Geburtsort und noch mehr durch die Gesinnung, des Glückes Ihrer Regierung erfreuet. Ich bin ein armer Pfarsohn aus dem Bay- reuthischen; der frühe Verlust des Vaters wurde nicht mir, sondern durch mich ersezt meiner Familie. Durch einen langen einsamen litte- rarischen Fleis und durch das Opfern aller geselligen Freuden wurd'5 ich zu der Zeit schon Schriftsteller, wo man sonst noch Leser ist. Erst nach einem langen Verarmen und Mislingen gewann [!] ich mit meinen ästhetischen Werken das kleinere höhere Publikum und später ein grösseres; aber da mir ihr Zwek, den sinkenden Glauben an Gott- heit und Unsterblichkeit und an alles was uns adelt und tröstet zu10 erheben und die in einer egoistischen und revoluzionairen Zeit erkaltete [77]Menschenliebe wieder zu erwärmen, da mir dieser Zwek wichtiger sein muste als jeder andere Lohn und Erfolg meiner Feder: so opferte ich diesen und Zeit und Gesundheit dem höhern Ziele auf und zog die längere Anstrengung dem reichern Gewinste vor. Jezt indessen, da15 ich in die Ehe trete, wo die eigne Aufopferung nicht bis zur fremden gehen darf, verspricht mir mein Gewissen einige Entschuldigung, wenn ich vor dem Throne, der so Viele zu erhören und zu beglücken hat, auch meine Bitte um eine Unterstüzung, welche die wachsenden Jahre nöthiger machen, die unterthänigste Bitte um eine Präbende hoffend20 niederlege. --
Immer wird der freudige und dankende Antheil an der Glükseligkeit meines Vaterlandes derselbe bleiben, wie auch das Recht und die Güte entscheide die persönliche von
[Spaltenumbruch]Berlin d. 4. Mai. 1801. [Spaltenumbruch]
Ihro königlichen Majestät25 Treugehorsamsten Jean Paul Fr. Richter.
125. An Graf Alvensleben.
[Kopie][Berlin, 4. Mai 1801]
[Ew. Exzellenz] haben es Ihrer Güte gegen mich zuzuschreiben, daß30 ich Sie um eine Best[ellung] bitte -- da Sie meine Bitte fast erfüllen, wenn Sie sie übergeben. Ich hatte mit meinem apostolischen Namens- vetter eine reellere Verwandschaft, die kameralistische. -- In meinen angebornen Flügeln war nichts, was mich über das Leben wegbringen konte, als einige Schreibfedern, die ich deswegen auszog. -- meine35 Bücher sind auch Landeskinder. Da leztere mit dem Herkules nicht die
Geburtsort und noch mehr durch die Geſinnung, des Glückes Ihrer Regierung erfreuet. Ich bin ein armer Pfarſohn aus dem Bay- reuthiſchen; der frühe Verluſt des Vaters wurde nicht mir, ſondern durch mich erſezt meiner Familie. Durch einen langen einſamen litte- rariſchen Fleis und durch das Opfern aller geſelligen Freuden wurd’5 ich zu der Zeit ſchon Schriftſteller, wo man ſonſt noch Leſer iſt. Erſt nach einem langen Verarmen und Mislingen gewann [!] ich mit meinen äſthetiſchen Werken das kleinere höhere Publikum und ſpäter ein gröſſeres; aber da mir ihr Zwek, den ſinkenden Glauben an Gott- heit und Unſterblichkeit und an alles was uns adelt und tröſtet zu10 erheben und die in einer egoiſtiſchen und revoluzionairen Zeit erkaltete [77]Menſchenliebe wieder zu erwärmen, da mir dieſer Zwek wichtiger ſein muſte als jeder andere Lohn und Erfolg meiner Feder: ſo opferte ich dieſen und Zeit und Geſundheit dem höhern Ziele auf und zog die längere Anſtrengung dem reichern Gewinſte vor. Jezt indeſſen, da15 ich in die Ehe trete, wo die eigne Aufopferung nicht bis zur fremden gehen darf, verſpricht mir mein Gewiſſen einige Entſchuldigung, wenn ich vor dem Throne, der ſo Viele zu erhören und zu beglücken hat, auch meine Bitte um eine Unterſtüzung, welche die wachſenden Jahre nöthiger machen, die unterthänigſte Bitte um eine Präbende hoffend20 niederlege. —
Immer wird der freudige und dankende Antheil an der Glükſeligkeit meines Vaterlandes derſelbe bleiben, wie auch das Recht und die Güte entſcheide die perſönliche von
[Spaltenumbruch]Berlin d. 4. Mai. 1801. [Spaltenumbruch]
Ihro königlichen Majestät25 Treugehorſamſten Jean Paul Fr. Richter.
