Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.schaffen der Zeugnisse hab' ich gerade noch Zeit. Was aber den lezten Ihr treuer Sohn und Freund J. P. F. Richter20 [66] 106. An Christian Otto. Berlin d. 30. März 1801.Dasmal schreib' ich dir nur meinetwegen und kurz, weil du einen *) In dem an Friederike stekt der an den Superint.
ſchaffen der Zeugniſſe hab’ ich gerade noch Zeit. Was aber den lezten Ihr treuer Sohn und Freund J. P. F. Richter20 [66] 106. An Chriſtian Otto. Berlin d. 30. März 1801.Dasmal ſchreib’ ich dir nur meinetwegen und kurz, weil du einen *) In dem an Friederike ſtekt der an den Superint.
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0064" n="58"/> ſchaffen der Zeugniſſe hab’ ich gerade noch Zeit. Was aber den lezten<lb/> Punkt, das Interimslogis betrift, ſo würden mich ſchon „die konven-<lb/> zionsmäſſigen Beſuche“ von denen Sie ſprechen, — auch wenn die<lb/> Unmöglichkeit eines doppelten Haushaltens, Aus- und Einpackens und<lb/> Verzögerns einer feſten Beſtimmung nicht wäre — unmittelbar den<lb n="5"/> erſten Tag nach dem Feſte davontreiben, da nichts meinen Grund-<lb/> ſäzen, meiner Geſundheit, und meiner Zeit mehr entgegen iſt als das<lb/> Tantenzeremoniel des Beſuchmachens und -Annehmens. Erſt heute<lb/> fiel mir eine Ausgleichung zwiſchen meinen Wünſchen und meinem<lb/> Viſiten-<hi rendition="#aq">horror</hi> ein, nämlich den Tag nach der Trauung nur bis<lb n="10"/> Potsdam zu gehen und da vor dem ſchönen ſtillen Angeſichte der Natur<lb/> die ſchönſte Zeit des Lebens zu feiern. Ja es wäre am beſten, ſogleich<lb/> nach der Trauung hinzueilen und ſich dem läſtigen Gewühl der mehr<lb/> drängenden als erfreuenden Zuſchauer zu entziehen. Warum ſol man<lb/> ſich das innere Feſt durch das äuſſere ſtören laſſen? — Ich hoffe, Sie<lb n="15"/> ſind meiner Meinung, die ich, wenigſtens in Beziehung auf das Viſiten-<lb/> Hauſieren und Interims-Haushalten nie aufgeben kan. Leben Sie<lb/> wohl und vergeben Sie meine Aufrichtigkeit.</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Ihr treuer Sohn und Freund<lb/> J. P. F. Richter</hi> <lb n="20"/> </salute> </closer> </div> <div type="letter" n="1"> <head><note place="left"><ref target="1922_Bd4_66">[66]</ref></note> 106. An <hi rendition="#g">Chriſtian Otto.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Berlin</hi> d. 30. März 1801.</hi> </dateline><lb/> <p>Dasmal ſchreib’ ich dir nur meinetwegen und kurz, weil du einen<lb/> Brief<note place="foot" n="*)">In dem an <hi rendition="#aq">Friederike</hi> ſtekt der an den <hi rendition="#aq">Superint.</hi></note> nach <hi rendition="#aq">Wonsiedel</hi> befödern ſolſt, damit er meinen Taufſchein<lb n="35"/> hole, den ich jezt brauche, um meine <hi rendition="#aq">Caroline</hi> in die Witwenkaſſe<lb n="25"/> einzukaufen. Ich ſezte nach meiner Sitte gar kein <hi rendition="#g">jeziges</hi> Vermögen<lb/> voraus, ſie erbte aber von ihrer neulich geſtorbnen Mutter 2,000 rtl.<lb/> Über dieſes <hi rendition="#g">einzige</hi> Weſen mus ich einmal einen ganzen halben Brief<lb/> ſchreiben. Sie und die <hi rendition="#aq">Krüdner</hi> ſind Seelenfreundinnen und jede<lb/> vergöttert die andere. Die <hi rendition="#aq">Kr.</hi> iſt entſchieden eine rein religiöſe Frau<lb n="30"/> bis zur Virtuoſität „der ſchönen Seele“ im Meiſter. — Nach <hi rendition="#aq">Bayreuth</hi><lb/> zög’ ich, fals meine Schöpf- und Saugwerke — wozu auch die <hi rendition="#aq">Kr.</hi><lb/> gehört — mir ein Kanonikat vom Könige vorhöben. Ich habe, von<lb/> der Königin an, eine ganze arbeitende Weiber-Suite; es iſt aber viel-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0064]
ſchaffen der Zeugniſſe hab’ ich gerade noch Zeit. Was aber den lezten
Punkt, das Interimslogis betrift, ſo würden mich ſchon „die konven-
zionsmäſſigen Beſuche“ von denen Sie ſprechen, — auch wenn die
Unmöglichkeit eines doppelten Haushaltens, Aus- und Einpackens und
Verzögerns einer feſten Beſtimmung nicht wäre — unmittelbar den 5
erſten Tag nach dem Feſte davontreiben, da nichts meinen Grund-
ſäzen, meiner Geſundheit, und meiner Zeit mehr entgegen iſt als das
Tantenzeremoniel des Beſuchmachens und -Annehmens. Erſt heute
fiel mir eine Ausgleichung zwiſchen meinen Wünſchen und meinem
Viſiten-horror ein, nämlich den Tag nach der Trauung nur bis 10
Potsdam zu gehen und da vor dem ſchönen ſtillen Angeſichte der Natur
die ſchönſte Zeit des Lebens zu feiern. Ja es wäre am beſten, ſogleich
nach der Trauung hinzueilen und ſich dem läſtigen Gewühl der mehr
drängenden als erfreuenden Zuſchauer zu entziehen. Warum ſol man
ſich das innere Feſt durch das äuſſere ſtören laſſen? — Ich hoffe, Sie 15
ſind meiner Meinung, die ich, wenigſtens in Beziehung auf das Viſiten-
Hauſieren und Interims-Haushalten nie aufgeben kan. Leben Sie
wohl und vergeben Sie meine Aufrichtigkeit.
Ihr treuer Sohn und Freund
J. P. F. Richter 20
106. An Chriſtian Otto.
Berlin d. 30. März 1801.
Dasmal ſchreib’ ich dir nur meinetwegen und kurz, weil du einen
Brief *) nach Wonsiedel befödern ſolſt, damit er meinen Taufſchein 35
hole, den ich jezt brauche, um meine Caroline in die Witwenkaſſe 25
einzukaufen. Ich ſezte nach meiner Sitte gar kein jeziges Vermögen
voraus, ſie erbte aber von ihrer neulich geſtorbnen Mutter 2,000 rtl.
Über dieſes einzige Weſen mus ich einmal einen ganzen halben Brief
ſchreiben. Sie und die Krüdner ſind Seelenfreundinnen und jede
vergöttert die andere. Die Kr. iſt entſchieden eine rein religiöſe Frau 30
bis zur Virtuoſität „der ſchönen Seele“ im Meiſter. — Nach Bayreuth
zög’ ich, fals meine Schöpf- und Saugwerke — wozu auch die Kr.
gehört — mir ein Kanonikat vom Könige vorhöben. Ich habe, von
der Königin an, eine ganze arbeitende Weiber-Suite; es iſt aber viel-
*) In dem an Friederike ſtekt der an den Superint.
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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