804]
Coburg, von deſſen Traum mir ſogar das Bett, das alte Logis, verſchwunden iſt. Nur in Zeitungen verſteinerten ſich Stücke jenes Fiebertraums.10
16. An Chriſtian Otto in Bayreuth.
[Kopie]
[Bayreuth, 27. Sept. 1804]
Ich ſchicke dem Rezenſenten einen. Ihr müßt euch unter einander ſelber rezenſieren, nicht den Reſt.
*17. An Ernſt Wagner in Meiningen.15
Bayreuth d. 27 Sept. 1804
Ihr Wachsthum fliegt, lieber Wagner! Mit zunehmender Er- götzung an Ihrer Fülle und an Ihren Kenntniſſen — zumal der Körper, Weiber, Gemälde und der Muſik — zu welchen nicht Ihre öde Umgebung, ſondern nur Ihr reiches Innere Sie führen konnte,20 las ich Ihren zweiten Theil durch, der der erſte ſein ſollte. Doch auch jener hat Anfangs einige ökonomiſche Magerheit. Dienſtſachen, alle Zwecke des Bürgerlichen ꝛc. können nicht ſchnell genug abgethan werden. [Folgen Einzelbemerkungen]
Alle Ihre Karaktere halten ſich ſcharf. In der Mathilde haben Sie25 eine köſtliche Jungfrau von neuer, romantiſcher Geſtalt vom Himmel auf die Erde gelaſſen. Sie iſt gar nicht leicht zu ſchaffen und zu halten; einige male geräth ſie auch in mehr Sprache hinein, als ihr an- erzogen ſein kann.
Sie haben Göthe’s Meiſter rein und ſtark gefaßt und die rechte30 epiſche Anſicht des Romans gewonnen, ohne doch — wie jetzt der Echo-Pöbel thut — das ſtoffloſe Phantaſieren mit der ſymboliſchen
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[5/0013]
ſo vielen tauſend Minuten, die ſeit dem letzten Sehen verfloßen ſind,
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Guten Morgen!
N. S. Thieriot hat dieſen Morgen noch nichts Einfältiges be-gangen; und wir haben insgeſammt Hoffnungen. 5
15. An Johann Andreas Ortloff in Koburg.
[Kopie][Bayreuth, 26. Sept. 1804]
Coburg, von deſſen Traum mir ſogar das Bett, das alte Logis,
verſchwunden iſt. Nur in Zeitungen verſteinerten ſich Stücke jenes
Fiebertraums. 10
16. An Chriſtian Otto in Bayreuth.
[Kopie][Bayreuth, 27. Sept. 1804]
Ich ſchicke dem Rezenſenten einen. Ihr müßt euch unter einander
ſelber rezenſieren, nicht den Reſt.
*17. An Ernſt Wagner in Meiningen. 15
Bayreuth d. 27 Sept. 1804
Ihr Wachsthum fliegt, lieber Wagner! Mit zunehmender Er-
götzung an Ihrer Fülle und an Ihren Kenntniſſen — zumal der
Körper, Weiber, Gemälde und der Muſik — zu welchen nicht Ihre
öde Umgebung, ſondern nur Ihr reiches Innere Sie führen konnte, 20
las ich Ihren zweiten Theil durch, der der erſte ſein ſollte. Doch auch
jener hat Anfangs einige ökonomiſche Magerheit. Dienſtſachen,
alle Zwecke des Bürgerlichen ꝛc. können nicht ſchnell genug abgethan
werden. [Folgen Einzelbemerkungen]
Alle Ihre Karaktere halten ſich ſcharf. In der Mathilde haben Sie 25
eine köſtliche Jungfrau von neuer, romantiſcher Geſtalt vom Himmel
auf die Erde gelaſſen. Sie iſt gar nicht leicht zu ſchaffen und zu halten;
einige male geräth ſie auch in mehr Sprache hinein, als ihr an-
erzogen ſein kann.
Sie haben Göthe’s Meiſter rein und ſtark gefaßt und die rechte 30
epiſche Anſicht des Romans gewonnen, ohne doch — wie jetzt der
Echo-Pöbel thut — das ſtoffloſe Phantaſieren mit der ſymboliſchen
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
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Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
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Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/13>, abgerufen am 27.07.2024.
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