125. An Graf Alvensleben.
[Kopie][Berlin, 4. Mai 1801]
[Ew. Exzellenz] haben es Ihrer Güte gegen mich zuzuſchreiben, daß30 ich Sie um eine Beſt[ellung] bitte — da Sie meine Bitte faſt erfüllen, wenn Sie ſie übergeben. Ich hatte mit meinem apoſtoliſchen Namens- vetter eine reellere Verwandſchaft, die kameraliſtiſche. — In meinen angebornen Flügeln war nichts, was mich über das Leben wegbringen konte, als einige Schreibfedern, die ich deswegen auszog. — meine35 Bücher ſind auch Landeskinder. Da leztere mit dem Herkules nicht die
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Geburtsort und noch mehr durch die Geſinnung, des Glückes Ihrer
Regierung erfreuet. Ich bin ein armer Pfarſohn aus dem Bay-
reuthiſchen; der frühe Verluſt des Vaters wurde nicht mir, ſondern
durch mich erſezt meiner Familie. Durch einen langen einſamen litte-
rariſchen Fleis und durch das Opfern aller geſelligen Freuden wurd’ 5
ich zu der Zeit ſchon Schriftſteller, wo man ſonſt noch Leſer iſt. Erſt
nach einem langen Verarmen und Mislingen gewann [!] ich mit
meinen äſthetiſchen Werken das kleinere höhere Publikum und ſpäter
ein gröſſeres; aber da mir ihr Zwek, den ſinkenden Glauben an Gott-
heit und Unſterblichkeit und an alles was uns adelt und tröſtet zu 10
erheben und die in einer egoiſtiſchen und revoluzionairen Zeit erkaltete
Menſchenliebe wieder zu erwärmen, da mir dieſer Zwek wichtiger ſein
muſte als jeder andere Lohn und Erfolg meiner Feder: ſo opferte ich
dieſen und Zeit und Geſundheit dem höhern Ziele auf und zog die
längere Anſtrengung dem reichern Gewinſte vor. Jezt indeſſen, da 15
ich in die Ehe trete, wo die eigne Aufopferung nicht bis zur fremden
gehen darf, verſpricht mir mein Gewiſſen einige Entſchuldigung, wenn
ich vor dem Throne, der ſo Viele zu erhören und zu beglücken hat,
auch meine Bitte um eine Unterſtüzung, welche die wachſenden Jahre
nöthiger machen, die unterthänigſte Bitte um eine Präbende hoffend 20
niederlege. —
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Immer wird der freudige und dankende Antheil an der Glükſeligkeit
meines Vaterlandes derſelbe bleiben, wie auch das Recht und die
Güte entſcheide die perſönliche von
Berlin d. 4. Mai.
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Ihro königlichen Majestät 25
Treugehorſamſten
Jean Paul Fr. Richter.
125. An Graf Alvensleben.
[Berlin, 4. Mai 1801]
[Ew. Exzellenz] haben es Ihrer Güte gegen mich zuzuſchreiben, daß 30
ich Sie um eine Beſt[ellung] bitte — da Sie meine Bitte faſt erfüllen,
wenn Sie ſie übergeben. Ich hatte mit meinem apoſtoliſchen Namens-
vetter eine reellere Verwandſchaft, die kameraliſtiſche. — In meinen
angebornen Flügeln war nichts, was mich über das Leben wegbringen
konte, als einige Schreibfedern, die ich deswegen auszog. — meine 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/74>, abgerufen am 16.07.2024.
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