[322] Hier schick' ich dir mein altes Schuldenbuch. Bei den 55 fl. bleib' es! Sobald du alles zurückzahlst, muß auch ausgemittelt werden, was deine Mutter meiner geliehen. Eine Rechnung von Christoph über Weine und Strümpfe fiel mir neulich in die Hände; und du sollst sie haben. Denn Eile hat es darum nicht, weil ich zwar die Schuld-5 verschreibung annehme -- denn ich weiß voraus, wie sehr meine Kinder verarmen --, aber nie bei meinen Lebzeiten zahlbar, folglich nie (denn ich könnte lange leben) zinsbar, was sich von selber versteht. Du schreibst, ich möge deine Bürgschaft im Briefe anerkennen; ich hoffe aber, daß du dieß nur scherzend geschrieben oder probierend, da10 du mir doch so viel Jurisprudenz (schon aus den Flegeljahren) zu- trauen kannst, daß ich werde Instrumente fodern. -- H. v. Rhamm war sehr mit Euch beiden zufrieden und ich mit ihm. -- Frankreich anlangend, so wird ja der deutsche Wunsch, die Freiheit mit solchem zu theilen, selber von Fürsten erfüllt; da wir jetzt ganz nicht nur wie15 Frankreich, sondern auch sogar von Frankreich regieret werden, wie die gleiche Preß-Freiheit, und das Emigranten-Pressen in Deutsch- land gewiß beweisen. Denn kein Hahn darf (darnach) krähen dem gallischen, daß dieser den verläugnenden Petrus zu erinnern vergißt.
Emanuel soll nach Schwaben mit der Frau Israels gereiset sein.20 Er vergebe mir mein Schweigen, da ich 20 Druckbogen Aesthetik nach Leipzig fördern mußte. -- Was lässet denn der gute treue Thieriot von sich hören? Letzteres würd' er gewiß unterstreichen des Wort- spiels wegen. -- Und wem soll ich die Aesthetik dedizieren, insofern ich etwas haben und doch mit Überzeugung preisen will? Dem König25 in Preussen (die Theorie dem Mann, wie die Praxis Titan der Frau)? -- Dem Baierfürsten? -- Dem neuen Herzog von Gotha? -- Dem Minister v. Hardenberg? -- Rathe an!
d. 3. Mai.
Hier sind die Flegeljahre mit unzähligen Druckfehlern. Ich bin30 begierig, wie dir diese neue Form gefällt oder nicht, desgleich[en] die Rezension des Titans in [der] L[itteratur] Z[eitung]. Gott weiß aber [323]wenn du sie liesest, geschweige beurtheilst. Endlich kommt ein Monat voll schöner Tage. Meine vorige Aequinokz[ial] Beobachtung wurde nach einem Lügner von Buche zugeschnitten. Ich will wieder auf35 eigne Füsse; Mai und Juny werden göttlich, July regnerisch. Ge- nieße du und Amöne jene recht aus.
R.
[322] Hier ſchick’ ich dir mein altes Schuldenbuch. Bei den 55 fl. bleib’ es! Sobald du alles zurückzahlſt, muß auch ausgemittelt werden, was deine Mutter meiner geliehen. Eine Rechnung von Christoph über Weine und Strümpfe fiel mir neulich in die Hände; und du ſollſt ſie haben. Denn Eile hat es darum nicht, weil ich zwar die Schuld-5 verſchreibung annehme — denn ich weiß voraus, wie ſehr meine Kinder verarmen —, aber nie bei meinen Lebzeiten zahlbar, folglich nie (denn ich könnte lange leben) zinsbar, was ſich von ſelber verſteht. Du ſchreibſt, ich möge deine Bürgſchaft im Briefe anerkennen; ich hoffe aber, daß du dieß nur ſcherzend geſchrieben oder probierend, da10 du mir doch ſo viel Jurisprudenz (ſchon aus den Flegeljahren) zu- trauen kannſt, daß ich werde Inſtrumente fodern. — H. v. Rhamm war ſehr mit Euch beiden zufrieden und ich mit ihm. — Frankreich anlangend, ſo wird ja der deutſche Wunſch, die Freiheit mit ſolchem zu theilen, ſelber von Fürſten erfüllt; da wir jetzt ganz nicht nur wie15 Frankreich, ſondern auch ſogar von Frankreich regieret werden, wie die gleiche Preß-Freiheit, und das Emigranten-Preſſen in Deutſch- land gewiß beweiſen. Denn kein Hahn darf (darnach) krähen dem galliſchen, daß dieſer den verläugnenden Petrus zu erinnern vergißt.
