In 14 Tagen kommt mein zweiter Brief an Ihre Durchlaucht mit der Aesthetik, aber -- ohne die Dedikazion. Denn die philo- sophische Fakultät in Jena erlaubt mir nicht, Sie zu loben -- aus-5 genommen ganz gemein, nämlich das Ungemeine. Der Zensur- Dekan fuhr noch fort zu erstaunen und zu verneinen, als ich ihm die Beweise zugeschickt, daß eine Person, die die Dedikazion gewiß so nahe angeht als ihn selber, solche genehmigt habe, nämlich Sie. Was ist aus solchen Fakultisten zu machen? Nichts als einige Bogen10 voll Ernst und Scherz, wenn Ihre Durchlaucht den Bogen, die den Ernst enthalten, das Imprimatur gewähren, das der Dekan ver- sagte. Ich würde nämlich die Dedikazion -- diese ist der Ernst --, sammt der Geschichte ihres Isolierens -- diese ist der Scherz --, nebst einigen allgemeinen Anmerkungen über meine und alle Zen-15 soren, besonders drucken und brochieren lassen, wenn Ihre Durch- laucht es mir erlauben. Ja ich könnte diese Zueignung Ihnen wieder zueignen. Ich bitte Sie sehr um diese Erlaubniß des Isolierens, da ja ohnehin Ihre Vorzüge Sie daran gewöhnt haben, isoliert und einzig zu sein. Doch würd' ichs im schönen Falle des Ja für meine Pflicht20 halten, vor dem Drucke Sie zu meinem ersten Leser zu machen, nicht aber -- was nur Sie und der Himmel verhüten -- zu meinem letzten.
Der stärkste Grund meiner Bitte ist dieser: Ihre Durchlaucht! geben Sie das Beispiel eines fürstlichen Großsinns, das Sie jetzt25 erst mir und dem weltweisen Dekan in Jena verborgen gegeben, den kleinstädtischen Deutschen öffentlich, die nicht anders zu loben wissen als chapeau-bas und tete-bas ou basse und bas.
[Spaltenumbruch]Bayreuth d. 22. Sept. 1804. [Spaltenumbruch]
Ihrer Durchlaucht unterthänigster, verbotener Dedikator30 J. P. F. Richter
14. An Emanuel.
[Bayreuth, 23. Sept. 1804]
Guten Morgen und Dank! Das Papier ist weiß und fest; hat also das Beste, was ein Karakter selber haben kann, die Farbe der35 Unschuld und Stärke. Heute wird man Sie doch endlich einmal nach
13. An Herzog Emil Auguſt von Gotha.
Gnädigſter Herzog,
In 14 Tagen kommt mein zweiter Brief an Ihre Durchlaucht mit der Aeſthetik, aber — ohne die Dedikazion. Denn die philo- ſophiſche Fakultät in Jena erlaubt mir nicht, Sie zu loben — aus-5 genommen ganz gemein, nämlich das Ungemeine. Der Zenſur- Dekan fuhr noch fort zu erſtaunen und zu verneinen, als ich ihm die Beweiſe zugeſchickt, daß eine Perſon, die die Dedikazion gewiß ſo nahe angeht als ihn ſelber, ſolche genehmigt habe, nämlich Sie. Was iſt aus ſolchen Fakultiſten zu machen? Nichts als einige Bogen10 voll Ernſt und Scherz, wenn Ihre Durchlaucht den Bogen, die den Ernſt enthalten, das Imprimatur gewähren, das der Dekan ver- ſagte. Ich würde nämlich die Dedikazion — dieſe iſt der Ernſt —, ſammt der Geſchichte ihres Iſolierens — dieſe iſt der Scherz —, nebſt einigen allgemeinen Anmerkungen über meine und alle Zen-15 ſoren, beſonders drucken und brochieren laſſen, wenn Ihre Durch- laucht es mir erlauben. Ja ich könnte dieſe Zueignung Ihnen wieder zueignen. Ich bitte Sie ſehr um dieſe Erlaubniß des Iſolierens, da ja ohnehin Ihre Vorzüge Sie daran gewöhnt haben, iſoliert und einzig zu ſein. Doch würd’ ichs im ſchönen Falle des Ja für meine Pflicht20 halten, vor dem Drucke Sie zu meinem erſten Leſer zu machen, nicht aber — was nur Sie und der Himmel verhüten — zu meinem letzten.
