Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.
Deine Streitigkeit mit Koerte hat mir geistige Schmerzen gegeben, Lies doch Eschenmaiers Einleitung in die Natur und Geschichte, Deinen letzten Brief, dessen Adresse länger war als der Inhalt,15 -- -- Wie kannst du denn Jahre durchleben, ohne etwas anderes Eine Bitte an dich, die du mir verzeihen mögest. Lasse doch durch Ich bin und bleibe dein alter sehnsüchtig dich liebender Richter. [auf eignem Blatt] Ich wollte, ich befolgte wenigstens gegen dich meine Regel und35
Deine Streitigkeit mit Koerte hat mir geiſtige Schmerzen gegeben, Lies doch Eschenmaiers Einleitung in die Natur und Geſchichte, Deinen letzten Brief, deſſen Adreſſe länger war als der Inhalt,15 — — Wie kannſt du denn Jahre durchleben, ohne etwas anderes Eine Bitte an dich, die du mir verzeihen mögeſt. Laſſe doch durch Ich bin und bleibe dein alter ſehnſüchtig dich liebender Richter. [auf eignem Blatt] Ich wollte, ich befolgte wenigſtens gegen dich meine Regel und35 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div> <p><pb facs="#f0110" n="95"/><lb/> grauſet, weil ich weiß, wie ſich bekannte Autoren den Körper ver-<lb/> derben in einem Kreiſe gaſtfreier Leſer.</p><lb/> <p>Deine Streitigkeit mit <hi rendition="#aq">Koerte</hi> hat mir geiſtige Schmerzen gegeben,<lb/> weil ich deine leiblichen dabei ſo gewiß voraus weiß. Noch hab’ ich<lb/> den Briefwechſel nicht geſehen. Mir iſts gleichgültig, <hi rendition="#g">was</hi> — da<lb n="5"/> ich dein Herz kenne —, aber nicht, <hi rendition="#g">ob</hi> du dem Publikum ant-<lb/> worteſt.</p><lb/> <p>Lies doch <hi rendition="#aq">Eschenmaiers</hi> Einleitung in die Natur und Geſchichte,<lb/> ein Werkchen voll Werke. Er hat ſich kräftig und ritterlich gegen<lb/><hi rendition="#aq">Schelling</hi> aufrecht, ja hoch erhalten. Du mußt über die heiligen<lb n="10"/> Punkte mit ihm einig ſein; und nur ſein <hi rendition="#aq">dépit</hi> konnte ihn hindern,<lb/> dich zu zitieren. Mich hat es ungemein erquickt; nur ausgenommen<lb/> das idealiſtiſche Polariſieren des Univerſums und die letzte ſo perſön-<lb/> liche Seite nach ſo großen Gegenſtänden.</p><lb/> <p>Deinen letzten Brief, deſſen Adreſſe länger war als der Inhalt,<lb n="15"/> hab’ ich auch erhalten. Gäb’ es Menſchenflügel: er hätte ſie mir<lb/> angeſetzt.</p><lb/> <p>— — Wie kannſt du denn Jahre durchleben, ohne etwas anderes<lb/> zu ſchreiben als Briefe? In dieſe zerſplittert ſich deine Kraft oder<lb/> Sehnſucht; aber ich wäre der erſte, der dieſen Genuß von dir opferte,<lb n="20"/> wenn ich dem Schreiben für Alle und für Immer damit Vorſchub<lb/> thäte. Und ſo müßte jeder deiner Freunde denken. Schreibe d. h.