Emanuel ſoll nach Schwaben mit der Frau Iſraels gereiſet ſein.20 Er vergebe mir mein Schweigen, da ich 20 Druckbogen Aeſthetik nach Leipzig fördern mußte. — Was läſſet denn der gute treue Thieriot von ſich hören? Letzteres würd’ er gewiß unterſtreichen des Wort- ſpiels wegen. — Und wem ſoll ich die Aeſthetik dedizieren, inſofern ich etwas haben und doch mit Überzeugung preiſen will? Dem König25 in Preuſſen (die Theorie dem Mann, wie die Praxis 〈Titan〉 der Frau)? — Dem Baierfürſten? — Dem neuen Herzog von Gotha? — Dem Miniſter v. Hardenberg? — Rathe an!
d. 3. Mai.
Hier ſind die Flegeljahre mit unzähligen Druckfehlern. Ich bin30 begierig, wie dir dieſe neue Form gefällt oder nicht, desgleich[en] die Rezenſion des Titans in [der] L[itteratur] Z[eitung]. Gott weiß aber [323]wenn du ſie lieſeſt, geſchweige beurtheilſt. Endlich kommt ein Monat voll ſchöner Tage. Meine vorige Aequinokz[ial] Beobachtung wurde nach einem Lügner von Buche zugeſchnitten. Ich will wieder auf35 eigne Füſſe; Mai und Juny werden göttlich, July regneriſch. Ge- nieße du und Amöne jene recht aus.
R.
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><div><pbfacs="#f0302"n="290"/><p><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd4_322">[322]</ref></note> Hier ſchick’ ich dir mein altes Schuldenbuch. Bei den 55 fl. bleib’ es!<lb/>
Sobald du alles zurückzahlſt, muß auch ausgemittelt werden, was<lb/>
deine Mutter meiner geliehen. Eine Rechnung von <hirendition="#aq">Christoph</hi> über<lb/>
Weine und Strümpfe fiel mir neulich in die Hände; und du ſollſt ſie<lb/>
haben. Denn Eile hat es darum nicht, weil ich zwar die Schuld-<lbn="5"/>
verſchreibung annehme — denn ich weiß voraus, wie ſehr meine<lb/>
Kinder verarmen —, aber nie bei meinen Lebzeiten zahlbar, folglich<lb/>
nie (denn ich könnte lange leben) zinsbar, was ſich von ſelber verſteht.<lb/>
Du ſchreibſt, ich möge deine Bürgſchaft im Briefe anerkennen; ich<lb/>
hoffe aber, daß du dieß nur ſcherzend geſchrieben oder probierend, da<lbn="10"/>
du mir doch ſo viel Jurisprudenz (ſchon aus den Flegeljahren) zu-<lb/>
trauen kannſt, daß ich werde Inſtrumente fodern. — H. <hirendition="#aq">v. Rhamm</hi><lb/>
war ſehr mit Euch beiden zufrieden und ich mit ihm. — Frankreich<lb/>
anlangend, ſo wird ja der deutſche Wunſch, die Freiheit mit ſolchem<lb/>
zu theilen, ſelber von Fürſten erfüllt; da wir jetzt ganz nicht nur wie<lbn="15"/>
Frankreich, ſondern auch ſogar von Frankreich regieret werden, wie die<lb/>
gleiche <hirendition="#g">Preß</hi>-Freiheit, und das Emigranten-<hirendition="#g">Preſſen</hi> in Deutſch-<lb/>
land gewiß beweiſen. Denn kein Hahn darf (darnach) krähen dem<lb/>
galliſchen, daß dieſer den verläugnenden Petrus zu erinnern vergißt.</p><lb/><p><hirendition="#aq">Emanuel</hi>ſoll nach Schwaben mit der Frau Iſraels gereiſet ſein.<lbn="20"/>
Er vergebe mir mein Schweigen, da ich 20 Druckbogen Aeſthetik nach<lb/>
Leipzig fördern mußte. — Was läſſet denn der gute treue Thieriot<lb/><hirendition="#g">von ſich hören</hi>? Letzteres würd’ er gewiß unterſtreichen des Wort-<lb/>ſpiels wegen. — Und wem ſoll ich die Aeſthetik dedizieren, inſofern ich<lb/><hirendition="#g">etwas haben</hi> und doch mit Überzeugung preiſen will? Dem König<lbn="25"/>
in Preuſſen (die Theorie dem Mann, wie die Praxis 〈Titan〉 der<lb/>
Frau)? — Dem Baierfürſten? — Dem neuen Herzog von Gotha? —<lb/>