Der ſtärkſte Grund meiner Bitte iſt dieſer: Ihre Durchlaucht! geben Sie das Beiſpiel eines fürſtlichen Großſinns, das Sie jetzt25 erſt mir und dem weltweiſen Dekan in Jena verborgen gegeben, den kleinſtädtiſchen Deutſchen öffentlich, die nicht anders zu loben wiſſen als chapeau-bas und tête-bas ou basse und bas.
[Spaltenumbruch]Bayreuth d. 22. Sept. 1804. [Spaltenumbruch]
Ihrer Durchlaucht unterthänigſter, verbotener Dedikator30 J. P. F. Richter
14. An Emanuel.
[Bayreuth, 23. Sept. 1804]
Guten Morgen und Dank! Das Papier iſt weiß und feſt; hat alſo das Beſte, was ein Karakter ſelber haben kann, die Farbe der35 Unſchuld und Stärke. Heute wird man Sie doch endlich einmal nach
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13. An Herzog Emil Auguſt von Gotha.
Gnädigſter Herzog,
In 14 Tagen kommt mein zweiter Brief an Ihre Durchlaucht
mit der Aeſthetik, aber — ohne die Dedikazion. Denn die philo-
ſophiſche Fakultät in Jena erlaubt mir nicht, Sie zu loben — aus- 5
genommen ganz gemein, nämlich das Ungemeine. Der Zenſur-
Dekan fuhr noch fort zu erſtaunen und zu verneinen, als ich ihm
die Beweiſe zugeſchickt, daß eine Perſon, die die Dedikazion gewiß
ſo nahe angeht als ihn ſelber, ſolche genehmigt habe, nämlich Sie.
Was iſt aus ſolchen Fakultiſten zu machen? Nichts als einige Bogen 10
voll Ernſt und Scherz, wenn Ihre Durchlaucht den Bogen, die den
Ernſt enthalten, das Imprimatur gewähren, das der Dekan ver-
ſagte. Ich würde nämlich die Dedikazion — dieſe iſt der Ernſt —,
ſammt der Geſchichte ihres Iſolierens — dieſe iſt der Scherz —,
nebſt einigen allgemeinen Anmerkungen über meine und alle Zen- 15
ſoren, beſonders drucken und brochieren laſſen, wenn Ihre Durch-
laucht es mir erlauben. Ja ich könnte dieſe Zueignung Ihnen wieder
zueignen. Ich bitte Sie ſehr um dieſe Erlaubniß des Iſolierens, da ja
ohnehin Ihre Vorzüge Sie daran gewöhnt haben, iſoliert und einzig
zu ſein. Doch würd’ ichs im ſchönen Falle des Ja für meine Pflicht 20
halten, vor dem Drucke Sie zu meinem erſten Leſer zu machen,
nicht aber — was nur Sie und der Himmel verhüten — zu meinem
letzten.
Der ſtärkſte Grund meiner Bitte iſt dieſer: Ihre Durchlaucht!
geben Sie das Beiſpiel eines fürſtlichen Großſinns, das Sie jetzt 25
erſt mir und dem weltweiſen Dekan in Jena verborgen gegeben,
den kleinſtädtiſchen Deutſchen öffentlich, die nicht anders zu loben
wiſſen als chapeau-bas und tête-bas ou basse und bas.
Bayreuth d. 22. Sept.
1804.
Ihrer Durchlaucht
unterthänigſter, verbotener Dedikator 30
J. P. F. Richter
14. An Emanuel.
[Bayreuth, 23. Sept. 1804]
Guten Morgen und Dank! Das Papier iſt weiß und feſt; hat
alſo das Beſte, was ein Karakter ſelber haben kann, die Farbe der 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/12>, abgerufen am 27.07.2024.
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