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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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mit allen persönlichen Beziehungen auf meine Individualität, wo-
durch allein ein Brief einer wird, abdrucken; ich bin nicht kleinstädtisch-
scheu. Die zweite Bitte, die ich heilig als Freund ans Herz der Freundin
bringe, ist die um die vollständigste Zurückgabe dieser seiner
Reliquien, des Saums des Mantels, den der Prophet zurückwarf, da5
er gen Himmel ging. In der Michaelis Messe erscheint meine Aesthetik,
die ich mit einem Kapitel über ihn unter der Aufreissung aller meiner
Schmerzen beschloß. Ich werde sie Ihnen schicken.

In dieser Woche zieh' ich nach Bayreuth. Gewiß werden Sie einmal
mit Ihrer Luise Ihren H. Sohn in Bayern und also dann auch mich10
auf dem Durchgange besuchen. Ich sehne mich nach Ihrem Anblicke.

Meine Frau und Kinder sind gesund. Wir grüßen Sie und Ihre lieb-
liche Tochter. Es geh' Ihnen wol und Ihr Auge werde heller!

Ihr
J. P. F. Richter15
496. An Dr. Gottfried Herder.
[Kopie]

Ich wäre gern zum h. Grabe gereiset, um die frohesten und trübsten
Erinnerungen zu erneuern. Weimar oder vielmehr sein auf ewig zu-
geschloßnes Haus hat mich zum ewigen Juden gemacht, der in20
keiner Stadt lang bleiben kann sondern der, sobald er ins Kirchenbuch
(sein Postbuch) ein neues Kind einschreiben lassen, wieder aufbricht. --
Ich habe Ihm einen Kranz an sein Grabes Kreuz gehangen.

mit allen perſönlichen Beziehungen auf meine Individualität, wo-
durch allein ein Brief einer wird, abdrucken; ich bin nicht kleinſtädtiſch-
ſcheu. Die zweite Bitte, die ich heilig als Freund ans Herz der Freundin
bringe, iſt die um die vollſtändigſte Zurückgabe dieſer ſeiner
Reliquien, des Saums des Mantels, den der Prophet zurückwarf, da5
er gen Himmel ging. In der Michaelis Meſſe erſcheint meine Aeſthetik,
die ich mit einem Kapitel über ihn unter der Aufreiſſung aller meiner
Schmerzen beſchloß. Ich werde ſie Ihnen ſchicken.

In dieſer Woche zieh’ ich nach Bayreuth. Gewiß werden Sie einmal
mit Ihrer Luise Ihren H. Sohn in Bayern und alſo dann auch mich10
auf dem Durchgange beſuchen. Ich ſehne mich nach Ihrem Anblicke.

Meine Frau und Kinder ſind geſund. Wir grüßen Sie und Ihre lieb-
liche Tochter. Es geh’ Ihnen wol und Ihr Auge werde heller!

Ihr
J. P. F. Richter15
496. An Dr. Gottfried Herder.
[Kopie]

Ich wäre gern zum h. Grabe gereiſet, um die froheſten und trübſten
Erinnerungen zu erneuern. Weimar oder vielmehr ſein auf ewig zu-
geſchloßnes Haus hat mich zum ewigen Juden gemacht, der in20
keiner Stadt lang bleiben kann ſondern der, ſobald er ins Kirchenbuch
(ſein Poſtbuch) ein neues Kind einſchreiben laſſen, wieder aufbricht. —
Ich habe Ihm einen Kranz an ſein Grabes Kreuz gehangen.

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[311/0325] mit allen perſönlichen Beziehungen auf meine Individualität, wo- durch allein ein Brief einer wird, abdrucken; ich bin nicht kleinſtädtiſch- ſcheu. Die zweite Bitte, die ich heilig als Freund ans Herz der Freundin bringe, iſt die um die vollſtändigſte Zurückgabe dieſer ſeiner Reliquien, des Saums des Mantels, den der Prophet zurückwarf, da 5 er gen Himmel ging. In der Michaelis Meſſe erſcheint meine Aeſthetik, die ich mit einem Kapitel über ihn unter der Aufreiſſung aller meiner Schmerzen beſchloß. Ich werde ſie Ihnen ſchicken. In dieſer Woche zieh’ ich nach Bayreuth. Gewiß werden Sie einmal mit Ihrer Luise Ihren H. Sohn in Bayern und alſo dann auch mich 10 auf dem Durchgange beſuchen. Ich ſehne mich nach Ihrem Anblicke. Meine Frau und Kinder ſind geſund. Wir grüßen Sie und Ihre lieb- liche Tochter. Es geh’ Ihnen wol und Ihr Auge werde heller! Ihr J. P. F. Richter 15 496. An Dr. Gottfried Herder. [Koburg, 10. Aug. 1804] Ich wäre gern zum h. Grabe gereiſet, um die froheſten und trübſten Erinnerungen zu erneuern. Weimar oder vielmehr ſein auf ewig zu- geſchloßnes Haus hat mich zum ewigen Juden gemacht, der in 20 keiner Stadt lang bleiben kann ſondern der, ſobald er ins Kirchenbuch (ſein Poſtbuch) ein neues Kind einſchreiben laſſen, wieder aufbricht. — Ich habe Ihm einen Kranz an ſein Grabes Kreuz gehangen.

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/325>, abgerufen am 07.05.2024.