Dem Miniſter v. Hardenberg? — Rathe an!</p></div><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#right">d. 3. Mai.</hi></dateline><lb/><p>Hier ſind die Flegeljahre mit unzähligen Druckfehlern. Ich bin<lbn="30"/>
begierig, wie dir dieſe neue Form gefällt oder nicht, desgleich[en] die<lb/>
Rezenſion des Titans in [der] <hirendition="#aq">L[itteratur] Z[eitung].</hi> Gott weiß aber<lb/><noteplace="left"><reftarget="1922_Bd4_323">[323]</ref></note>wenn du ſie lieſeſt, geſchweige beurtheilſt. Endlich kommt ein Monat<lb/>
voll ſchöner Tage. Meine vorige Aequinokz[ial] Beobachtung wurde<lb/>
nach einem Lügner von Buche zugeſchnitten. Ich will wieder auf<lbn="35"/>
eigne Füſſe; Mai und Juny werden göttlich, July regneriſch. Ge-<lb/>
nieße du und Amöne jene recht aus.</p><closer><salute><hirendition="#right">R.</hi></salute></closer></div></div><lb/></body></text></TEI>
[290/0302]
Hier ſchick’ ich dir mein altes Schuldenbuch. Bei den 55 fl. bleib’ es!
Sobald du alles zurückzahlſt, muß auch ausgemittelt werden, was
deine Mutter meiner geliehen. Eine Rechnung von Christoph über
Weine und Strümpfe fiel mir neulich in die Hände; und du ſollſt ſie
haben. Denn Eile hat es darum nicht, weil ich zwar die Schuld- 5
verſchreibung annehme — denn ich weiß voraus, wie ſehr meine
Kinder verarmen —, aber nie bei meinen Lebzeiten zahlbar, folglich
nie (denn ich könnte lange leben) zinsbar, was ſich von ſelber verſteht.
Du ſchreibſt, ich möge deine Bürgſchaft im Briefe anerkennen; ich
hoffe aber, daß du dieß nur ſcherzend geſchrieben oder probierend, da 10
du mir doch ſo viel Jurisprudenz (ſchon aus den Flegeljahren) zu-
trauen kannſt, daß ich werde Inſtrumente fodern. — H. v. Rhamm
war ſehr mit Euch beiden zufrieden und ich mit ihm. — Frankreich
anlangend, ſo wird ja der deutſche Wunſch, die Freiheit mit ſolchem
zu theilen, ſelber von Fürſten erfüllt; da wir jetzt ganz nicht nur wie 15
Frankreich, ſondern auch ſogar von Frankreich regieret werden, wie die
gleiche Preß-Freiheit, und das Emigranten-Preſſen in Deutſch-
land gewiß beweiſen. Denn kein Hahn darf (darnach) krähen dem
galliſchen, daß dieſer den verläugnenden Petrus zu erinnern vergißt.
[322]
Emanuel ſoll nach Schwaben mit der Frau Iſraels gereiſet ſein. 20
Er vergebe mir mein Schweigen, da ich 20 Druckbogen Aeſthetik nach
Leipzig fördern mußte. — Was läſſet denn der gute treue Thieriot
von ſich hören? Letzteres würd’ er gewiß unterſtreichen des Wort-
ſpiels wegen. — Und wem ſoll ich die Aeſthetik dedizieren, inſofern ich
etwas haben und doch mit Überzeugung preiſen will? Dem König 25
in Preuſſen (die Theorie dem Mann, wie die Praxis 〈Titan〉 der
Frau)? — Dem Baierfürſten? — Dem neuen Herzog von Gotha? —
Dem Miniſter v. Hardenberg? — Rathe an!
d. 3. Mai.
Hier ſind die Flegeljahre mit unzähligen Druckfehlern. Ich bin 30
begierig, wie dir dieſe neue Form gefällt oder nicht, desgleich[en] die
Rezenſion des Titans in [der] L[itteratur] Z[eitung]. Gott weiß aber
wenn du ſie lieſeſt, geſchweige beurtheilſt. Endlich kommt ein Monat
voll ſchöner Tage. Meine vorige Aequinokz[ial] Beobachtung wurde
nach einem Lügner von Buche zugeſchnitten. Ich will wieder auf 35
eigne Füſſe; Mai und Juny werden göttlich, July regneriſch. Ge-
nieße du und Amöne jene recht aus.
[323]R.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/302>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.