<lb/> diktiere nur wenigſtens Fragmente. Du haſt leider immer ſo ſelten<lb/> und reich geſchrieben, daß du auf eine große Aufmerkſamkeit, auch<lb/> auf das Abgeriſſene, Anſpruch machen kannſt. —<lb n="25"/> </p> <p>Eine Bitte an dich, die du mir verzeihen mögeſt. Laſſe doch durch<lb/> Untergeordnete deiner Abgeordneten nachfragen, <hi rendition="#g">wie</hi> und <hi rendition="#g">wo</hi> ein<lb/> gewiſſer bairiſcher Unteroffizier in München lebt, Emanuel Richter<lb/><hi rendition="#aq">Junior,</hi> vom Infanterie-Regiment Kronprinz, von Hauptmanns<lb/><hi rendition="#aq">Hudrizky Compagnie,</hi> auch ob und wo er in franzöſiſcher Ge-<lb n="30"/> fangenſchaft geweſen. — Vergib! —</p><lb/> <p>Ich bin und bleibe dein alter ſehnſüchtig dich liebender</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter.</hi> </salute> </closer> </div><lb/> <div> <head>[<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">auf eignem Blatt</hi></hi>]</head><lb/> <p>Ich wollte, ich befolgte wenigſtens gegen dich meine Regel und<lb n="35"/> Anweiſung beſter Antwort — die ich andern gegeben — nämlich<lb/> letztere ſogleich nach Empfange der Seelenfrage zu machen. Denn<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0110]
grauſet, weil ich weiß, wie ſich bekannte Autoren den Körper ver-
derben in einem Kreiſe gaſtfreier Leſer.
Deine Streitigkeit mit Koerte hat mir geiſtige Schmerzen gegeben,
weil ich deine leiblichen dabei ſo gewiß voraus weiß. Noch hab’ ich
den Briefwechſel nicht geſehen. Mir iſts gleichgültig, was — da 5
ich dein Herz kenne —, aber nicht, ob du dem Publikum ant-
worteſt.
Lies doch Eschenmaiers Einleitung in die Natur und Geſchichte,
ein Werkchen voll Werke. Er hat ſich kräftig und ritterlich gegen
Schelling aufrecht, ja hoch erhalten. Du mußt über die heiligen 10
Punkte mit ihm einig ſein; und nur ſein dépit konnte ihn hindern,
dich zu zitieren. Mich hat es ungemein erquickt; nur ausgenommen
das idealiſtiſche Polariſieren des Univerſums und die letzte ſo perſön-
liche Seite nach ſo großen Gegenſtänden.
Deinen letzten Brief, deſſen Adreſſe länger war als der Inhalt, 15
hab’ ich auch erhalten. Gäb’ es Menſchenflügel: er hätte ſie mir
angeſetzt.
— — Wie kannſt du denn Jahre durchleben, ohne etwas anderes
zu ſchreiben als Briefe? In dieſe zerſplittert ſich deine Kraft oder
Sehnſucht; aber ich wäre der erſte, der dieſen Genuß von dir opferte, 20
wenn ich dem Schreiben für Alle und für Immer damit Vorſchub
thäte. Und ſo müßte jeder deiner Freunde denken. Schreibe d. h.
diktiere nur wenigſtens Fragmente. Du haſt leider immer ſo ſelten
und reich geſchrieben, daß du auf eine große Aufmerkſamkeit, auch
auf das Abgeriſſene, Anſpruch machen kannſt. — 25
Eine Bitte an dich, die du mir verzeihen mögeſt. Laſſe doch durch
Untergeordnete deiner Abgeordneten nachfragen, wie und wo ein
gewiſſer bairiſcher Unteroffizier in München lebt, Emanuel Richter
Junior, vom Infanterie-Regiment Kronprinz, von Hauptmanns
Hudrizky Compagnie, auch ob und wo er in franzöſiſcher Ge- 30
fangenſchaft geweſen. — Vergib! —
Ich bin und bleibe dein alter ſehnſüchtig dich liebender
Richter.
[auf eignem Blatt]
Ich wollte, ich befolgte wenigſtens gegen dich meine Regel und 35
Anweiſung beſter Antwort — die ich andern gegeben — nämlich
letztere ſogleich nach Empfange der Seelenfrage zu machen. Denn
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(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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